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1. Kapitel Grundlagen › I. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen
Wolfgang Kahl
I. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen
1. Kapitel Grundlagen › I. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen › 1. Die Entstehung der Universität im Mittelalter
a) Die Universität als kirchlich beherrschte Magisterkorporation
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Die Geschichte der bayerischen Universitäten[1] beginnt, sieht man von dem gescheiterten Projekt in Würzburg (1402) ab, erst mit der zweiten Gründungswelle in Deutschland, die Mitte des 15. Jahrhunderts mit der Gründung der Universität Greifswald (1456) eingeläutet wurde. Zu dieser Zeit hatten sich in Deutschland bereits eine Reihe von Universitäten entwickelt, die vor allem in der Tradition von Paris standen, aber auch Bezüge zu Bologna aufwiesen. Mehrere Entwicklungen begünstigten das Entstehen deutscher Universitäten im 14. und 15. Jahrhundert, darunter das Schisma, in dessen Zuge die Deutschen an der Pariser Universität in ihre Heimat zurückkehrten und Universitätsprivilegierungen zum Machtinstrument der Päpste wurden, die Bedeutung der Professoren als Gutachter und schließlich das landesherrliche Repräsentationsinteresse sowie das Bedürfnis nach einer gebildeten Verwaltung. Die Universität des Mittelalters war vornehmlich kirchlich organisiert, was sowohl in der Bestellung des Kanzlers aus der Geistlichkeit, meist des nächsten Diözesanherrn, als auch in der Sicherung der Finanzierung durch kirchliche Pfründe seinen Ausdruck fand. Die Universität der ständischen Gesellschaft des Mittelalters gestaltete sich als Korporation mit päpstlichem und kaiserlichem Privileg, die nicht in jedem Fall gleichzeitig vorlagen. Die Privilegierung legitimierte einerseits den Akt der Promotion als Veränderung der Ständestruktur und sicherte andererseits die universelle Geltung der Promotion im Bereich der römischen Kirche bzw. des Reiches. Die Korporationsstruktur brachte es mit sich, dass die Universität auch die Gerichtsbarkeit über ihre Mitglieder ausübte.[2]
b) Erste Hochschulen im (heutigen) Bayern
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Die erste Hochschulgründung auf dem Gebiet des heutigen Bayern erfolgte 1402 unter der Ägide von Fürstbischof Johann I. von Egloffstein in Würzburg.[3] Das Projekt scheiterte aber schon 1413 aus finanziellen und personellen Gründen. Die erste erfolgreiche Hochschulgründung war die altbayerische Landesuniversität in Ingolstadt, die, angespornt durch die Heidelberger Konkurrenz der pfälzischen Wittelsbacher und beflügelt von der Wissenschaftsbegeisterung des Humanismus, am 26. Juni 1472 feierlich eröffnet wurde.[4] Die Finanzierung der Pläne war durch das übliche Verfahren der Umwidmung herzoglicher Stiftungen mit päpstlichem Konsens[5] gesichert. Die Gründungsverfassung[6] bestand aus der herzoglichen Stiftungsurkunde und den Statuten, wobei Letztere in den folgenden Jahren immer wieder Neufassungen erlebten, unter denen die Nova Ordinatio von 1515 die bedeutendste ist. Die Universität besaß von Beginn an alle vier Fakultäten, die in relativer Autonomie die Gliederung der Gesamtuniversität bildeten. Im Mittelpunkt der Organisation stand das Konzil, nach der Verkleinerung ab 1522 auch Senat genannt. Ein vom Konzil halbjährlich gewählter Rektor repräsentierte die Universität vor allem nach außen, übte die einfache Gerichtsbarkeit aus und beaufsichtigte die Universität.[7] Das Rektorat, das zu Beginn der Entwicklung noch zwischen Universität und Staat stand, verlor allerdings in der Folgezeit zunehmend an Macht. Ebenfalls von Bedeutung war das seit der Gründung durch die Stiftungsurkunde dem Bischof des nahegelegenen Eichstätt anvertraute Amt des Kanzlers.[8] Zu den Aufgaben des Kanzlers gehörten vor allem die Mitwirkung an der Promotion und die Ausübung der höheren Gerichtsbarkeit. Geistesgeschichtlich lässt sich Ingolstadt als bedeutendes Zentrum des Renaissance-Humanismus kennzeichnen, der sich in der Geschichte der Universität vor allem mit den Namen von Konrad Celtis Jakob Locher, Johannes Reuchlin, Johannes Aventinus und Johannes Eck verbindet.[9] Wohl auch aus der Gegnerschaft Ecks[10] zu Luther entstammt das später durch die Rolle als katholische Landesuniversität gefestigte Bild Ingolstadts als „Antipodin“ zu den Universitäten in Wittenberg und Tübingen und geistigem Zentrum der Gegenreformation.
