Luce Brett

Ich bin nicht ganz dicht


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Tamponpackung – ein ironischer Seitenhieb und ein Beispiel für Recycling. Sie packt es unter Erröten und Kichern aus, bevor wir mehr über Sex lernen, indem wir uns in der Zeitschrift More die „Position der Woche“ anschauen, fasziniert von den Winkeln und Querschnittsbildern, die zeigen, wie ein Penis in so vielen unterschiedlichen Stellungen perfekt in eine Vagina passt. Popstars raten uns, unsere Geschlechtsteile zu trainieren, indem wir mitten im Pinkeln den Strahl anhalten, damit wir besser beim Sex werden, und wir entdecken überall Vulvas: In den Blumengemälden von Georgia O’Keefe, in der Optik, wie schottische Witwenschleier fallen, und in Edvard Munchs Bild „Der Schrei“.

      Mit 15 Jahren ist das für mich mehr als genug.

      Als ich so mit meinem Baby auf dem Sofa sitzend an die Vergangenheit denke, wird mir bewusst, dass ich durch die Experten, die mit mir zusammen an meiner Inkontinenz arbeiten, einen neuen Blick auf die Dinge bekommen habe. In jungen Jahren inkontinent zu werden, ist eine wesentlich härtere Nummer als zur Menstruierenden zu werden. Zuerst lerne ich, dass Verdauungs- und Fortpflanzungsapparat mehr miteinander zu tun haben als ich angenommen hatte. Ich lerne Begriffe, die ich nicht kenne und nie zuvor gehört habe, etwa „Prolaps der vorderen Scheidenwand“, „uterin“, „Os“ und „Rektozele“. Echt sexy.

      Schlimmer ist, dass sie andauernd von meiner Blase und Harnröhre, meinen Eingeweiden, meinem Anus und meinen Schließmuskeln reden. Genau, im Plural. Es gibt nämlich mehrere Schließmuskeln, und zwei davon befinden sich tatsächlich im Darmbereich. Ich habe diese Worte natürlich schon einmal gehört, aber ich habe sie noch nie mit meinem Fortpflanzungssystem in Verbindung gebracht. Es sind „Entsorgungseinrichtungen“, die in der Nachbarschaft von Gebärmutter und Co. liegen, das schon, aber Verursacher von Kollateralschäden, das war neu für mich.

      Diese Menschen, die ich mittlerweile häufiger sehe als meine Freunde und Familie, diese Schwestern, Ärzte und Physiotherapeutinnen bombardieren mich mit neuem Wissen. Sie erzählen mir, dass es nicht nur mehrere Schließmuskeln gibt, sondern auch mehrere Arten von Inkontinenz. Es ist komplizierter als ein bisschen Pipi in der Hose, wenn man lachen muss.

      Belastungsinkontinenz, oft auch Stressinkontinenz genannt, ist die häufigste Form und darunter leide ich auf jeden Fall. Der Begriff Stress bezieht sich nicht darauf, dass man wütend oder überarbeitet ist, sondern auf körperliche Belastungen. Es gibt aber auch noch Dranginkontinenz, Mischinkontinenz, funktionelle Inkontinenz und Doppelinkontinenz.

      Ich bekomme Hausaufgaben. Meine Physiotherapeutin holt sogar das verstaubte Modell einer Hüfte aus dem Regal, um mir plastischer zeigen zu können, wo meine Muskeln nicht richtig funktionieren. Die Landschaften meines Intimbereichs werden zum Schlachtplan anstatt zum Quell der Freude und des neuen Lebens. Und ich komme mir vor wie eine Idiotin.

      Es stellt sich übrigens heraus, dass es im Buch Unser Körper, unser Leben tatsächlich einen Abschnitt über den Beckenboden und Übungen zu seiner Kräftigung gibt, aber als Teenager habe ich es nie bis zu den hinteren Seiten des Buchs geschafft, in denen es um das Älterwerden und Themen wie Arthritis geht. Dennoch hat Unser Körper, unser Leben eines bei mir bewirkt: Von Beginn meiner ersten Schwangerschaft an suche ich den Austausch mit anderen Frauen in Mütterforen im Internet. Zuerst denke ich, dass man sich dort nur über Kinderwagen austauscht oder den Countdown bis zur Geburt herunterzählt. Was die Seiten wirklich bieten, erlebe ich, als ich aufgrund meiner nachgeburtlichen Situation Trost suche.

