Lingyan Qian

Sprachenlernen im Tandem


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Kurstandem-Interaktion einerseits auf die Einstellungen der Interaktanten bezüglich des Kommunikationsrahmens, andererseits auf eine gegenseitige Rollenzuschreibung der Gesprächspartner an. Das offene didaktische Konzept lässt einheitliche Didaktisierung nicht zu.

      Schließlich macht Herfurth (1993: 228) anhand seiner Untersuchungsergebnisse didaktische Vorschläge auf vier Ebenen,

      1 Interaktionsrahmen. Man soll viele unterschiedliche Kontexte für den Spracherwerb schaffen, um den Lernern möglichst vielfältige Interaktionsstrukturen modellhaft zur Verfügung zu stellen.

      2 Gesprächsorganisation und didaktische Vereinbarung. Es ist wichtig, den Lernern zu vermitteln, wie sie ihre Gespräche organisieren können. Dabei handelt es sich um eine didaktische Vereinbarung z.B. über Sprachenwechsel, Intensität und Form von Bedeutungsklärungen und Korrekturen.

      3 Vermittlung spezifischer kommunikativer Strategien und Verfahren. Um mögliche Verständnisprobleme in der Tandeminteraktion zu lösen und die Kommunikation zu erleichtern, brauchen die Gesprächspartner bestimmte Strategien, wie z.B. Einleitung der Korrekturen bzw. Reparaturen, Gliederungssignale und Auslösung der Missverständnisse.

      4 Sensibilisierung für Prozesse exolingualer Kommunikation. Dafür wird vorgeschlagen, authentische Dokumente exolingualer Kommunikation zu analysieren und bewusst metalinguistische Reflexion zu initiieren.

      Rost-Roth (1995) untersucht anhand von Aufnahmen von Tandem-Gesprächen und Tagebuchaufzeichnungen deutsch-italienische Einzeltandems. Das Ziel ihrer Untersuchung liegt darin herauszufinden, wie das Lernpotenzial im Tandem aussieht. Ausgehend von Kommunikationsstörungen (Ausdruck- und Verständnisschwierigkeiten), die wegen unterschiedlicher sprachlicher Kompetenzen der Interagierenden im Tandem entstehen, untersucht sie, wie die Spracherwerbspotenziale sich in Tandem-Interaktionen manifestieren und von den Beteiligten benutzt werden.

      Aus dem Korpus von Rost-Roth ist zu erkennen, dass die Tandempartner unterschiedliche Verfahren bei Behandlungen der kommunikativen Störungen benutzen, wie Erklärungen der Wortbedeutungen, Aushilfen bei Wortsuchen und Korrekturen. Nach Rost-Roth zeigen die Muttersprachler im Tandem eine in jeder Hinsicht große Kooperationsbereitschaft. Nichtmuttersprachler lassen die Muttersprachler entweder explizit oder durch Signale wie Pausen, Zögern, Dehnungen wissen, dass ihnen der muttersprachliche Tandempartner beim Formulieren helfen soll. Für Rost-Roth ist es eine Besonderheit der Tandem-Interaktionen, dass die Korrekturverfahren, die in der Regel als gesichtsbedrohend empfunden werden, im Tandem aber als ein für den Spracherwerb positiver Prozess benutzt werden. Die Lehr-Lern-Situation im Tandem gestattet dem Nichtmuttersprachler, angstfrei fehlerhafte Formulierungen zu produzieren und dem Muttersprachler das Korrigieren, ohne dass er befürchten müsste, unhöflich zu sein.

      Dabei werden die Behandlungsverfahren für die Kommunikationsstörungen besonders aufgrund des sprachlichen Systems (Lexik, Morphologie, Syntax, Phonetik) analysiert. Die Nebensequenzen, in denen die Tandempartner die sprachlichen Probleme mit verschiedenen Verfahren behandeln, sind jedoch nur lokal. Globale Aktivitäten, wie Hilfen der Muttersprachler beim Aufbau der Diskursstruktur durch z.B. Elizitierungen, Nachfragen, werden nicht einbezogen, schon gar nicht eine Kombination von lokalen und globalen Aktivitätstypen.

      Während Herfurth (1993) und Rost-Roth (1995) Interaktionen im Kurstandem thematisieren, setzt sich Apfelbaum (1993) anhand von transkribierten Aufnahmen mit drei deutsch-französischen freien Einzeltandems, die an der Universität Aix-en-Provence vermittelt wurden, auseinander. In ihrer empirischen Studie geht es um drei Aspekte, nämlich Typen von Erzählungen im Tandem, Rollen der Muttersprachler beim Zustandbringen des Diskusmusters und Sprachlernaktivitäten innerhalb der Erzählungen der Nichtmuttersprachler.

      Apfelbaum beschreibt in ihrer Studie hauptsächlich produktionsorientierte Verfahren. Sie unterscheidet „Selbsthilfe“ von „Fremdhilfe“. Unter „Selbsthilfe“ sind produktionsunterstützende Verfahren, mit denen die Lerner ihre eigenen Formulierungsschwierigkeiten in der Fremdsprache bearbeiten, zu verstehen. Mit „Fremdhilfe“ meint man produktionsunterstützende Verfahren, mit denen ein Element der Äußerung der Lerner von muttersprachlichen Tandempartnern bearbeitet wird.