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Als drittes Hochschulprojekt des Spätmittelalters versuchte Herzog Albrecht IV. von Bayern 1487 zusammen mit der Reichsstadt in Regensburg die Gründung einer zweiten altbayerischen Universität. Die Pläne mussten indes trotz erfolgter Erteilung des päpstlichen Stiftungsprivilegs aufgegeben werden, als der Papst ihm das Bischofs-Nominationsrecht und erhoffte Inkorporationen verweigerte.[11]
1. Kapitel Grundlagen › I. Die Geschichte der Bayerischen Hochschulen › 2. Neuzeitliche Universitätsgründungen
a) Von der Reformation bis zum Absolutismus: Die Etatisierung der Universität
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In der Zeit zwischen der Reformation und dem Umbruch am Ende des 18. Jahrhunderts prägten vor allem drei Faktoren die bayerische Hochschulentwicklung: Die Gründung zahlreicher neuer Universitäten außerhalb Altbayerns, die engere Bindung der Universität an den Landesherrn und die weitreichende Bedeutung der Jesuiten für das allgemeine und höhere Bildungswesen in den katholischen Landesteilen. In Ingolstadt[12] lehrten auf Wunsch von Herzog Wilhelm IV. die ersten Patres der Societas Jesu seit 1549, deren Einfluss in der Folgezeit noch ausgebaut wurde. Obwohl die Universität im Gegensatz zu Bamberg und Dillingen nie zu einer rein jesuitischen Bildungsanstalt wurde, litt sie an den inneren Kämpfen mit der medizinischen und der juristischen Fakultät, wobei insbesondere Letztere in ihrer zentralen Bedeutung für Leitung und Verwaltung der Gesamtuniversität stets darauf bedacht war, die Selbstständigkeit der Universität gegen die Dominanz des Jesuitenordens, der „im Prinzip die universitäre Selbstverwaltung nicht anerkannte“,[13] zu verteidigen. Auch in Ingolstadt endete die Ära der Jesuiten, die unter anderem ein Wiederaufblühen der Scholastik erreicht hatten, mit der Auflösung des Ordens 1773, dem 1781 die endgültige Entlassung aller einstigen Ordensmitglieder aus der Universität folgte.
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Unterdessen hatte sich auch an der altbayerischen Landesuniversität in Ingolstadt der Einfluss der landesherrlichen Aufsicht ausgedehnt. Zwar bewahrte sich die Universität bis 1806 ihren mittelalterlichen Rechtsstatus, der Landesherr griff aber zunehmend in Berufungen und Detailfragen des Lehrbetriebs ein. Die stärkere Position des Herzogs gegenüber dem Reich im Zuge dessen innerer Auflösung, die Konfessionalisierung im Geleit des Augsburger Religionsfriedens und die absolutistische Staatsidee wurden zu Faktoren, die die Etatisierung und Umwandlung zur „katholischen Landesuniversität“ begünstigten. Die staatliche Universitätsaufsicht war schon 1515 begründet worden.[14]
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Die Umwandlung der Universität in eine barocke, territorial begrenzte Institution brachte auch eine Veränderung des wissenschaftlichen Fokus mit sich. Der Unterricht in gesellschaftlichen Formen, die Bestrebungen nach einer größeren Berücksichtigung der Kameralistik und das Bedürfnis nach einer Ausweitung der naturwissenschaftlichen Forschung und Methoden begründeten in der zweiten Hälfte des 18.