      Oktober 2007, Abend, Wohnzimmer voller Windeln und Arztbriefe, vor dem Laptop sitzend mit einer Flasche Wein

      Eine besondere Clique von Müttern mit Geburtsverletzungen nimmt mich unter ihre Fittiche. Sie werden so etwas wie Ersatzschwestern für mich. Alle haben ihre eigene Geschichte und jubeln mir zu, als ich zugebe, dass mein bestes Stück Physiotherapie braucht.

      Es gibt natürlich eine stillschweigende Hierarchie, was schreckliche Geburtserlebnisse angeht. Ich bin Teil des Teams, aber zum Glück kein Star. Mein Riss ist ein Riss zweiten Grades, ich und mein Sohn leben und ich habe keinen künstlichen Darmausgang. Dennoch verstehen diese Frauen, warum ich manchmal nicht das Gefühl habe, Glück gehabt zu haben. Wir reden nicht dauernd über unsere kaputte Vagina, aber wenn das Thema aufkommt, ziehen wir eifrig Vergleiche.

      Heute Abend geht es um das Thema Nähte. Ein Klassiker. „Da kann ich mitreden“, denke ich. Mein Beitrag sieht in etwa so aus:

      „Alle, die meine Narben und Nähte sehen, finden sie wunderschön (Einleitung). Die Hebammen, die zu mir nach Hause kamen, erwähnten die Kollegin, die mich genäht hat, namentlich und lobten ihre Arbeit, und zwar noch bevor sie meine Akten sahen … (Spannungsaufbau) … Ich beginne mich wirklich zu fragen, ob sie vielleicht ihren Namen eingestickt hat.“ (Pointe!)

      Mein Beitrag bekommt jede Menge „Ich-bepisse-mich-vor-Lachen“-Kommentare und Emojis. Eine der Mütter fragt, wie es jetzt da unten aussieht, und ich antworte, dass ich mich nicht traue nachzusehen.

      Ich sage, dass es meiner Schätzung nach wohl dem völlig zerzausten Bart von Herrn Zwick ähnelt, den der Schriftsteller Roald Dahl erfunden hat. Ich bin froh, dass der Chat anonym ist.

      „Sitzt der kleine Mann noch in seinem Boot?“, fragt sie (und meint damit, ob es meiner Klitoris gut geht). Ganz schön offenherzig.

      Ich johle vor Lachen, und mit einem Glas Wein intus, das ich mir leisten kann, weil mein Mann zu Hause ist, denke ich: „Verdammt nochmal, ich schaffe das“. Ich werde mir das Ganze anschauen, die Schwellung ist jetzt abgeklungen. Dabei stelle ich fest, dass einige Rüschen und Falten hinzugekommen sind, aber ja, er sitzt noch im Boot!

      „Gerade so eben!“, antworte ich. Wir füllen den Bildschirm mit vor Lachen weinenden Smileys.

      Das Lachen und Nachschauen haben allerdings einen Nerv getroffen. Wir mögen das anatomische Tabu gebrochen haben, doch niemand spricht über die seelischen Nöte.

      „Ich fühle mich ziemlich beschissen und es hat mich ganz schön emotional getroffen“, gestehe ich. Keine Antwort. Hier herrschen Freundlichkeit und Güte, aber meine trüben Gedanken bleiben ohne Echo. Selbst hier, mitten in der intimsten Nabelschau, darf die Verzweiflung nur bedingt ans Licht kommen.

      Am Ende antwortet mir die Boot-Frau und sagt, dass sie es nicht schafft, darüber zu reden, wie sie sich fühlt. Das ist das Problem, wenn zwei Tabus sich ein Bett teilen.

TEIL 2

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