Tamara Duker Freuman

Bye-bye Blähbauch


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nach, um genau zu verstehen, was sie meinten, wenn mir Patienten erzählten, dass sie aufgebläht seien. Ich bat sie, dieses Gefühl zu beschreiben, zu welchen Tageszeiten und bei welchen Gelegenheiten es auftrat, wie lange es andauerte, wodurch es sich besserte und wodurch es sich verschlechterte, ob es Schmerzen bereitete, wie so ein Blähbauch aussah, welche Begleitsymptome es gab. Ich musste verstehen, was dieses „Aufgebläht-Sein“ war, damit ich helfen konnte, es zu beheben.

      Je mehr geblähte Patienten ich dazu befragte, desto klarer wurde mir, dass es sich nicht um eine einheitliche Erfahrung handelte, der man mit einer einheitlichen Lösung begegnen konnte. Manche Menschen beschrieben sie als übermäßiges Völlegefühl nach dem Essen – manchmal sogar, wenn sie nur sehr wenig gegessen hatten. Andere beschrieben einen aufgetriebenen Bauch nach dem Essen, der aussah, als seien sie „schwanger“. Manche rülpsten, wenn sie gebläht waren, bei anderen entwich die Luft am anderen Ende. Kam beides zusammen, konnte ein Blähbauch schmerzhaft sein – oder auch nicht. Und wenn er schmerzhaft war, war das manchmal eine Art Druckschmerz auf dem Magen unter dem Brustkorb, eine durch die Gasbildung bedingte Salve stechender Schmerzen an den Seiten oder ein krampfartiger Schmerz unterhalb des Nabels. Manchmal wurden die Blähbeschwerden nach dem Gang zur Toilette besser, manchmal nicht. Manche Menschen hatten das Gefühl des Aufgedunsen-Seins schon beim Aufwachen, bei anderen stellte es sich erst im Laufe des Tages ein. Dieses Phänomen zeigte sich auf so viele unterschiedliche Arten.

      Der Blähbauch ist ein Symptom von etwas anderem, kein Krankheitszustand für sich, und nach Befragung Tausender von Patienten mit Verdauungsproblemen in meiner medizinischen Ernährungsberatungspraxis stellte ich im Laufe der Jahre bei den verschiedenen Arten der Blähbeschwerden, von denen die Patienten berichteten, bestimmte Muster fest. Es gelang mir immer besser, die Beschwerden, die sie beschrieben, möglichen zugrunde liegenden medizinischen Ursachen zuzuordnen. Ich konnte dann eine individuell abgestimmte Ernährungsempfehlung geben, die genau die spezifischen Beschwerden meines Patienten ansprach und in Zusammenarbeit mit seinem Arzt dazu beitragen, dass die richtige Diagnose gestellt wurde und gegebenenfalls die passende Behandlung erfolgen konnte. Meinen geblähten Patienten ging es oft schon innerhalb weniger Tage, nachdem sie mit der richtigen Ernährung begonnen hatten, besser.

      So begann ich, im Internet über dieses Thema zu schreiben, und versuchte, meine Erkenntnisse an die Menschen weiterzugeben, bei denen es vor Ort eventuell keine auf Verdauungsstörungen hoch spezialisierte Ernährungsberaterin gab. Und daraufhin brach eine Flut von E-Mails und Anrufen über mich herein. Ich hörte von Sportlern in Nahost, die während ihres Ausdauer-Trainings gegen ihre Blähbeschwerden ankämpften und von Computerprogrammierern aus Indien, die unter schweren verdauungsbedingten Folgen litten, wenn sie sich gemäß ihrer Familientradition vegetarisch ernährten. Vorwiegend hörte ich jedoch von zahllosen Menschen in ganz Amerika, die einfach nicht herausfinden konnten, warum sie die ganze Zeit einen so verdammt aufgedunsenen Bauch hatten, die glaubten, dass sie alles versucht hätten und verzweifelt nach einer Lösung suchten.

      Eine dankbare Patientin äußerte mir gegenüber einmal, ich sei so etwas wie ihre „Blähbauch-Flüsterin“, und mein Mann lachte sich schlapp über diesen Spitznamen. Aber er blieb an mir haften. Das war zwar ganz sicher kein Titel, den ich als kleines Mädchen in meinen Fantasien anstrebte, wenn ich mir ausmalte, was ich wohl einmal werden würde, wenn ich groß sei, dennoch, ich habe ihn mir zu eigen gemacht. Und wie das Schicksal so spielte, wurde das Erlernen der Geheimsprache des aufgedunsenen Leibes so etwas wie eine Berufung in meinem Leben, und dieses Buch ist meine Art, dieses Wissen an all jene Blähbäuche weiterzugeben, die persönlich kennenzulernen ich nicht die Gelegenheit haben werde. Ich hoffe, es hilft Ihnen oder einem Menschen, der Ihnen am Herzen liegt.

