Aneta Stojic

Deutsch-kroatische Sprachkontakte


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'laut rufen' wiederzufinden ist (Dasović/Kranjčević, 2003: 141).

      3.6 Entlehnung in der neuhochdeutschen Periode

      3.6.1 Neue Kolonisierungen

      In den ersten Jahrhunderten der Neuzeit erlebte das kroatische Volk seine schwierigsten Zeiten. Das kleine Kroatien befand sich zwischen zwei Großmächten – im Osten die Osmanen, im Westen die Habsburger, deren Kriege vor allem auf den Gebieten des heutigen Kroatien ausgeführt wurden. Die Osmanen drangen immer weiter vor und eroberten Gebiete unter dem Bannus und dem Sabor. Das kroatische Territorium wurde bis zum Ende des Jahrhunderts um mehr als die Hälfte reduziert, so dass eine systematische Kolonisierungspolitik von Seiten des Wiener Hofes (Karl VI., Maria Theresia und später Josef II.) folgte. Der Hauptstrom der Zuzügler kam aus dem sog. Vorderösterreich (Schwaben), aber auch aus anderen Teilen des Deutschen Reiches (Rheinland, Luxemburg) oder aus Österreich. Aus dieser Periode stammt auch die gemeinsame umgangssprachliche Bezeichnung aller Deutschsprachigen im Kroatischen Švabo (»der Schwabe«). Gerade die Donauschwaben bildeten in den Städten Slawoniens zusammen mit den k.u.k. Militärs entlang der Militärgrenze zum damaligen Osmanischen Reich seit dem 18. Jh. eine bürgerliche Schicht, die auf moderne Strömungen in der kroatischen Gesellschaft großen emanzipatorischen Einfluss ausübte. Die erste große Welle der deutschsprachigen Kolonisten kam Ende des 17. Jh., als die Habsburger 1687 die Türken aus den östlichen Teilen des heutigen Kroatien vertrieben. Die langjährigen Kriege gegen die Türken verwüsteten große Teile Kroatiens. Viele Kroaten kamen im Kampf gegen die Türken ums Leben, viele flüchteten in andere Teile Kroatiens (hauptsächlich an die Küste) und ein großer Teil wurde islamisiert. Diese Gebiete mussten neu angesiedelt werden. Deshalb gehörte es zu den Prioritäten der Habsburger Monarchie, die neu hinzugekommenen Gebiete mit Menschen, die der Dynastie treu waren und die große Verantwortung für den Wiederaufbau der verwüsteten Gebiete auf sich nahmen, planmäßig zu besiedeln. Das deutsche ethnische Element spielte dabei eine tragende Rolle (Štuka VDG, 1995: 98). Auch strategische Gründe sprachen dafür, dass die Deutschen so schnell wie möglich die wirtschaftliche Grundlage für neue Kriege gegen die Türken schaffen sollten, um Österreich zu ermöglichen, über den Balkan in den Osten vorzudringen. Die Besiedlung Nord- und Ostkroatiens von Seiten deutscher Einwanderer im 17. und 18. Jh. begünstigte erneut den Bilingualismus. Unter den neuen Siedlern befanden sich zahlreiche Handwerker. Viele von ihnen waren aus Bayern, aus der Rheingegend, aus Österreich, der Steiermark und Kärnten. Die neuen Zuwanderer übten einen großen Einfluss auf die autochthone Bevölkerung aus, der sich in allen Lebensbereichen abzeichnet und in den vielen deutschen Lehnwörtern im Kroatischen widerspiegelt. Unter dem Einfluss der deutschen Siedler bildete sich in der slawonischen Stadt Osijek sogar eine Mischsprache, das Essekerische, heraus (vgl. Petrović, 2001). Der Zuwachs der städtischen Bevölkerung gab vielen deutschen Handwerkern und Händlern Grund, sich auch in diesen Städten anzusiedeln. Die Migrationsströme flossen aus allen Richtungen in städtische Zentren und wurden auf diese Weise zum Hauptfaktor der demographischen Entwicklung. Die Kolonisten waren nicht nur Handwerker und Händler, sondern auch Landarbeiter, die sich wirtschaftlich schnell entwickelten und bald ihre eigenen Manufakturen und Fabriken gründeten und somit den Kern des wachsenden Bürgertums bildeten (Gabričević, 2002: 74).