      Eine Besonderheit ihrer Studie liegt darin, dass sie nicht nur lokale Aktivitäten der Verständigungssicherung im Tandem, sondern auch globalstrukturelle Durchführung von Diskurseinheiten untersucht. Dabei thematisiert sie besonders die Rollen der muttersprachlichen Tandempartner. In Anlehnung an Quasthoffs Studie zur Erzählstruktur (1987) untersucht Apfelbaum vor allem drei Ebenen der Erzählstruktur:

       Verfahren der muttersprachlichen Elizitierung einzelner Strukturteile

       Bearbeitung von Problemmanifestationen bei der Durchführung der Erzählstruktur

       Beteiligung der Muttersprachler an der Evaluation.

      Aus der Untersuchung ergibt sich, dass erstens die muttersprachlichen Tandempartner in ihrem Korpus an der Erledigung aller für die Produktion narrativer Texte konstitutiven konversationellen Strukturteile beteiligt sind. Zweitens gibt es Abweichungen zwischen den Nichtmuttersprachlern und Muttersprachlern. Während die Nichtmuttersprachler bei der Bearbeitung von Problemmanifestationen häufig von sprachlichen Problemen ausgehen, sehen die Muttersprachler sie eher als semisprachliche oder enzyklopädische Probleme. Solche Problemmanifestationen können zwar von dem Muttersprachler in der Sprache des Tandempartners beseitigt werden, aber der Lerneffekt in diesen Nebensequenzen ist fraglich. Drittens wird das Erzählen nach Apfelbaum nicht von den Nebensequenzen über sprachliche Probleme beeinträchtigt, selbst wenn sie lang sind. Viertens ist die Zuhörerbeteiligung bei der Evaluation vom Sprachniveau des nichtmuttersprachlichen Erzählers abhängig. Je höher das Niveau des Erzählers in der Zielsprache, desto später setzen die ausgeprägten Formen von Partizipation des Muttersprachlers an der Evaluation ein.

      Bei globalen Aktivitäten im Erzählen beschreibt Apfelbaum jedoch nur die produktionsunterstützenden Verfahren, mit denen die Muttersprachler den nichtmuttersprachlichen Erzählern bei Formulierungsschwierigkeiten in Bezug auf den Aufbau der Erzählstruktur helfen. Die muttersprachlichen Zuhörer fungieren allerdings beim Erzählen ihrer Partner als Laienlehrpersonen. Aktivitäten, die die Erzähler nicht unterstützen oder das Lernpotenzial im Tandem nicht fördern können, bleiben jedoch unerforscht. Es lohnt sich aber, die unprofessionellen Aktivitäten der Zuhörer als Laienlehrpersonen im Tandem zu untersuchen, wenn man das Lernpotenzial in Tandem-Interaktion fördern möchte. Denn das Verhalten der Zuhörer spielt beim Sprachenlernen des Erzählers eine wichtige Rolle.

      1.1.2.3.2 Das interkulturelle Lernen im Tandem

      Neben der Forschung von Tandem-Interaktionen aus linguistischer Perspektive wird die Dimension des interkulturellen Handelns und Lernens auch häufig debattiert.

      Die bisher systematischste Untersuchung des interkulturellen Lernens im Tandem liegt von Bechtel (2003) vor. Bechtels Untersuchung basiert auf umfangreichen empirischen Interaktionsdaten von Studierenden in Tandemkursen. In seinem Korpus geht es um einen „extensiven, universitären, deutsch-französischen Tandemkurs“, an dem deutsche Studierende der Romanistik (Französisch) und französische Studierende der Germanistik teilnahmen (Bechtel 2003: 13). Mit diskursanalytischer Methode untersucht er die Möglichkeiten und Grenzen des interkulturellen Lernens im Tandem. Anhand von sieben Fallbeispielen werden Prozesse interkulturellen Lernens beim Sprachenlernen im Tandem beschrieben und analysiert. Dabei stützt er sich auf einen möglichst umfassenden Kulturbegriff, den er von Bredella und Christ (1995) übernimmt und der die Gleichwertigkeit der Kulturen unterstreicht (Bechtel 2003: 51). Mit seinem Perspektivenmodell, das er aufgrund des Modells von Kramsch (Bechtel 1993: 208) für die Beschreibung des interkulturellen Lernens im Tandem entwickelt hat, führt Bechtel seine empirische Untersuchung anhand transkribierter Daten aus.

      Aufgrund seiner empirischen Untersuchung weist Bechtel darauf hin, dass das Lernen der interkulturellen Dimension im Tandem sowohl positive als auch negative Seiten hat. Einerseits ist mit dem interkulturellen Lernen im Tandem damit zu rechnen, dass es erstens vielfältige Möglichkeiten beinhaltet, unterschiedliche Perspektiven in die Lehr-Lern-Situation Tandem einzubringen (Bechtel 2003: 365). Zweitens werden bei