umfasst § 93 Abs. 1 AktG sowohl die aktienrechtliche Legalitätspflicht als auch entsprechende Sorgfalts- und Überwachungspflichten (Legalitätskontrollpflicht).[18] Im Bereich der Legalitätsplichten, die die Einhaltung der inneren und äußeren rechtlichen Rahmenbedingungen gebieten, gibt es keinen Ermessensspielraum. Pflichtverletzungen, die bei oberflächlicher Betrachtung als „nützlich“ oder adäquat angesehen werden könnten, sind als das zu werten, was sie sind: Pflichtverletzungen.[19] Zu den Legalitätspflichten zählt auch die Einhaltung der kapitalmarktrechtlichen Veröffentlichungs-, Mitteilungs- und Informationspflichten.[20] Sie richten sich an den Emittenten, der, vertreten durch die Vorstandsmitglieder, für ein entsprechendes rechtskonformes Verhalten zu sorgen hat. Die unterschiedliche Gestaltung und die hohen Anforderungen, die im Einzelfall an Wahrung der Vertraulichkeit, inhaltliche Richtigkeit und Klassifizierung der Informationen sowie die Schnelligkeit der Veröffentlichung gestellt werden, gebieten die Schaffung einer entsprechenden internen Organisation. Die Notwendigkeit der Befolgung dieser Pflichten selbst ergibt sich aus dem Unternehmensinteresse, da Verstöße Bußgelder und Strafen für den Emittenten bzw. seine Verantwortlichen sowie Schadensersatzklagen und Reputationsverlust zur Folge haben können, wie die Fälle „Siemens“, „Deutsche Bank“ und „Volkswagen“ eindrucksvoll zeigen. Künftig wird die MAR und die CRIM-MAD die Strafrahmen nochmals verschärfen und in Zukunft die Veröffentlichung verhängter Geldbußen zur Pflicht (sog. Naming and Shaming) machen.
2. „Mission Statement“
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Eine klare Auffassung der Geschäftsleitung zum Stellenwert von Compliance im Unternehmen bedarf auch einer entsprechenden Kommunikation. Ein sog. Mission Statement setzt hier sicherlich ein klares Signal. Noch vor wenigen Jahren in Deutschland belächelt, gehört es mittlerweile zum Standard. Das Mission Statement sollte selbstredend nicht in der Schublade verschwinden, sondern auch durch geeignete Maßnahmen der internen Unternehmenskommunikation bei den Mitarbeitern publik gemacht werden. Hier sind alle Kommunikationsformen von der Veröffentlichung im Intranet, einschlägigen Mitarbeiter-(Online-)Schulungen, Broschüren bis zu Plakaten denkbar. Eine Compliance-Organisation kann nur funktionieren, wenn bei den Mitarbeitern des Unternehmens eine entsprechende „Awareness“ geschaffen wurde.
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Das Mission Statement spiegelt sich in einem sog. Code of Conduct oder Code of Ethics wider, in denen den Mitarbeitern konkrete Vorgaben zu einem einwandfreien Verhalten gemacht werden. Damit bei Verstößen auch disziplinarische Maßnahmen getroffen werden können, sollte dieser Verhaltens- oder Ethikkodex durch entsprechende Klauseln im Arbeitsvertrag auch integrierter Bestandteil des Arbeitsverhältnisses werden.[21]
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Dieser Verhaltens- oder Ethikkodex und damit auch die Einhaltung der geltenden Gesetze ist durch das Management auf allen Ebenen zu vermitteln, vorzuleben, mithilfe entsprechender Organisationsstrukturen zu überwachen und bei Bedarf an veränderte tatsächliche und rechtliche Rahmenbedingungen anzupassen. Er sollte prägnant die ethische Grundhaltung des Unternehmens und die Verantwortlichkeiten auf allen Ebenen direkt ansprechen und in die Pflicht nehmen. Zunehmend Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang auch der Begriff der Compliance-Kultur, der sich ausgehend vom Begriff der Unternehmenskultur am gelebten Wertekanon des Unternehmens und seiner Mitarbeiter sowie am gesamtgesellschaftlichen Kontext, in dem sich das Unternehmen bewegt, bestimmt.[22]
3. Praktische Probleme des Aufbaus einer Compliance-Abteilung