      Die Gebiete, die stärker von der deutschen Kolonisierung betroffen waren, sind Slawonien und Nordkroatien. Die erste Besiedlungswelle im Banat, Bačka und Baranja erfolgte in der Zeit der Verwaltung des Gouverneurs Graf Klaudius Ferdinand Mercy, der von 1722 bis 1727 vor allem Handwerker und Bauern, etwa 10000 in 57 Siedlungen ansiedelte. Die zweite Welle folgte zwischen 1768 und 1771 in der Regierungszeit von Maria Theresia und zählt etwa 5000 Familien, die 50 neue Siedlungen und 30 schon bestehende besiedeln. Die dritte Welle beginnt zur Zeit der Herrschaft Joseph II. (1784–1787). Der Großteil der deutschen Ortschaften in Slawonien entstand um die Städte Osijek, Vinkovci und Vukovar herum. Die Kolonisierung der Deutschen im Südosten Europas wurde nach dem Wiener Frieden im Jahre 1810 intensiver, vor allem kamen Siedler aus Württemberg, Baden und Hessen. Ende des 18. Jh. und Anfang des 19. Jh wurden vor allem die Gebiete um Đakovo besiedelt (Geiger, 2001: 60). Vor der deutschen Kolonisierung bebauten die alteingesessenen Einwohner das Land auf traditionelle Art und Weise, durch Brachlegung, während die zugewanderten Deutschen die Fruchtfolge verwendeten. Die modernen Arbeits- und Anbaumethoden und neue verbesserte Viehrassen, die die deutschen Kolonisten einführten, wirkten innovativ auf die anderen Ethnien ein, hinterließen aber auch in der kroatischen Sprache ihre Spuren. So stammen aus dieser Zeit:

       kro. cvikcange < dtsch. Zwickzange,

       kro. rundhamer < dtsch. Rundhammer,

       kro. špicange < dtsch. Spitzzange,

       kro. švasati < dtsch. schweißen u.a.

      Das enge Zusammenleben der deutschen Siedler und Kroaten sowie die starke Position der deutschen Sprache im 18. und 19. Jh. führte zum starken Einfluss auf die autochthone Bevölkerung in allen Lebensbereichen. Die bis dahin mit Stroh bedeckten und Feuerstellen beheizten Häuser ersetzten die auf römische Art gebauten Häuser, deren Elemente die deutschen Siedler übermittelten:

       kro. cigla < dtsch. Ziegel < lat. tegula,

       kro. letva < dtsch. Latte,

       kro. malter < dtsch. Mörtel,

       kro. planka < dtsch. Planke,

       kro. šalovanje < dtsch. Verschalung,

       kro. šindra < dtsch. Schindel usw.

      Die Häuser wurden mit Kachelöfen (> kro. kaljeva peć) und später mit Sparherden (> kro. špaher) geheizt. Die deutschen Siedler beeinflussten ebenfalls auch die räumliche Gestaltung der Häuser:

       kro. forcimer < dtsch. Vorzimmer,

       kro. ganjak < dtsch. Gank,

       kro. hala < dtsch. Halle,

       kro. špajza < dtsch. Speisekammer,

       kro. štenge < österr. Stiege u.a.

      Hilfsräume:

       kro. šajer < österr. Scheuer,

       kro. štala < dtsch. Stall,

       kro. šupa < dtsch. Schuppen,

      sowie die Wohnkultur selbst:

       kro. firange < dtsch. Vorhang,

       kro. hoklica < österr. Hockerl,

       kro. mebl < dtsch. Möbel < frz. meuble,

       kro. pult < dtsch. Pult,

       kro. tepih < dtsch. Teppich.

      Bei dieser Übernahme spielten besonders größere Städte wie Zagreb, Osijek und Varaždin, wo sich das Bürgertum konzentrierte, eine bedeutende Rolle. Von dort aus verbreitete sich das diesbezügliche Sprachgut auf die ländliche Umgebung (Schneeweis, 1960: XIX). In die Provinz gelangte das Neue auch durch den Handel, weil viele deutsche Händler und Handwerker Hausrat verkauften bzw. anfertigten und damit Wörter, die sie benannten, verbreiteten:

       kro. batrol < dtsch. Backrohr,

       kro. bratvan/protvan /protvanj < dtsch. Bratpfanne,

       kro. beštek < dtsch. Besteck,

       kro. cukerdoza < dtsch. Zuckerdose,

       kro. cukerpiksla < österr. Zuckerpiksl,

       kro. dunstflaša < österr. Dunstflasche 'Einmachglas',

       kro. escajg < dtsch. Esszeug,

       kro. faselj/faslin < österr. Fasslein,

       kro. flajšmašina < dtsch. Fleischmaschine,

       kro. flaša < dtsch.