Markus Brinkmann

Tax Compliance


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stückweise erweitern muss.

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      Entscheidet sich der Beschuldigte für Nicht–Kooperation, so muss die Ermittlungsbehörde ihr weiteres Vorgehen überdenken. Einmal abgesehen davon, dass es dem Ermittler nachträglich leid tut, sich für das schriftliche Verfahren entscheiden zu haben, kommt jetzt immer noch eine Durchsuchung in Betracht. Mögen deren Erfolgsaussichten auch deutlich geringer sein als sie ursprünglich (vor dem schriftlichen Verfahren) gewesen waren, verbleibt doch immer noch eine Auffindungsvermutung, die die Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses rechtfertigt. Daher sollte bei der Entscheidung zur Nicht–Kooperation die psychische Belastung der Durchsuchung seitens des Beschuldigten auch im Interesse seiner Angehörigen berücksichtigt werden.

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      Die Nicht–Kooperation kann aus Beschuldigtensicht dann Sinn machen, wenn die Finanzbehörde wenig weiß, so dass die Schätzung relativ niedrig ausfallen muss, um den möglichen Schätzungsrahmen nach Aktenlage nicht zu verlassen.

      „Schätzen Sie mal – vielleicht gefällt es mir!“

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      Das strafprozessuale Standardverfahren dürfte die Beantragung und der Vollzug von Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüssen gegen den Beschuldigten (nach § 102 StPO) und gegen unverdächtige Dritte (Zeugen, nach § 103 StPO) sein. Antragsbefugt ist nicht die Steuerfahndung, sondern nur die Staatsanwaltschaft oder die Bußgeld- und Strafsachenstelle der Finanzbehörde.

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      Voraussetzung eines Durchsuchungsbeschlusses gegen einen Beschuldigten ist nach § 102 StPO der einfache Tatverdacht einer Steuerstraftat. Die Schwelle dafür ist niedrig: es muss die durch tatsächliche Anhaltspunkte gestützte Vermutung zu bejahen sein, dass der Tatbestand des § 370 AO verwirklicht ist. Tatsache in diesem Sinne kann auch die kriminalistische Erfahrung des Steuerfahnders sein. Trotz dieser niedrigen Schwelle wird im Normalfall das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht voreilig eingeleitet, denn die Steuerfahndungsstellen haben das oben beschriebene Kapazitätsproblem. Der Steuerfahnder kann den Fall zwar einleiten, aber er wird ihn nicht mehr ohne weiteres wieder los, weil er das Verfahren nicht einfach einstellen kann. Das kann nur die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Staatsanwaltschaft.

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      Die erforderlichen Durchsuchungsbeschlüsse (§§ 102, 103 StPO) müssen beim Ermittlungsrichter des Amtsgerichts beantragt werden, in dessen Bezirk die Ermittlungsbehörde ihren Sitz hat, § 162 StPO. In einzelnen Ländern gibt es abweichende Zuständigkeitsregeln, die die Zuständigkeit für Wirtschaftsstrafverfahren bestimmten zentralisierten Gerichten zuweist.

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      Zunehmende Bedeutung für die Ermittlungsverfahren der Steuerfahndung hat die Sicherstellung elektronischer Daten. Nicht wenige Fälle sind mittlerweile nur aus den sichergestellten elektronischen Daten zu lösen. Während man in früheren Jahren davon ausgehen konnte, dass der typische Steuerhinterzieher alles Wichtige ausgedruckt hat, ist mittlerweile die Generation der Digital Natives nachgewachsen, die einen viel selbstverständlicheren Umfang mit den neuen Medien zeigt (s.o. Rn. 103 ff.).

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      Die Finanzverwaltung musste sich dem zwangsläufig anpassen und hat seit vielen Jahren spezialisierte IT-Prüfer Teams aufgebaut, die sich mit der forensischen Datensicherung befassen. Während das noch vor nicht allzu langer Zeit Allrounder waren, haben sich die IT-Prüfer zwischenzeitlich weiter spezialisiert. So gibt es innerhalb der IT-Prüfung Spezialisten für Netzwerke, für Datenbanken, für Registrierkassen oder Mobilfunk, die mit der jeweils dazu notwendigen (entsprechend teuren) Hard- und Software aufgerüstet wurden. Die IT-Prüfung ist mittlerweile zu einem der wichtigsten Bereiche der Steuerfahndung geworden.

      Rechtlich bietet die Datensicherung einige Probleme.

      aa) Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

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      Bei der Sicherstellung der elektronischen Daten des Beschuldigten ist zunächst einmal der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, der in diesem Zusammenhang verbietet die EDV-Anlagen, auf denen sich die Daten befinden, einfach zu beschlagnahmen. Das wäre für viele Unternehmen gleichbedeutend mit einer erzwungenen (mindestens vorläufigen) Betriebseinstellung. Wenn es andere, weniger belastende Möglichkeiten zur Beweissicherung gibt, müssen diese ergriffen werden. Der Weg dazu geht über die Spiegelung der vorhandenen Festplatten, bei der alle Cluster des Datenspeichers physikalisch auf ein Sicherungsmedium der Steuerfahndung übertragen werden. Das hat den Vorteil, dass so auch gelöschte Dateien mitgesichert werden, die dann u.U. später im Labor der IT-Prüfung wieder lesbar gemacht werden können. Der Nachteil der Spiegelung ist,