Markus Brinkmann

Tax Compliance


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können sich je nach Einzelfall angepasst auf die Situation ergeben.

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      Eine fundierte Schätzung macht Mühe. Das Ziel der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit ihres Ergebnisses sollte begleitet sein vom Nebenziel einer größtmöglichen Überzeugungskraft des gefundenen Ergebnisses, wozu regelmäßig mehrere Methoden nebeneinander zur Anwendung kommen sollten.

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      Ein in Prüfungen häufig angewandtes Instrument ist die Empfängerbenennung von Betriebsausgaben nach § 160 AO, dessen Grundansatz häufig falsch verstanden wird. Die Vorschrift schafft – ähnlich wie § 159 AO – eine Gefährdungshaftung zu Lasten des die Betriebsausgaben geltend machenden Unternehmers, mit der ein möglicher Steuerausfall beim Zahlungsempfänger ausgeglichen werden soll.

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      Eigentlich wären die vom Zahlenden geltend gemachten (steuermindernden) Aufwendungen beim Zahlungsempfänger als (steuererhöhende) Betriebseinnahmen zu erfassen. Da das aber nicht sichergestellt und auch nicht zu kontrollieren ist, weil der wahre Zahlungsempfänger durch den zahlenden Unternehmer nicht benannt wird. Dadurch schafft der Zahlende eine Gefährdungslage, die es rechtfertigt, ihn in Anspruch zu nehmen. Er hätte es ja regelmäßig jederzeit in der Hand, der Aufforderung des Finanzamtes nachzukommen und den wahren Empfänger zu benennen. Tut er das nicht, muss er für eine fremde Steuer einstehen.

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      In der Anwendung bedeutet § 160 AO eine Kombination von Ermessensentscheidungen und Schätzung:

(1) Entschließungsermessen, ob an den Steuerpflichtigen ein Benennungsverlangen zu richten ist und
(2) Ermessensentscheidung über die Hinzurechnung – dem Grunde nach: ist der Empfänger hinreichend konkret benannt oder nicht; – der Höhe nach: wie hoch muss hinzugerechnet werden, um den befürchteten Steuerausfall beim Zahlungsempfänger auszugleichen.

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      Hierbei darf der Steuersatz des Zahlungsempfängers im Bereich eines höheren Steuersatzes (ca. 35–40 %) geschätzt werden. Je niedriger der Steuersatz des Zahlenden ist, desto höher muss die Hinzurechnung ausfallen (max. aber 100 %), um den Steuerausfall beim Zahlungsempfänger zu kompensieren. Hat der Zahlende einen hohen Steuersatz, braucht bei ihm nur ein Teil der Betriebsausgaben zugerechnet zu werden, um die Steuergefährdung auf der Ebene des Zahlungsempfängers zu beseitigen.

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      Das Instrument ist einerseits gut geeignet, das fiskalische Interesse an der Reduzierung einer Steuergefährdung zu befriedigen. Es ist aber andererseits ebenso gut geeignet, das Ermittlungsinteresse eines Prüfers zu besänftigen, indem der Zahlungsempfänger gerade nicht benannt wird. Das führt zwar in der Regel zur gewinnerhöhenden Hinzurechnung von Betriebsausgaben (und damit indirekt zu einem Mehrergebnis des Prüfers – sein eigentliches Ziel), aber nicht zur Aufdeckung des hinter der Zahlung steckenden tatsächlichen Vorgangs, der möglicherweise viel sensibler ist. Insbesondere bei korruptiven Vorgängen würde ja erst durch die Benennung des Zahlungsempfängers der Verdacht auf eine Bestechung geweckt werden, der dann vom Betriebsprüfer nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG an den Staatsanwalt weitergegeben werden müsste – häufig die viel gravierendere Folge.

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      Nach der Einleitung des Steuerstrafverfahrens ist grundsätzlich über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Wenn der Ermittlungsaufwand gering oder der Sachverhalt in einfach gelagerten Fällen schon vollständig bekannt ist, kommt die weitere Bearbeitung unmittelbar durch die BuStra in Betracht. Der Fall wird dann an diese abgegeben und dort bearbeitet.

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      Bleibt der Fall zur Bearbeitung bei der Steuerfahndung, kommen je nach Schwere des Tatverdachtes und den Umständen des Einzelfalls die Bearbeitung in einem schriftlichen Verfahren, ein Spontanbesuch beim Verdächtigen oder die strafprozessuale Durchsuchung (§ 102 StPO) in Betracht.

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      Lassen sich die Ermittlungen ohne Durchsuchung auf niederer Schwelle führen, wird der Steuerfahndungs – Sachgebietsleiter das anstreben. In Betracht kommt ein schriftliches Verfahren in einfach gelagerten, massenhaft auftretenden Fällen wie z.B. bei der Welle der Kapitalanlegerfälle ab 2010. Je nach Umfang der schon vorhandenen Informationen ist in diesen Fällen eine Durchsuchung beim Verdächtigen, auch angesichts des damit verbundenen Aufwands, nicht erforderlich.

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      Dem Verdächtigen wird schriftlich die Einleitung des Steuerstrafverfahrens mitgeteilt und er wird ebenso schriftlich über seine Rechte belehrt. Gleichzeitig wird er aufgefordert die erforderlichen Unterlagen beizubringen um die Steuer korrekt festsetzen zu können. Zwar ist der Beschuldigte nach dem „nemo tenetur-Grundsatz“ strafrechtlich nicht verpflichtet, zu seiner Belastung beizutragen, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO. Zur steuerlichen Mitwirkung bleibt er aber trotz der Einleitung des Strafverfahrens weiter verpflichtet. Seine Mitwirkung im Besteuerungsverfahren kann zwar nicht erzwungen werden (§ 393 Abs. 1 S. 2 AO), aber das kommt in diesen Verfahren ohnehin nicht in Frage. Allerdings ist dann die Finanzverwaltung berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen, die nicht auf andere Weise ermittelt werden können, zu schätzen, § 162 AO.

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      Der Beschuldigte muss sich nun zwischen Kooperation oder Nicht–Kooperation entscheiden und hat im Grunde genommen fast die Wahl zwischen Regen und Traufe.

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      Dabei kann es gefährlich sein, sich nur für eine eingeschränkte Kooperation zu entscheiden nach dem Motto „Ich gebe alles zu, was Sie mir nachweisen können!“ Das macht m.E. aus Verteidigersicht nur Sinn, wenn bekannt ist, was die Finanzbehörde