Eve Adamson

Multiple Sklerose erfolgreich behandeln - mit dem Paläo-Programm


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dauerte, bevor etwas zum Gegenstand einer klinischen Erprobung, geschweige denn zum Behandlungsstandard wurde. Das also war das Aktuellste vom Aktuellen, also begann ich dort zu suchen. Ich wollte wissen, was die Pioniere dachten und wie sie sich die Zukunft von Krankheiten wie der meinen vorstellten.

      Jede Nacht verbrachte ich einige Zeit mit der Suche nach Artikeln über Tierversuche mit Mäusen bei MS unter www.pubmed.gov. Ich wusste, dass von Multipler Sklerose betroffene Gehirne mit der Zeit schrumpfen, also begann ich über Tierversuche bei anderen Krankheiten zu lesen, die mit einer Schrumpfung des Gehirns einhergingen. Ich recherchierte über Parkinson, Alzheimer, ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) und Morbus Huntington. Ich entdeckte, dass bei all diesen vier Krankheiten die Mitochondrien – kleine Untereinheiten in den Zellen, die sogenannten „Kraftwerke“ – nicht mehr richtig arbeiten, was zum frühen Tod von Gehirnzellen führt und das Schrumpfen des Gehirns verursacht. Bei der weiteren Recherche stieß ich auf Artikel, in denen berichtet wurde, dass Mäusegehirne und ihre Mitochondrien durch die Zufuhr von Vitaminen2 und Nahrungsergänzungen wie Coenzym Q, Carnitin und Kreatin3 geschützt werden konnten.

      Ich hatte nichts zu verlieren, also beschloss ich, aktiv zu werden. Ich rechnete die Dosierungen für Mäuse in Dosierungen für Menschen um und machte einen Termin bei meiner Hausärztin. Sie sah meine Liste durch und befand, dass die Nahrungsergänzungen wohl ungefährlich seien. Sie glich sie einzeln mit meiner Medikamentenliste auf potenzielle unerwünschte Wechselwirkungen ab – es gab keine. Ich begann mein neues experimentelles Vitamin- und Nahrungsergänzungsprogramm mit großer Begeisterung und war enttäuscht, als nichts geschah. Nach ein paar Monaten setzte ich die Mittel ab – und wenige Tage später konnte ich nicht mehr aus dem Bett aufstehen. Als ich die Einnahme der Ergänzungen fortsetzte, konnte ich auch wieder aufstehen. Sie halfen also doch!

      Das war ein Hoffnungsschimmer. Offenbar, so dachte ich, wurde meinem Körper durch diese Nahrungsergänzungen etwas zugeführt, das ihm ohne sie fehlte – etwas, das er brauchte.

       Die Entdeckung der Elektrostimulation

      Als Nächstes entdeckte ich die elektrische Stimulation der Muskulatur. Auf diese Idee kam ich, als ich ein Forschungsprotokoll über den Einsatz der Elektrostimulation von Muskeln durchlas, mit der Menschen behandelt wurden, die aufgrund einer akuten Rückenmarksverletzung unter Lähmungserscheinungen gelitten hatten. Zweck der Reizstrom-Therapie war, die Knochengesundheit und die Lebensqualität dieser Patienten zu erhalten. Würde die Elektrostimulation meine Invalidität verlangsamen? Ich unterhielt mich mit einem Physiotherapeuten, der diese Methode praktizierte, und er warnte mich, dass sie schmerzhaft und anstrengend für die Sportler sei, die sich ihr unterzogen. Ob sie mir helfen würde, konnte er nicht mit Sicherheit sagen, aber er war zu einer Probesitzung bereit.

      Bei meiner ersten Sitzung musste ich auf dem Bauch liegen und der Therapeut setzte die Elektroden an den linken paraspinalen Muskeln an, die nahezu parallel zur Wirbelsäule verliefen. Ich hob mein linkes Bein vom Tisch an und es blieb oben, als er die Stromstärke erhöhte. Ich hatte das Gefühl, als würde eine Herde Krabbeltiere über meine Haut rasen. Er erhöhte die Stromstärke weiter, und die Krabbeltiere wurden schneller. Die Stromstöße wurden erst heftiger und dann schmerzhaft. Nach einer Minute fragte mich der Physiotherapeut, ob er die Stromstärke weiter erhöhen könne. Dies ist eine typische Vorgehensweise, denn das Gehirn setzt Endorphine und Wachstumsfaktoren für die Nerven frei, die die Elektrostimulation angenehmer machen, sodass die Patienten die höhere Stromstärke nach ein paar Minuten normalerweise aushalten können. Anschließend behandelten wir den Quadrizepsmuskel im linken Oberschenkel, in dem ich eine besondere Schwäche hatte. Diese 30 Minuten „Sport“ waren härter als all das, was ich in den letzten Jahren hatte machen können. Ich beschloss, mich regelmäßig der Elektrostimulation zu unterziehen.