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Die Notwendigkeit der Einrichtung einer Compliance-Abteilung ergibt sich für den Vorstand zwischenzeitlich schon allein daraus, dass er andernfalls seinen Legalitäts- und Sorgfaltspflichten in einem zunehmend komplexeren rechtlichen Umfeld kaum noch nachkommen kann. Weder das Aktienrecht noch der DCGK machen Vorgaben an die inhaltliche Ausgestaltung einer Compliance-Organisation. Ob die gewählte Organisation im konkreten Fall den richtigen „Zuschnitt“ hat oder hatte, zeigt sich regelmäßig erst im Fall eines Verstoßes.[23] Lag die Hauptaufgabe von Compliance-Funktionen anfangs noch darin, Vorwürfen von Rechtsverstößen nachzugehen und diese zu ahnden sowie zu diesem Zweck entsprechende Kontroll- und Überwachungssysteme zu etablieren, verlagert sich der Schwerpunkt heute zunehmend dahin, durch ein entsprechendes Risikomanagement, insbesondere durch stete Aufklärung und Schulung der Mitarbeiter, Verstöße weit möglichst zu verhindern.[24] Kernaufgabe ist es daher, Strukturen zu schaffen, in denen Risiken kontinuierlich identifiziert, intern adressiert und kontrolliert werden.[25] Hilfestellung vermögen dabei Standards für Compliance Management Systeme (CMS) zu bieten, wie der IDW PS 980 des Instituts der Wirtschaftsprüfer oder der ISO 19600 der Internationalen Organisation für Normung.[26] Ferner sollte dieser Gesamtvorgang dokumentiert werden, um im Fall eines Verstoßes darlegen zu können, dass das Unternehmen eine adäquate Risikovorsorge getroffen und gelebt hat. Dies kann spürbare Auswirkung auf die Höhe einer eventuellen Geldbuße nach § 130 OWiG haben, wenn es überhaupt zur Eröffnung eines Verfahrens gegen das Unternehmen und seine Organmitglieder kommt. Inwieweit hier eine Zertifizierung nach dem IDW PS 980 oder nach der ISO 19600 zum Tragen kommen kann, wird sich allerdings in der Zukunft noch zeigen müssen. Eine Enthaftungswirkung darf derzeit jedoch bezweifelt werden, da es zum Einen an der rechtlichen Verbindlichkeit fehlt und es sich zum Anderen um eine Überprüfung von Prozessen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen handelt, die nicht die Beurteilung von Rechtsfragen zum Gegenstand hat.[27]
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In erster Linie gilt es, Zuständigkeiten zu definieren. Schwierig ist es dabei grundsätzlich, wenn eine bereits bestehende Struktur zusätzlich noch Compliance-Aufgaben übernehmen soll, ohne dass organisatorisch oder personell Konsequenzen gezogen werden. Ein solcher Aufbau läuft immer Gefahr, dass die Compliance-Arbeit nur als lästige zusätzliche Tätigkeit wahrgenommen wird und in der täglichen Arbeit ein Schattendasein führt. Die Effizienz einer Funktionszuweisung an einen Mitarbeiter dergestalt, dass er zu seiner Tätigkeit anteilsmäßig die Funktion des Compliance Officer des entsprechenden Bereiches übertragen erhält, hängt nicht zuletzt auch von der Größe des Umfelds ab, in dem er agiert, sowie den dort auftretenden Risiken.
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Dass die Compliance-Officer disziplinarisch nicht dem jeweiligen Fachbereich unterstellt sein sollten, den sie kritisch zu beraten haben, versteht sich von selbst.[28] Auch dass die Compliance-Funktion „ganz oben“ in der Geschäftsleitung verankert sein muss, dürfte allgemein anerkannt sein. Bei multinationalen Unternehmen ist es wichtig, dass auch die Compliance-Organisation multinational untergliedert und ausgerichtet ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass sich aus der jeweiligen lokalen Organisationsstruktur regelmäßig andere rechtliche Pflichtenbindungen ergeben, denen Rechnung getragen werden muss. Wichtig ist somit nicht nur für die Mitarbeiter vor Ort, sondern auch für die Konzernoberleitung ein kompetenter Ansprechpartner. Im Interesse der eigenen Reputation sollten Unternehmen durch strukturelle Maßnahmen oder durch Bindung der lokalen Vorstände und Geschäftsführer darauf achten, dass die Compliance-Standards im Konzern auch vor Ort gewahrt werden.
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Rivalitäten können sich insbesondere dann ergeben, wenn zu einer bestehenden Rechtsabteilung eine neue Compliance-Abteilung hinzukommt. Auch die Durchführung einer internen Untersuchung kann zu Differenzen über die Zuständigkeit führen. Wer führt diese aus und steuert die Internal Investigation? Wie und vor allem durch wen sind die Ergebnisse rechtlich zu würdigen? Und welche Schlüsse werden hier für das Management gezogen? Wer überwacht ggf. eingeleitete Korrekturmaßnahmen (Remediation)?
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Es macht sicherlich Sinn, sämtliche Tätigkeiten, die im Zusammenhang mit strafrechtlichen Ermittlungen stehen oder Compliance-Bezug haben, auch auf die Compliance-Abteilung zu übertragen. Bei einer entsprechenden Größe des Unternehmens sollte