Pauline Weiß

Die innere Struktur der DP in den altindogermanischen Artikelsprachen


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Die referentiellen Eigenschaften des griechischen Artikels werden mit Bakker (2009) folgendermaßen zusammengefasst:

      „… the article marks an object or person as a particular individual […], as distinct […], or as known/present to the mind […]. …“2

      Griechische Phrasen, die nicht referieren, stehen in der Regel ohne Artikel, d.h. durch die Anwendung des Artikels wird eine Referenzbeziehung etabliert und der Hörer/Leser erhält eine Suchanweisung, eine Relation zu einem passenden Referenten herzustellen. Dies impliziert ferner, dass der Artikel ein abhängiges Morphem ist, das nie ohne Bezugswort steht, wobei er konsequent den linken Rand der Phrase besetzt.3 Der Artikel des klassischen Griechischen kann insgesamt als prototypischer definiter Artikel gelten.

      I.6.3 Zum albanischen Artikel

      Das Albanische weist laut den Grammatiken zwei Artikel auf, einen präponierten und einen postponierten. Beide Elemente teilen die gleiche phonologische Gestalt und flektieren. Unterschiedlich ist jedoch ihre Position sowie ihre Funktion.

      Der postponierte Artikel wird als definiter Artikel klassifiziert, d.h. seine Hauptfunktion liegt in der Determination.1 Aufgrund seiner enklitischen Natur und seiner Funktion als Definitheitsmarker kann der bestimmte Artikel nicht isoliert stehen; vgl.

      (4) alb. BUZ Kap4/fol9v.29

Antifën-a
Antwort.Subst.-die.Art.
Nom.Sg.f.
‚die Antwort‘

      In den Balkansprachen findet sich häufiger die Nachstellung des definiten Artikels. So verfügen bspw. auch das Rumänische und Bulgarische über einen postpositiven definiten Artikel. Hierbei handelt es sich um ein Phänomen des Balkansprachbundes. Zu diesem zählen neben dem Albanischen, Rumänischen und Bulgarischen u.a. auch das Mazedonische und Serbische. Die Balkansprachen teilen aufgrund gemeinsamer Einflüsse einige sprachliche Besonderheiten. Neben dem nachgestellten Artikel gehören bspw. auch das Fehlen des Infinitivs oder der Kasussynkretismus von Genitiv und Dativ dazu.

      Der sog. freistehende Artikel des Albanischen ist in der Regel kein Definitheitsmarker, obwohl in den Grammatiken vorrangig der Terminus verwendet wird. So spricht Demiraj (1993) vom freistehenden Artikel und Buchholz/Fiedler (1987), Pekmezi (1908) sowie Matzinger (2006) vom präpositiven bzw. vorangestellten Artikel.2 Daneben finden auch die Bezeichnungen Gelenksartikel oder attributiver Artikel Anwendung. Mann (1977) klassifiziert den Artikel als connecting particle und Kallulli (1999), die sich allerdings mit dem modernen Albanischen beschäftigt, beschreibt ihn als AGR-Marker.3 Hendriks (1982), der ebenfalls das moderne Albanische untersucht, bezeichnet den sog. freistehenden Artikel je nach Funktion als adjektivische Partikel oder connective.4 Vorerst wird provisorisch vom sog. freistehenden Artikel gesprochen.

      Der sog. freistehende Artikel übernimmt für einen typischen Artikel eine unübliche Funktion. Er schließt Genitivattribute an das regierende Substantiv an und tritt dabei in dessen Kasus; vgl.

      (5) alb. MAT 17v.10–11

ndëljesë-në e mkatëve-t
Vergebung.Subst.-die.Art. AgrMGen Sünde.Subst.-der.Art.
Akk.Sg.f. Akk.Sg.f. Gen.Pl.f.
‚die Vergebung der Sünden‘

      Da das Morphem in dieser Funktion zwei Nomen verbindet, nennt ihn Hendriks (1982) connective. Daneben kommt der sog. freistehende Artikel im Altalbanischen, wie im modernen Albanischen, als obligatorisches Wortbildungselement bei einer Klasse von Adjektiven vor, i.e. den Artikel-Adjektiven oder nach Hendriks (1982) Partikel-Adjektiven; vgl.

      (6) alb. MAT 13v.5

i fuqīshim
AgrM mächtig.Adj.
Nom.Sg.m. -
‚mächtig‘

      Ferner tritt der sog. freistehende Artikel als Wortbildungselement bei Numeralia sowie bei einigen Pronomina in Erscheinung; vgl.

      (7) alb. BUZ Kap4/fol9v.48

sy-të t’em
Auge.Subst.-das.Art. AgrM-mein.PossPron.
Akk.Pl.m. Akk.Sg.m.
‚meine Augen‘

      Im Hinblick auf den sog. freistehenden Artikel bei den Artikel-Adjektiven wird mit Demiraj (1993) und Matzinger (2006) angenommen, dass der sog. freistehende Artikel nach dem Wegfall der Kongruenzmorpheme bei den Adjektiven diese Aufgabe übernahm.5 Dies kann auch für die Pronomina angenommen werden, da dort in der Regel nur der sog. freistehende Artikel die AGR-Merkmale anzeigt. Der sog. freistehende Artikel ist also ein obligatorisches Element gewisser Lexeme. Seine Hauptfunktion liegt in der Realisierung der Agreement-Merkmale, denn das zweite Element bei den Artikel-Adjektiven und den Pronomina ist nicht in der Lage Kasus, Numerus oder Genus anzuzeigen. Durch die Markierung wird eine Kongruenzbeziehung zu anderen Konstituenten etabliert. Somit kann der sog. freistehende Artikel Elemente verbinden oder Attribute an übergeordnete Nomen anschließen. In dieser Hinsicht erfüllt er eine syntaktische Aufgabe.

      Zudem ist das Morphem ein morphologisches Element mit wortbildender Funktion. Er erscheint bei den Artikel-Adjektiven, bei Ordinalia, bei den Possessiva, bei dem Demonstrativum alb. i tillë ‚solcher‘, bei dem Relativpronomen i cili ‚welcher‘ sowie bei gewissen Substantiven. Schließlich bildet noch das Indefinitpronomen alb. tjetër ‚andere‘ den Plural mit dem sog. freistehenden Artikel, i.e. mask. të tjerë, fem. të tjera. Auch bei dem Interrogativum alb. i sati ‚der wievielte?‘ ist der sog. freistehende Artikel Wortbildungselement. Alb. i sa-t-i enthält zudem auch den enklitischen Artikel und das Adjektivsuffix alb. -t(ë). Daneben finden sich das Adjektivsuffix und der sog. freistehende Artikel auch als Teil des Interrogativums alb. i sej-të ‚woraus‘ wieder.

      Auch in Kombination mit Genitivattributen ist der sog. freistehende Artikel obligatorisch. Hier dient er der Unterscheidung des Genitivs vom Dativ, da beide Kasus im Altalbanischen zusammengefallen sind. Bemerkenswert ist, dass der sog. freistehende Artikel stets vor dem Genitivattribut steht, aber kongruent zum regierenden Nomen ist; vgl.

      (8) alb. BUZ Kap1/fol9.9

frujt-i i barku-t t’it
Frucht.Subst.-die.Art. AgrMGen Bauch.Subst.-der.Art. AgrM-dein.PossPron.
Nom.Sg.m. Nom.Sg.m. Gen.Sg.m.