Markus Brinkmann

Tax Compliance


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nur intern. Eine Bekanntgabe des Verfahrens hängt vom weiteren Verfahrensverlauf ab. Das gleiche gilt für die Belehrung über seine Rechte und Pflichten, die regelmäßig zusammen mit der Verfahrens – Eröffnung vorgenommen wird und in der Ermittlungsakte dokumentiert werden muss.

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      Im Idealfall wird der Einleitungsvermerk verfasst, wenn die Indizien und Verdachtsmomente sich zum Anfangsverdacht verdichtet haben, zumindest aber zeitnah danach. Der Einleitungsvermerk ist aber lediglich deklaratorisch, denn nach § 397 AO ist das Strafverfahren eingeleitet durch jede Maßnahme der Finanzbehörde, der Staatsanwaltschaft oder ihrer Ermittlungspersonen, die erkennbar darauf abzielt, gegen jemanden wegen einer Steuerstraftat strafrechtlich vorzugehen.

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c) Vorbereitende Ermittlungen finden nach Einleitung des Strafverfahrens statt zur weiteren Planung der strafprozessualen Maßnahmen und zur vorbereitenden Beweissicherung. Auch hier kommen (weitere) Observationen in Betracht, aber auch Telefonüberwachung und längerfristige Observationen, die aber einer Genehmigung des Ermittlungsrichters (§ 163f StPO) oder der Staatsanwaltschaft (§ 100h Abs. 1 Nr. 2 StPO) bedürfen z.B. bei Video-Observationen, die ein geeignetes und ressourcenschonendes Instrument für längerfristige Observationen sein können.

      Ein wichtiges Instrument aller Ermittlungen ist zudem die Abschöpfung der Vielzahl von Informationen aus den sozialen Netzwerken geworden.

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      Die sozialen Netzwerke sind aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Es wird gepostet, getwittert und geliket, was das Zeug hält. Dabei werden eine Fülle von Information in die virtuelle Öffentlichkeit gestellt, von der merkwürdigerweise viele Nutzer ein Gefühl von Vertraulichkeit haben. Sie können sich nicht vorstellen, dass sich die Ermittlungsbehörden ebenfalls in den sozialen Netzwerken bewegen. Sie müssen dies aber tun. Der frühere reale Marktplatz wurde durch den virtuellen Marktplatz ersetzt. Es wäre nicht vermittelbar, wenn sich die Ermittlungsbehörde bei der Erforschung von Straftaten dort nicht ebenso bewegen würde wie der Teil der Gesellschaft, der die Straftaten begeht. Es gibt keinen ermittlungsfreien Raum im Internet.

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      Rechtlich ist für solche Ermittlungen eine Anpassung der Eingriffsnormen an die geänderten virtuellen Verhältnisse erforderlich und möglich. Die allgemeine Ermittlungsbefugnis nach § 160 StPO reicht grundsätzlich aus, soweit nicht in Grundrechte der Bürger eingegriffen wird. Allerdings ist die Intimsphäre auch im Internet geschützt, gleichgültig, was der Bürger davon preisgibt.

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      Die von den Nutzern in den sozialen Netzwerken hinterlassenen Informationen sind vielfältig und vielfach nützlich für Ermittlungen:

genaue Namen, Aliasnamen, Spitznahmen, Privatanschriften, weitere Aufenthaltsorte des Beschuldigten und dritter Personen?,
familiäres, befreundetes und berufliches Umfeld und sonstige Kontaktpersonen?,
genutzte Kfz, geplante berufliche und private Aktivitäten, oft sogar mit Fotos,
berufliche Tätigkeiten z.B. als Freelancer, die für die Bewerbung ihrer Fähigkeiten spezielle Plattformen entwickelt haben;
Erkenntnisse können im Einzelfall höchst praxisrelevante Erkenntnisse für Durchsuchungen oder die Vollstreckung von Haftbefehlen bringen.

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      Das Instrument der Schätzung ist ein Mittel zur Ermittlung des Sachverhalts, das die Finanzverwaltung einsetzen muss, wenn der Sachverhalt trotz Anwendung der anderen Ermittlungsinstrumente immer noch offen ist und keine weiteren Ermittlungsmöglichkeiten bestehen. Es besteht kein Ermessen der Finanzverwaltung darüber, ob sie schätzen will, sondern in Fällen anderweitig nicht aufklärbarer Sachverhalte hat sie eine Pflicht zur Schätzung.

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      Damit ist die steuerliche Schätzung bereits nach dem Gesetzeswortlaut Instrument zur Sachverhaltsermittlung. Sie ist weder Sanktion für unerwünschtes Verhalten (sog. Straf-Schätzungen sind rechtswidrig) noch Zwangsmittel (keine „Androhung“ einer Schätzung, sondern richtigerweise Gewährung rechtlichen Gehörs, § 91 AO).

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      Ziel einer steuerlichen Schätzung ist die größtmögliche Wahrscheinlichkeit der geschätzten Besteuerungsgrundlagen. Nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 AO) muss das Finanzamt dabei sowohl steuererhöhende wie steuersenkende Umstände berücksichtigen. Wenn die Umsatzerhöhung ohne zusätzlichen Wareneinkauf oder zusätzliche Löhne nicht wahrscheinlich ist, müssen diese als zusätzliche Betriebsausgaben ebenfalls geschätzt werden.

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      Schätzungen sind auch im Strafrecht zulässig, wenn sich der Sachverhalt nicht anders ermitteln lässt. Grundsätzlich gibt es strafrechtlich keine anderen Schätzungsmethoden wie im Steuerrecht. Bei der strafrechtlichen Schätzung müssen jedoch die andersgearteten strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze beachtet werden, so dass der Strafrichter die Schätzung des Finanzamtes nur nach sorgfältiger Prüfung der Einhaltung dieser strafrechtlichen Grundprinzipien übernehmen darf.

      aa) Schätzungsanlässe

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      Neben den Schätzungen, die sich aus allgemeinen Grundsätzen des Steuerrechts ergeben (z.B. Teilwert-Schätzung von Wirtschaftsgütern, Schätzung von Aufteilungsmaßstäben bei der Vorsteuer, Schätzung der Nutzungsdauer von Wirtschaftsgütern etc.) sind steuerstrafrechtlich überwiegend Schätzungen wegen Pflichtverstößen des Steuerpflichtigen von Relevanz. Es kommen dabei in Betracht:

Nichtabgabe von Steuererklärungen, deren Abgabe gesetzlich vorgeschrieben ist,
keine oder keine ordnungsgemäße Buchführung,
Verstoß gegen Auskunftspflichten, §