       Jeder unglückliche Bauch ist auf seine eigene Weise unglücklich

      Vor etwa 150 Jahren begann der russische Schriftsteller Leo Tolstoi seinen berühmten Roman Anna Karenina mit dem Satz: „Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich.“ Ich denke, dasselbe gilt auch für Bäuche: Alle glücklichen Bäuche gleichen einander, jeder unglückliche Bauch ist auf seine eigene Weise unglücklich. Was ich damit sagen will ist, dass Menschen mit einem glücklichen Bauch ein Verdauungssystem haben, das genauso funktioniert, wie es funktionieren sollte. Ihr Magen schüttet die richtige Menge Magensäure aus, um den Verdauungsprozess wirksam in Gang zu setzen. Der Muskel, der sich zwischen Speiseröhre (Ösophagus) und Mageneingang befindet, verhindert, dass die Säure oder sonstiger Mageninhalt in die Speiseröhre zurückfließt, damit es nicht zu einem sogenannten Reflux kommt. Die Nerven, die für die Muskeln von Magen und Bauchwand zuständig sind, steuern diese Muskeln so, dass sie sich nach einer Mahlzeit genau im richtigen Ausmaß dehnen. Die Schrittmacherzellen, die für die Magenentleerung zuständig sind, sorgen dafür, dass der Speisebrei in normaler Geschwindigkeit in den Darm übertritt. Magen und Dünndarm verfügen über genügend Enzyme, um die Nahrung wirksam in resorbierbare Nährstoffe aufzuspalten. Im Dünndarm ist die richtige Menge an Darmbakterien angesiedelt, um die Nährstoffe aus der Nahrung vollständig aufzunehmen. Im Dickdarm (dem Kolon) werden die unverdauten Ballast- und Abfallstoffe durch die Peristaltik (Darmbewegung) mit normaler Geschwindigkeit weitertransportiert und führen zu Stuhlgewohnheiten, die so vorhersagbar sind wie ein Schweizer Zugfahrplan.

      Doch dann gibt es da noch all die anderen.

      Menschen mit einem unglücklichen Bauch haben ein Verdauungssystem, das in all diesen Beziehungen und Abläufen beliebig oft aus dem Rahmen fällt. Blähbeschwerden können die Folge einer Störung bei einem oder mehreren Schritten des Verdauungsprozesses sein. Man muss einfach die jeweilige zugrunde liegende Ursache herausfinden, damit wirksame Ernährungsmaßnahmen ergriffen und – wenn nötig – medizinische Mittel eingesetzt werden können. Schließlich kann jeder Blähbauch auf seine ganz eigene Weise gebläht sein.

      Wenn Sie einen Hufschlag hören, denken Sie an Pferde, nicht an Zebras: Seltenes ist selten, Häufiges ist häufig

      Die meisten meiner Patienten mit Blähbeschwerden haben schon anderswo nach Lösungen gesucht, bevor sie in meiner Praxis landeten. Sie sind bei mindestens einem Arzt gewesen – und oft haben sie mehrere Ärzte aufgesucht. Sie haben das Internet zu Rate gezogen und manchmal sogar zahlreiche alternativ arbeitende Mediziner und Therapeuten. Oft haben sie schon viele Untersuchungen hinter sich: Koloskopie, Endoskopie, Blutuntersuchungen, Stuhluntersuchungen und Ultraschall. (Alle ohne Befund.) Manchmal haben sie es auch mit einer Reihe von Medikamenten und Nahrungsergänzungen versucht, haben sich glutenfrei ernährt und Hunderte von Dollar für Tests auf „Nahrungsmittelempfindlichkeit“ ausgegeben, alles ohne Erfolg. Da es keine Diagnose und keine Lösung gibt, obwohl meine Patienten das Gefühl haben, es werde umfassend gesucht, hinterlässt das bei ihnen den Eindruck, was immer auch ihre Probleme verursacht, es müsse ziemlich selten, exotisch und schwerwiegend sein.

      Dabei leiden in Wahrheit fast alle meine Patienten mit Blähbeschwerden an einer von nur zehn ziemlich häufigen und leicht zu diagnostizierenden gesundheitlichen Problemen. Wenn Ihr Arzt oder Therapeut weiß, wonach er suchen muss, bedarf es lediglich einer sehr ausführlichen Nahrungsmittel- und Symptomenanamnese, um die Möglichkeiten auf eine oder zwei Ursachen einzugrenzen. Dann fehlt Ihnen vielleicht nur noch eine Blutuntersuchung, ein Atemtest, ein Motilitätstest (zur Feststellung der Peristaltik, der Darmbewegung) oder der Versuch, die Ernährung umzustellen, um das Ergebnis zu bekommen, nach dem Sie gesucht haben.

      Es gibt zwar viele eher seltenere Krankheiten, die Blähbeschwerden verursachen – eben solche, die wir als „Zebras“ bezeichnen –, doch um diese geht es in diesem Buch nicht. Daher sind Bücher wie meines nicht als Ersatz für den individuellen medizinischen Rat von einem gut qualifizierten Arzt gedacht. Manche sehr schwerwiegende Krankheiten – etwa Eierstockkrebs – können sich zuerst als aufgedunsener Bauch wie bei einer Schwangerschaft zeigen – in diesem Fall ist er mit Bauchwasser gefüllt. Fühlt sich etwas nicht ganz richtig an, suchen Sie bitte einen Arzt auf, um eine ernsthafte Ursache ausschließen zu lassen.

      Doch es bestehen immer noch hervorragende Chancen, dass die medizinische Erklärung für Ihren Blähbauch – und die Auswahl an Behandlungsmöglichkeiten – irgendwo in diesem Buch angesprochen werden. Sie werden verstehen, was ich meine, wenn Sie bei dem Absatz angelangt sind, der