Markus Brinkmann

Tax Compliance


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begegnen. Es werden nicht mehr alle Jahre mit Steuerhinterziehung ermittelt, sondern nur das letzte Jahr. Teile der Vergehen werden eingestellt, obwohl sie unter anderen Umständen weiter verfolgt worden wären. Dem vorrangigen Ziel, der Staatsanwaltschaft spätestens binnen 9–10 Monaten ein Ermittlungsergebnis zu liefern, aus dem diese eine Anklage formulieren kann, wird alles untergeordnet. Entscheidend ist die Erhebung der Anklage spätestens nach einem Jahr. Nur in seltenen Ausnahmefällen wird das OLG den Haftbefehl darüber hinaus aufrechterhalten.

      Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen8. Kapitel Ermittlungsmethoden und -kompetenzen von Steuerfahndung und Betriebsprüfung und daraus resultierende Risiken › V. Fallabschluss

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      Entsprechend der doppelten Aufgabenstellung der Steuerfahndung werden die Ermittlungen mit einem steuerlichen und einem strafrechtlichen Bericht abgeschlossen. Der Prüfer hat dabei die unterschiedlichen Verfahrensgrundsätze für beide Verfahren zu beachten.

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      Dem Verfahrensabschluss auf der Ebene der Finanzverwaltung dient zunächst einmal der steuerliche Bericht durch die Steuerfahndung. Ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle Herr des Ermittlungsverfahrens entscheidet diese auch über den strafrechtlichen Bericht (auch strafrechtlicher Vermerk genannt).

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      Im steuerlichen Prüfungsbericht der Steuerfahndung werden die für die Besteuerung erheblichen Prüfungsfeststellungen sowie die Änderungen der Besteuerungsgrundlagen entsprechend einem Betriebsprüfungsbericht (§ 202 Abs. 1 AO) dargestellt. Da Adressat dieses Berichts vor allem der Innendienst des Veranlagungsfinanzamtes ist, liegt sein Schwergewicht auf Zahlendarstellungen, die der Bearbeiter zum Erlass der Änderungsbescheide benötigt. Darunter leidet gelegentlich – vor allem für steuerlich nicht bewanderte Leser – die Verständlichkeit der Darstellung. Ohne ein entsprechendes Hintergrundwissen wird der steuerliche Bericht manchmal schwer verständlich sein.

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      Der Abschlussbericht wird dem Veranlagungsfinanzamt zur Auswertung übersandt und gehört dort in die Steuerakten. Beantragt der Beschuldigte die Übersendung einer Ausfertigung des Abschlussberichts auch an sich selbst, so ist dem nach § 202 Abs. 2 AO zu folgen. Der Beschuldigte kann so vor der Auswertung des Berichts seinerseits dazu Stellung nehmen.

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      Werden die Ergebnisse der Steuerfahndungsprüfung vom Steuerpflichtigen angegriffen, ist es Sache des Innendienstes und der Rechtsbehelfsstelle des Finanzamtes die Steuerfahndungsergebnisse zu verteidigen. Selbstverständlich wird dazu die Expertise des Steuerfahndungsbeamten herangezogen, der argwöhnisch darüber wacht, dass „sein“ Mehrergebnis nicht durch eine übervorsichtige Rechtsbehelfsstelle, die vielleicht das Prozessrisiko fürchtet, im Rechtsbehelfsverfahren geopfert wird.

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      Die tatsächliche Verständigung dient einerseits der Sicherung des Rechtsfriedens, indem sie dazu beiträgt, Verfahren einvernehmlich abzuschließen. Andererseits erspart sich die Ermittlungsbehörde den unproduktiven Einsatz von Ressourcen und fördert damit die Effektivität der Besteuerung.

      aa) Voraussetzungen einer tatsächlichen Verständigung (TV)

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      Eine TV kommt in Betracht, wenn es sich um einen Fall mit erschwerter Sachverhaltsermittlung handelt: der Sachverhalt lässt sich nicht mehr oder nicht mit einem vertretbaren Zeitaufwand ermitteln, so dass das Verhältnis zwischen voraussichtlichem Arbeitsaufwand und steuerlichem Erfolg nicht ausgewogen ist. Die bloße Kompliziertheit des Sachverhalts, der ansonsten durchaus aufklärbar ist, reicht noch nicht aus um eine TV zu rechtfertigen.

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      Beispiel:

Verständigung über die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes, das auch in Zukunft noch genutzt wird.
Verständigung über die Abgrenzung von Anschaffungskosten zu den Herstellungskosten.

      bb) Verfahren bei Abschluss einer TV

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      Die TV kann formlos abgeschlossen werden, also mündlich, telefonisch oder auch mittels elektronischer Kommunikation. Aus Gründen der Beweissicherung soll allerdings eine einfache Niederschrift gefertigt werden.

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      Entscheidend ist, dass bei Abschluss der TV die richtigen Personen handeln. Das sind auf Seiten der Finanzverwaltung nur der Vorsteher des Festsetzungs – Finanzamtes oder sein(e) Vertreter wie der Innendienst – SGL oder –Sachbearbeiter. Der Prüfungsdienst (SGL oder Prüfer) sind nicht befugt zum Abschluss einer bindenden TV. Auf Seiten des Steuerpflichtigen muss dieser selbst oder sein Vertreter handeln.

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      Der Abschluss einer TV soll nicht in einem schriftlichen Verfahren erfolgen. Das bedeutet, dass die Beteiligten (mindestens kurz) zusammen kommen und sich über den anzunehmenden Sachverhalt verständigen müssen (d.h. miteinander sprechen), selbst wenn die Zahlen im Entwurf der TV schon vorher bekannt waren.

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