für Hörer und Sprecher. Davon unterscheidet Hawkins the immediate situation use. Hierbei muss das Denotat in der unmittelbaren Kommunikationssituation existieren, jedoch nicht zwangsweise für Sprecher und Hörer sichtbar sein. In einer konkreten Kommunikationssituation kann der Sprecher bspw. auf einen Gegenstand, der nicht im direkten Sichtfeld der Kommunikationspartner ist, erfolgreich verweisen, wenn beide Gesprächsteilnehmer von der Existenz des Objekts wissen. Eine weitere Verwendung des definiten Artikels beschreibt Hawkins (1978) als larger situation use. Hierbei referiert der Artikel auf Denotate in größeren oder umfangreicheren Situationen. Damit ist gemeint, dass der Referent nicht in der unmittelbaren Kommunikationssituation anwesend oder sichtbar ist. Es kann sprachlich auf Konzepte, Begriffe, Gegenstände etc. Bezug genommen werden, die im Weltwissen der Gesprächsteilnehmer verankert sind. Voraussetzung ist, dass Sprecher und Hörer beide über das entsprechende Wissen verfügen und der Hörer den richtigen Referenten lokalisieren bzw. zuordnen kann.
Die bisher vorgestellten referentiellen Verwendungen des definiten Artikels beziehen sich vorrangig auf tatsächliche Gesprächssituationen, selten auf Texte. In textueller Kommunikation spricht Hawkins (1978) von einer assoziativen anaphorischen Verwendung des Artikels, welche die häufigste ist. Hierbei kann eine Phrase ein komplexes Set an daraus folgenden Assoziationen des Sprechers etablieren. Ist die Rede bspw. von einem Haus, kann der Sprecher/Autor im folgenden definite Phrasen wie die Fenster oder das Dach verwenden, ohne sie vorher einführen zu müssen, da dem Hörer/Leser klar ist, dass diese zu dem genannten Haus gehören. Ein sprachlicher Ausdruck kann somit die Verwendung weiterer definiter Phrasen gewährleisten, wobei auch hier der Sprecher/Autor und der Hörer/Leser über gemeinsames Weltwissen verfügen müssen. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit des Artikels ist the unfamiliar use. Hierbei ist die Verwendung des Artikels weder situationsabhängig noch assoziativ angelegt, sondern der Artikel führt einen bisher nicht genannten Referenten ein, der in der Regel durch attributive Elemente, z.B. einen Relativsatz oder ein Genitivattribut, so spezifiziert wird, dass die Phrase als [+definit] interpretiert werden kann. Die Verwendungen des Artikels bei Hawkins beziehen sich auf Anwendung in Kommunikationssituationen, d.h. sein Ansatz ist pragmatisch orientiert.15 Hawkins’ (1978) Darstellung der Verwendung des definiten Artikels unterstreicht insgesamt, dass die Verwendung eines definiten Artikels immer eine Suchanweisung nach dem passenden, einzigartigen Referenten ist, was die referentielle Hauptfunktion eines definiten Artikels beschreibt. Insgesamt muss stets Eindeutigkeit des Denotats und dessen korrekte Zuordnung möglich sein, i.e. der Referent muss identifizierbar und lokalisierbar sein, wenn anhand des definiten Artikels in Kommunikations-situationen, d.h. in Gesprächen ebenso wie in Texten, erfolgreich referiert werden soll.
