gegenüber ihren Geschäftspartnern und Kunden besteht für das Unternehmen in der Regel keine Pflicht zur Weitergabe von Erkenntnissen über Gesetzesverstöße. Etwas anderes kann aber gelten, wenn das Unternehmen vertraglich über sog. Compliance-Klauseln zu einer Mitteilung aller Verstöße verpflichtet ist. Bei einem Verstoß gegen solche Meldepflichten kann sich das Unternehmen schadensersatzpflichtig machen und sogar die Kündigung bestehender Verträge riskieren. Zudem kann das Unternehmen mit Geschäftspartnern sog. Audit-Klauseln vereinbart haben, durch die die Geschäftspartner z.B. zur jederzeitigen Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft berechtigt werden. In diesem Fall besteht dann ein hohes Risiko, dass das Fehlverhalten durch die Geschäftspartner selbst aufgedeckt wird.
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Zu beachten ist, dass nach § 93 Abs. 1 S. 3 AktG der Vorstand über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Stillschweigen zu bewahren hat. Eine Offenbarung dieser Geheimnisse kann zu Schadensersatzansprüchen seitens der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG und nach § 404 AktG zu Freiheits- oder Geldstrafen führen. Unter den Geheimnisbegriff fallen hierbei „alle Tatsachen, die im Zusammenhang mit dem Betrieb der AG stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem Willen der AG geheim gehalten werden sollen“.[12] Hierunter können auch Informationen über Gesetzes- oder Richtlinienverstöße fallen, die in einer unternehmensinternen Untersuchung aufgedeckt werden. Für eine Strafbarkeit nach § 404 AktG kommt es darauf an, dass die Weitergabe der Geheimnisse im objektiven Interesse der AG nachteilig sein kann.[13] Offenbart werden kann das Geheimnis natürlich nur gegenüber Personen, die noch keine Kenntnisse von den bekanntgewordenen Tatsachen hatten.[14] Die Geheimhaltungspflicht besteht aber nur dann, wenn die Offenbarung die Gesellschaft schädigt. Die Schweigepflicht dient grundsätzlich nur dem Schutz der Gesellschaft. Somit tritt die Schweigepflicht zurück, wenn das Interesse der Gesellschaft eine Offenbarung gebietet.[15] Dient die Offenbarung also dazu, das Unternehmen selbst zu entlasten und Schaden von der Gesellschaft – wie z.B. Schadensersatzforderungen durch Kunden – abzuwenden, so ist eine Preisgabe von Informationen von Gesellschaftsseite her zulässig. Eine Weitergabe von gewonnenen Erkenntnissen an geschädigte Dritte kann zudem auch die Compliance des Unternehmens verbessern und die Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden verbessern und dadurch dem Unternehmen selbst dienen. Es ist in solchen Fällen also eine Art Güterabwägung anzustellen.
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Ob das Unternehmen Informationen und Unterlagen tatsächlich an die Geschäftspartner herausgibt, ist immer eine im Einzelfall zu treffende Abwägungsentscheidung.[16] Hierbei ist zum einen zu bedenken, dass den Kunden durch eine Weitergabe von Informationen die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen die Gesellschaft erleichtert werden kann. Andererseits kann ein unkooperatives Verhalten seitens des Unternehmens die Geschäftsbeziehungen zu einem Kunden aber auch erheblich gefährden. Schließlich können aus dem Verschweigen von Informationen gegenüber Geschäftspartnern unter Umständen neue Schadensersatzansprüche erwachsen.
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Da die im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen gewonnenen Informationen originär Firmeneigentum sind, stehen sie zur Disposition des Unternehmens. Das Unternehmen kann mit diesen Unterlagen nach eigenem Ermessen verfahren und somit auch seinen Geschäftspartnern zur Verfügung stellen. Ist eine solche Weitergabe aus Unternehmenssicht geboten, so ist insbesondere auf die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen zu achten. Sofern nicht personenbezogene Daten von Interesse sind, kann eine Anonymisierung von Unterlagen sinnvoll und notwendig sein. Wegen der besonderen datenschutzrechtlichen Anforderungen wird auf das Kapitel zum Datenschutz (12. Kap.) verwiesen.
Anmerkungen
Lösler NZG 2005, 104; Hauschka § 1 Rn. 2; Passarge NZI 2009, 86; Schneider ZIP 2003, 645, 646.
Für die Umfassung der Reaktion durch Compliance Schaupensteiner NZA Beil. 2011, 8, 12; Fleischer NZG 2014, 321, 329; LG München NZG 2014, 345, 347.
Arnold ZGR 2014, 76 (83 f.); Spindler/Stilz/Fleischer § 91 Rn. 57.
Reichert/Ott NZG 2014, 241, 243.
Vgl. Schockenhoff NZG 2015, 409, 410.
So auch Arnold ZGR 2014, 76, 85.
Reichert/Ott NZG 2014, 241, 242.
OLG Düsseldorf AG 2013, 171.
Zu den Voraussetzungen der Inanspruchnahme einer Bonusregelung s. Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – vom 7.3.2006; abrufbar unter: www.bundeskartellamt.de/wDeutsch/download/pdf/Merkblaetter/Merkblaetter_deutsch/06_Bonusregelung.pdf; Potinecke/Gottschalk CB 2015, 444, 446.
Bürgers/Körber/Israel § 76 Rn. 11; Hüffer § 76 Rn. 13.
Inderst/Bannenberg/Poppe/Poppe 7. Kap. Rn. 20.
Bürgers/Körber/Pelz § 404 Rn. 2, § 93 Rn. 47 ff.
Hüffer § 93 Rn. 7.
Bürgers/Körber/Pelz § 404 Rn. 3.
MK-AktG/Hefermehl/Spindler § 93 Rn. 62.
Bürgers/Körber/Pelz § 404 Rn. 5 zur Offenlegung von Informationen im Rahmen der due diligence.
1. Teil Ermittlungen im Unternehmen › 2. Kapitel Gesellschaftsrechtliche Rahmenbedingungen und Beratung der Unternehmensführung › VI. Haftung im Rahmen von unternehmensinternen Untersuchungen
VI.