146
Der Umfang der beschlagnahmefähigen Unterlagen richtet sich nach dem Recht des ersuchten Staates und ist grundsätzlich nicht wesentlich unterschiedlich zu dem, was in Deutschland als Beweismittel sichergestellt und beschlagnahmt werden kann (s.o. Rn. 101).
147
Weitere Besonderheiten:
– | Die Anwesenheit deutscher Beamte im Ausland ist mit Genehmigung des ausländischen Staates zulässig, die jeweils im Einzelfall beantragt werden muss. Amtshandlungen dürfen im Ausland keine vorgenommen werden. |
– | Umgekehrt können auch ausländische Beamte im Inland keine Amtshandlungen vornehmen, aber mit Genehmigung der Bewilligungsbehörde anwesend sein. Die erforderlichen Amtshandlungen müssen von deutschen Beamten vorgenommen werden.[60] |
– | Die Bildung gemeinsamer strafrechtlicher Ermittlungsgruppen regelt Art. 13 EU–RhÜbk: danach können ausländische Mitglieder der Ermittlungsgruppe mit der Durchführung von Ermittlungsmaßnahmen im Inland beauftragt werden. |
– | Im Verhältnis zu einzelnen Vertragsstaaten gibt es viele weitere Besonderheiten, deren Darstellung den hier gegebenen Rahmen sprengen würden. Einzelheiten finden sich im Rechtshilfe-Merkblattes vom 16.11.2006 zu Luxemburg (Tz. 6.1.), Liechtenstein (Tz. 6.2.), Österreich (Tz. 6.3.), der Schweiz (Tz. 6.4.), Kanada (Tz. 6.5.) und den USA (Tz. 6.6.). |
– | Das Steuergeheimnis gilt auch gegenüber ausländischen Behörden. Es steht jedoch dem Rechtshilfeverkehr nicht entgegen, soweit die mit einem deutschen Rechtshilfeersuchen verbundene Offenbarung steuerlicher Verhältnisse zur Durchführung eines Steuerstraf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens zulässig und erforderlich ist, § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO[61] oder die mit der Erledigung eines ausländischen Rechtshilfeersuchens verbundene Offenbarung steuerlicher Verhältnisse durch völkerrechtliche Vereinbarungen oder durch §§ 117, 117a AO i.V.m. § 59 Abs. 3 IRG ausdrücklich zugelassen ist, § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO. |
dd) Rechtsschutz
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Rechtsschutz gegen Maßnahmen im Rechtshilfeverkehr fällt in die Zuständigkeit der Strafgerichte, § 33 Abs. 3 FGO. Der Beschuldigte ist allerdings nicht vorher von der steuerstrafrechtlichen Ermittlungsbehörde über die beabsichtigten Maßnahmen zu unterrichten.[62]
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Gegen Maßnahmen aufgrund eingehender Ersuchen stehen die allgemeinen Rechtsbehelfe nach der StPO zur Verfügung. Im Falle von Herausgabe–Verlangen von Gegenständen an den ersuchenden Staat gilt § 61 i.V.m. § 66 IRG.
g) Polizeiliche Rechtshilfe nach der Schwedischen Initiative
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Die sog. Schwedische Initiative geht auf einen Vorschlag des Königreichs Schweden zurück, in dem in einem zusammenwachsenden Europa, das die Kontrollen an den Binnengrenzen weitestgehend abgeschafft hatte, die polizeiliche Zusammenarbeit und der Informationsaustausch über Staatengrenzen hinweg von förmlichen Verfahren, Verwaltungsstrukturen und rechtlichen Hindernissen entlastet werden sollten.
