Publizitätspflicht insofern tatbestandlich erfüllt wären.
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Gegen die Annahme eines ad-hoc-publizitätspflichtigen Dementis spricht jedoch die Erwägung, dass Dritte durch gezielte Falschmeldungen Ad-hoc-Mitteilungen des Emittenten provozieren könnten. Eine solche Fremdsteuerung des Emittenten durch die Verbreitung unwahrer Informationen entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Ad-hoc-Publizität. Auch nach Ansicht der BaFin ist ein Emittent nicht zu einem Dementi von Falschmeldungen verpflichtet, wenn diese nicht durch ihn per Ad-hoc-Mitteilung veröffentlich wurden. Dies ergibt sich aus der Aussage der BaFin, dass der Emittent Markterwartungen, die durch eine von dritter Seite vorgenommene Veröffentlichung unzutreffender Geschäftsergebnisse hervorgerufen werden, nicht korrigieren muss.[48] Es ist nicht Sinn und Zweck der Ad-hoc-Publizitätspflicht unwahre Tatsachenbehauptungen Dritter zu verbreiten, sondern die Marktteilnehmer zutreffend über den Emittenten zu informieren. Auch im Hinblick auf Art. 17 Abs. 7 Unterabs. 2 MAR, nach dem bei präzisen Gerüchten eine Veröffentlichung zu erfolgen hat, führt die BaFin aus, dass bei einem Verbreiten falscher oder irreführender Informationen durch Dritte ein Dementi nicht notwendig sei.[49] Folglich kann der Emittent auch nicht zu einem „actus contrarius“ im Sinne eines Dementis einer durch einen Dritten verbreiteten unwahren kurserheblichen Tatsachenbehauptung durch Ad-hoc-Mitteilung verpflichtet sein.
2. Optionales Dementi
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Muss der Emittent im Ergebnis Falschmeldungen nicht durch Ad-hoc-Mitteilung dementieren, fragt sich jedoch, ob er ein aus seiner Sicht opportunes Dementi durch Ad-hoc-Mitteilung veröffentlichen darf. § 15 Abs. 2 WpHG a.F. sah ein Veröffentlichungsverbot für Tatsachen vor, die die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 WpHG a.F. offensichtlich nicht erfüllen. Sinn und Zweck dieser Norm war es, überflüssige Veröffentlichungen zu verbieten, da es dem Anleger in diesen Fällen erschwert wird, marktrelevante Informationen zu erkennen.[50] Auch wenn weder § 26 WpHG noch Art. 17 MAR eine entsprechende Formulierung enthalten, sollte der Sinn und Zweck der Ad-hoc-Veröffentlichung nicht durch die MAR verändert werden. Daher dürfte weiterhin von einem grundsätzlichen Veröffentlichungsverbot für Tatsachen, die die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Insiderinformation nicht erfüllen, auszugehen sein. Im Zusammenhang mit § 15 Abs. 2 WpHG a.F. sprachen Praktikabilitätserwägungen dafür, dem Emittenten aufgrund der Unbestimmtheit des Tatbestandes gleichwohl einen Ermessensspielraum bis zur Grenze der Rechtsmissbräuchlichkeit einzuräumen.[51] Die BaFin ging von einem Missbrauch der Ad-hoc-Publizitätspflicht aus, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 WpHG a.F. offenkundig nicht vorlagen, da der Einsatz der Ad-hoc-Publizität nicht für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen ist und ein solches Publizitätsverhalten der Öffentlichkeit erschwert, die wirklich bedeutsamen Informationen schnell zu erkennen und zu verarbeiten.[52] Dieser Grundsatz gilt nach wie vor. Insbesondere dürfen Ad-hoc-Mitteilungen nicht zu Marketingzwecken missbraucht werden. Da auch weiterhin nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 S. 2 MAR die Veröffentlichung von Insiderinformationen nicht mit der Vermarktung der Tätigkeit verbunden werden darf, kann auch nach MAR nichts anderes gelten. In dem angeführten Beispielsfall einer Falschmeldung über eine bevorstehende Fusion treffen die Erwägungen der BaFin zu missbräuchlichem Verhalten jedoch nicht zu, da der Emittent durch die Richtigstellung eine für die Anlageentscheidung der Investoren bedeutsame und daher kurserhebliche Information mitteilt. Die Nutzung der Ad-hoc-Publizität für ein Dementi erscheint vor diesem Hintergrund nicht als rechtsmissbräuchlich. Allerdings will ein solches Vorgehen gut überlegt sein, da nicht auszuschließen ist, dass der Emittent durch ein solches Dementi die Erwartung der Marktteilnehmer weckt, in Zukunft in vergleichbaren Fällen ebenso zu verfahren. Daher sollte der Emittent erwägen darauf hinzuweisen, dass die Marktteilnehmer nicht darauf vertrauen dürfen, dass er unwahre Aussagen oder Gerüchte auch künftig dementieren werde.