       Die Entdeckung der Funktionellen Medizin

      Nachts, wenn alle schliefen, durchsuchte ich das Internet nach weiteren Informationen, die mir helfen könnten. Eines nachts stieß ich auf die Webseite des Instituts für Funktionelle Medizin und war augenblicklich fasziniert. Zum Ziel gehörte, Klinikern wie mir eine bessere Möglichkeit zur Versorgung von Menschen mit komplexen chronischen Krankheiten an die Hand zu geben, indem das Zusammenspiel untersucht wurde zwischen genetischen Faktoren, Ernährung, hormonellem Gleichgewicht, Toxinbelastung, Infektionen und psychischen Faktoren zur Entwicklung einer Krankheit oder der Verbesserung von Gesundheit und Vitalität.

      Das war genau das, wonach ich gesucht hatte, seit ich im Rollstuhl gelandet war. Das Institut gab Lehrbücher heraus, veranstaltete Konferenzen und bot Fortbildungskurse für Ärzte und andere im Gesundheitsbereich tätige Fachleute an. Ein Kurs zog sofort meine Aufmerksamkeit auf sich: „Neuroprotektion (Schutz von Nervenzellen und Nervenfasern): Ein Ansatz in der funktionellen Medizin bei neurologischen Symptomen“. Ich meldete mich dafür an und studierte die Informationen Nacht für Nacht. Auch wenn es nicht einfach zu verstehen war, so lehrte mich dieser Kurs in funktioneller Medizin jedoch, dass ich den Zustand meiner Mitochondrien und Gehirnzellen verbessern konnte. Er vermittelte mir ein völlig neues Denken über die Gesundheit des Gehirns und wie diese mit der Gesamtheit des Körpers zusammenhing. Obwohl meine Ausbildung eine ganze andere gewesen war, ergab das sofort einen Sinn für mich. Alles war logisch und wissenschaftlich gestützt und so fühlte ich mich als Ärztin angesprochen; es passte aber auch in meinen Erfahrungsrahmen als MS-Patientin.

      Ich erkannte auch, dass bei mir wahrscheinlich eine oder mehrere genetische Variationen vorlagen, die die Wahrscheinlichkeit der Ausprägung einer MS erhöht hatten. Schließlich gewann ich eine viel tiefere Einsicht, welche Bedeutung für das Gehirn das Leaky-gut-Syndrom (Barrierestörung des Darms) hat und welche Rolle in diesem Zusammenhang Nahrungsmittelallergien, Toxine und Mitochondrien spielen, die nicht genügend Energie für die Zellen liefern. Auch Neurotrans-mitterprobleme und die Auswirkungen unwirksamer Enzyme auf den Stoffwechsel von B-Vitaminen und Schwefel waren von erheblicher Bedeutung. Aufgrund dessen wurde meine Liste mit Vitaminen, Mineralstoffen, Aminosäuren, Antioxidanzien und essenziellen Fettsäuren, die ich als hilfreich für die Mitochondrienfunktion und die Gehirnzellen erachtete, immer länger. Schließlich erkannte ich, warum mein Gehirn „in Flammen“ stand und von meinen eigenen Immunzellen angegriffen wurde, und ich hatte einige Ideen, wie sich die Entzündung bekämpfen lassen würde, die dort wütete. Mein Weltbild wandelte sich. Ich begann umgehend mit der Planung und Umsetzung von Veränderungen in meiner Lebensweise, die weit über all das hinausgingen, was ich je zuvor gemacht hatte. Die Saat für das mein Programm war gesät, wenn es auch noch keinen Namen dafür gab.

      Aber wie würde sich das realisieren lassen? Es waren Unmengen von Nahrungsergänzungen, aber sollte ich wirklich jeden Tag mehrere Handvoll Pillen zu mir nehmen? Und würde das auch funktionieren? Die Paläo-Ernährung beruht darauf, dass unsere Nahrungsmittel die beste Quelle darstellen, doch viele Konzepte der funktionellen Medizin vertrauten auf Nahrungsergänzungen. Unsere steinzeitlichen Vorfahren haben ganz sicher keine Nahrungsergänzungen eingenommen. Bei der Paläo-Ernährung hatte ich gelernt, bestimmte Nahrungsmittel von meinem Speisplan zu streichen, nicht jedoch, woher ich genau die Nährstoffe erhalten würde, die ich definitiv brauchte. Die funktionelle Medizin half mir zu bestimmen, anhand der empfohlenen Vitamine und Nahrungsergänzungen, welche Nährstoffe ich tatsächlich benötigte, sparte aber leider mit genauen Hinweise darauf, aus welchen Quellen diese stammen sollten.

      Wenn ich mir dieselben Nährstoffe, die ich als Tabletten einnahm, auch über die Ernährung zuführen konnte, dann wären diese vielleicht wirksamer als die synthetischen, so war meine Überlegung. Ich würde auf diese Weise eventuell auch noch viele weitere Stoffe aufnehmen – möglicherweise Tausende davon –, die noch gar nicht benannt worden waren und die synergistisch zur Wirkung des speziellen Vitamins oder der Ergänzung beitrugen, weil sie zusammen mit den Nährstoffen in ihrer ursprünglichen Form vorlagen. (Die meisten Vitamine sind genau genommen eine Familie aus verwandten Verbindungen, die in unseren Zellen allesamt biologisch aktiv sind.) Mir wurde klar, dass ich einen Ernährungsplan brauchen würde, der speziell auf die Funktionsmaximierung der Mitochondrien und des Gehirns zugeschnitten