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Rechtsgrundlage ist der Rahmenbeschluss 2006/960/JI des EU-Rates vom 18.12.2006[63] (abgekürzt in Deutschland als RbDatA), der 30.12.2006 in Kraft getreten ist (Art. 13). Das deutsche Umsetzungsgesetz trat erst am 26.7.2012 in Kraft,[64] schuf die neuen §§ 117a und 117b AO und änderte umfangreich die entsprechenden Passagen des IRG.[65] Je nach Art des Auskunftsaustausches sind die Rechtsgrundlagen der AO oder dem IRG zu entnehmen:
Rechtsgrundlagen Schwedische Initiative | |||
---|---|---|---|
Ausgehende Ersuchen | Eingehende Ersuchen | ||
Repressiver Bereich | PräventiverBereich | Repressiver Bereich | PräventiverBereich |
§ 163 StPO i.V.m.Rahmenbeschluss | § 93 AO i.V.m.Rahmenbeschluss | § 92 IRG, § 92a IRG | § 117a AO ff |
Hinweis:
Die neuen §§ 117a und 117b AO sind keine Untervorschriften zu § 117 AO: Stellung und Nummerierung im Gesetz sind lediglich der Gesetzessystematik geschuldet, die keinen Raum für eine eigenständige andere Nummerierung zuließ. Das bedeutet, dass die Regelungen aus § 117 AO wie etwa die Anhörungserfordernis aus § 117 Abs. 4 AO nicht auch für § 117a AO und § 117b AO gelten.
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Gegenstand der schwedischen Initiative ist ausschließlich der transnationale Informationsaustausch zwischen den EU-Polizeibehörden, der bislang seine Rechtsgrundlage in Art. 39 SDÜ hatte. Die Steuerfahndung ist Polizei im Sinne der schwedischen Initiative. Sie gilt ausschließlich für das (repressive) Strafverfahren sowie das (präventive) polizeiliche Erkenntnisgewinnungsverfahren. Letzterer ist im Bereich der Steuerfahndung am besten als Vorfeldermittlungen nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO zu umschreiben. Sie findet im OWi-Verfahren keine Anwendung. Die Staatsanwaltschaften und die Bußgeld- und Strafsachenstellen der Finanzverwaltung haben nach der schwedischen Initiative keine unmittelbaren Auskunftsrechte.
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Wesentliche Kernaussagen der schwedischen Initiative sind der …
a) | Inlandsstandard: Für die Zurverfügungstellung von Informationen und Erkenntnissen an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden anderer Mitgliedstaaten dürfen keine strengeren Anforderungen gestellt werden als auf nationaler Ebene üblich, Art. 3 Abs. 3 RbDatA. Es ist daher eine Parallelwertung anzustellen, ob die ersuchte Behörde die erbetenen Informationen unter sonst gleichen Bedingungen einer anderen inländischen Behörde für deren Verfahren zur Verfügung stellen würde. Hierdurch wird das hohe Datenschutzniveau des deutschen Steuergeheimnisses in § 30 AO auch für den EU-weiten Datenaustausch festgelegt. |
b) | Amts- und Rechtshilfe: Der Informationsaustausch umfasst gleichermaßen strafrechtliche Ermittlungsverfahren wie polizeiliche Erkenntnisgewinnungsverfahren (Art. 3 und 5 RbDatA). |
c) | Keine Zwangsmaßnahmen: Der Informationsaustausch nach dem Rahmenbeschluss bezieht sich nur auf vorhandene Informationen (Art. 1 Nr. 3) und verpflichtet die Mitgliedsstaaten nicht, angefragte Informationen durch Zwangsmaßnahmen zu erlangen (Art. 1 Nr. 5 RbDatA). Soweit es das nationale Recht zulässt, können auch durch Zwangsmaßnahmen erlangte Informationen zur Verfügung gestellt werden (Art. 1 Nr. 6 RbDatA) |
d) | Enge Zeitvorgaben: Dringende Ersuchen sind innerhalb von 8 Stunden zu beantworten, andere (z.B. bei Steuerhinterziehung) maximal innerhalb von 14 Tagen. Eine Rückmeldung ist verpflichtend, wenn die Frist nicht eingehalten werden kann. |
e) |
Weitere
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