VI. Veröffentlichung der Insiderinformation
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Liegt eine Insiderinformation vor, die den Emittenten unmittelbar betrifft und ist ein Aufschub der Veröffentlichung der Insiderinformation nicht möglich oder gewollt, so ist sie unverzüglich zu veröffentlichen (Art. 17 Abs. 1 MAR).
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Gem. § 26 Abs. 1 WpHG müssen Inlandsemittenten,[53] MTF- und OTF-Emittenten die Insiderinformation vor der Veröffentlichung (Verwaltungspraxis der BaFin: 30 Minuten) der BaFin und allen inländischen Handelsplätzen,[54] an denen das Finanzinstrument zum Handel zugelassen oder zum Handel einbezogen ist, mitteilen. Da eine Insiderinformation vor deren Veröffentlichung weitergegeben wird, darf dies nur an solche Handelsplätze geschehen, an denen das Finanzinstrument einbezogen ist und nicht an sämtliche Handelsplätze. Andernfalls kann eine unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen vorliegen.[55] Nach der Veröffentlichung ist sie zudem dem Unternehmensregister zur Speicherung zu übermitteln (§ 26 Abs. 1 WpHG).
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Die Insiderinformation muss mittels elektronischer Mittel an eine möglichst breite Öffentlichkeit, unentgeltlich und zeitgleich in der gesamten Union verbreitet werden.[56] Dies erfolgt in der Praxis durch hierauf spezialisierte Dienstleister. Zusätzlich muss die Insiderinformation auf der Webseite des Emittenten für 5 Jahre veröffentlich werden (Art. 17 Abs. 1 MAR).
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Hinsichtlich der Sprache der Veröffentlichung enthält die MAR keine Konkretisierung. Während Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 MAR lediglich verlangt, dass die Öffentlichkeit in der Lage sein muss, auf die Information zuzugreifen, um sie vollständig, korrekt und rechtzeitig bewerten zu können, erklärt sich die ESMA in den technischen Standards mangels Mandat diesbezüglich für unzuständig.[57]
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In Deutschland finden sich Regelungen zur Sprache der Veröffentlichung in § 3b WpAV. Dort ist auch geregelt, wann eine Veröffentlichung auch in Deutschland in englischer Sprache möglich ist. Dies ist unter anderem der Fall für Emittenten mit Sitz im Ausland oder für Emittenten, die bei der BaFin einen Prospekt in englischer Sprache für die Wertpapiere, auf die sich die Information bezieht, hinterlegt haben.
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Liegt eine Insiderinformation vor, die sowohl das Mutter- als auch das Tochterunternehmen in einem Konzern unmittelbar betrifft, so ist sowohl durch das Mutter- als auch durch das Tochterunternehmen eine Veröffentlichung vorzunehmen, sofern letzteres ebenfalls eine ad-hoc-verpflichteter Emittent ist.[58] Damit die Unternehmen eines Konzerns Kenntnis der Insiderinformation erlangen, sind laut dem LG Stuttgart die Unternehmen so zu organisieren, dass relevantes Wissen weitergeleitet und bei gegebenem Anlass abgefragt wird, wobei sich aus dem Marktmissbrauchsrecht ein abgeleiteter kapitalmarktrechtlicher Informationsanspruch ergeben kann.[59]
2. Teil Emittenten-Compliance › 3. Kapitel Ad-hoc-Publizität in Unternehmen › C. Umgang mit gestreckten Sachverhalten
I. Überblick
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Umstritten war lange Zeit die Behandlung zeitlich gestreckter Sachverhalte. Es handelt sich hierbei um Vorgänge, bei denen über mehrere Zwischenschritte ein bestimmter Umstand verwirklicht oder ein bestimmtes Ereignis herbeigeführt werden soll.[60] Beispiele sind Sachverhalte wie im Fall „Schrempp“[61] und insbesondere Unternehmensübernahmen, die sich regelmäßig über eine Exklusivitätsvereinbarung, die Durchführung einer Due Diligence, den Abschluss eines Letter of Intent, weiteren Verhandlungen, einer grundsätzlichen Einigung, einer Vorstands- und ggf. Aufsichtsratsentscheidung bis hin zur Vertragsunterzeichnung verdichten.[62] Ein weiteres Beispiel ist die Ermittlung von Geschäftszahlen, die im Verlauf eines Prozesses bis zu ihrer Behandlung durch den Vorstand zunehmend verlässlicher