Semantische Determination ist als Abgrenzung zu verstehen, wobei ein konkreter Referent von anderen möglichen Denotaten unterschieden wird. Dennoch liegt die Funktion eines Artikels nicht nur vorrangig in der semantischen Determination. So weist Bisle-Müller (1991) bspw. darauf hin, dass der definite Artikel nicht vordergründig der Hervorhebung dient, „… sondern [er] wird gerade da verwendet, wo auf selbstverständliche Weise definit referiert wird. …“16 Dies mag in erster Linie für das Deutsche zutreffen, da man hier die Verwendung des definiten und indefiniten Artikels als selbstverständlich auffassen kann. Aber in den alten Sprachen existiert noch kein indefiniter Artikel und auch der definite Artikel ist im definiten Kontext noch nicht obligatorisch. Nach der DP-Analyse ist die wichtigste Eigenschaft der Kategorie D, den Kasus der NP auszulösen. Ein Determinans ist ein funktionales Element, d.h. es ist für die grammatischen Merkmale der Nominalphrase verantwortlich. Dazu zählen Lizenzierung von Spezifizierern und Markierung der Kongruenzmerkmale. Mit Lizenzierung eines Spezifizierers ist gemeint, dass D einem möglichen Possessor Kasus zuweist. D verfügt also über das Merkmal [POSS]. Der Begriff Kongruenzmerkmale spricht die Eigenschaft der Kategorie D an, Kasus, Numerus und Genus den ihr untergeordneten Elementen zuzuweisen. Kurz spricht man von AGR bzw. Agreement-Merkmalen. Das Genus ist entweder bereits im Lexikon des Komplements enthalten und wird von D übernommen oder in intransitiver Realisierung verfügt D selbst über dieses Merkmal. Für das Merkmal Numerus sind sowohl die im Lexikon verankerten Eigenschaften des Komplements als auch distributionelle und syntaktische Regeln konstitutiv. Im Gegensatz dazu ist das Merkmal Kasus „… eindeutig nicht vom Lexikoneintrag eines Nomens abhängig …“.17 Weiter heißt es bei Löbel (1990): „… Kasus wird einer DP von außen zugewiesen, d.h. dieses Merkmal ist nicht intern, sondern extern bedingt und muß in jedem Fall realisiert sein, da es bekanntlich eine DP ohne Kasus nicht geben darf. …“18 Felix (1990) schreibt, dass die Merkmale Kasus, Numerus und Genus in den indogermanischen Sprachen normalerweise anhand der Nominalflexion ausgedrückt werden.19 Dies ist auch bei den Untersuchungssprachen der Fall, bis auf Armenisch, das kein Genus besitzt. Diese Funktion wird syntaktische Determination genannt. Die Markierung von Phrasen als [+definit], i.e. das Bestimmen eines konkreten Referenten, wurde als semantische Determination bezeichnet. Die Hauptfunktion eines Artikels bzw. eines Determinans ist es also, semantisch und syntaktisch zu determinieren.
Als Arbeitsdefinition ist also festzuhalten, dass ein definiter Artikel ein Determinans ist, i.e. ein obligatorischer Begleiter eines Bezugselementes, von welchem er abhängig ist und das er selbst selegiert. Ein Artikel hat keinen deskriptiven Inhalt, sondern ist ein rein funktionales Element. Er ist referenzfähig und markiert Definitheit, was schwache deiktische Eigenschaften impliziert. Zudem löst er die Agreement-Merkmale der NP aus und übernimmt koordinative Funktionen, wobei pro DP nur ein Artikel erlaubt ist.
I.6.2 Zum griechischen Artikel
Der definite Artikel des Griechischen gr. ὁ, ἡ, τό ‚der, die, das‘ ist ein präponiertes, freistehendes Element, das flektiert und somit kongruent zu seinem Bezugswort erscheint. Wie im Deutschen wird dem Genus des Bezugswortes entsprechend die jeweilige Form verwendet. Das Morphem hat sich im klassischen Griechischen zum definiten Artikel entwickelt. In der Zeit des homerischen Griechisch fungierten gr. ὁ, ἡ, τό noch als Demonstrativpronomen.
Im Allgemeinen erfüllt der griechische definite Artikel drei Funktionen. Die Hauptaufgabe ist es, den Referenten der Phrase als bekannt und identifizierbar zu markieren; vgl.
(1) gr. 2.1.1
ἡ | μάχη |
die.Art. | Schlacht.Subst. |
Nom.Sg.f. | Nom.Sg.f. |
‚die Schlacht‘ |
Darüber hinaus kann der griechische Artikel generell auftreten und macht dabei „… eine Person oder Sache zum Vertreter einer ganzen Gattung …“1; vgl.
(2) gr. 2.2.6
τῆς | Ἰωνίας |
das.Art. | Ionien.EN |
Gen.Sg.f. | Gen.Sg.f. |
‚Ioniens‘ |
Die dritte Aufgabe liegt darin, Phrasen zu substantivieren, wobei der Artikel jedes beliebige Element nominalisieren kann; vgl.
(3) gr. 2.1.9
τῶν | νικώντων |
der.Art. | siegen.Verb |
Gen.Pl.m. | Prt.Prs.Akt.Gen.Pl.m. |
‚der Siegreichen‘ |
In jeder dieser Funktionen ist der Artikel referenzfähig und determiniert