als Organisationsformen verstanden werden, die das Potenzial haben, die Wirtschaft und das Arbeitsleben zu demokratisieren. Es gibt heute bereits vielerorts selbstorganisierte Kollektivbetriebe, die nach den Prinzipien der Hierarchiefreiheit, Solidarität und Gemeinschaftlichkeit wirtschaften.
Ein wichtiger theoretischer Hintergrund in dieser Hinsicht ist die Idee einer „Alternativen Ökonomie“ bzw. „Solidarischen Ökonomie“. Im Gegensatz zum vorherrschenden privatwirtschaftlich-industriellen Wirtschaftsmodell, das auf Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, befürworten Kollektive kleiner strukturierte, selbstorganisierte Unternehmensformen, die auf gemeinsamem Eigentum und einem egalitären Gehaltssystem basieren. Damit verbunden sind z. B. die Stärkung lokaler Wirtschaftskreisläufe und eines regionalen Absatzmarktes sowie teilweise auch ein Fokus auf umweltfreundliche Produktionsweisen.
Wenn ein Unternehmen statt einem*einer Eigentümer*in allen gehört, wenn alle die Gewinne teilen und die Risiken gemeinsam tragen, wenn Entscheidungsprozesse gleichberechtigt und im Konsens erfolgen – das hat enormes Potenzial.
Ein erfolgreiches Beispiel für die Umsetzung von Solidarischer Ökonomie stellt beispielsweise Brasilien dar. Als Staatssekretär für Solidarische Ökonomie half der Ökonom Paul Singer3 dabei, diese umzusetzen. Nach einer massiven Wirtschaftskrise in den 1980er-Jahren drohten viele privat geführte Unternehmen in Konkurs zu gehen. Indem sie in kollektiv verwaltete Genossenschaften, in denen die Mitarbeiter*innen gleichzeitig Eigentümer*innen sind, überführt wurden, hatten sie eine Chance, zu überleben.
Diese Praxis der Umwandlung von Betrieben in Genossenschaften gibt es nach wie vor, und sie wird von staatlicher und gewerkschaftlicher Seite unterstützt. Dabei stehen die einzelnen Genossenschaften nicht in Konkurrenz, sondern kooperieren miteinander. Zusätzlich wurden zahlreiche Gemeindebanken gegründet, die genauso im Besitz der Einwohner*innen stehen. Mithilfe eigener Währungen wird versucht, das Geld in regionalen Wirtschaftskreisläufen zu halten. Das Beispiel von Brasilien zeigt, dass eine solche Herangehensweise eine große Chance zur Bekämpfung von Armut bietet.
Teilen, verschenken, weitergeben – statt verschwenden: die Sharing Economy
Im Allgemeinen steigt die Zahl von solidarisch motivierten Projekten und Initiativen der sogenannten „Sharing Economy“ in den letzten Jahren erfreulicherweise enorm an. Tauschbörsen und sogenannte „Umsonstläden“ ermöglichen es, fernab eines Gedankens der Profitmaximierung, dass Menschen ihre nicht mehr benötigten Gegenstände abgeben und andere darin wiederum Nützliches für sich entdecken können. Das hat den zusätzlichen Effekt, dass einem Überkonsum und einer Verschwendung entgegengewirkt werden kann.
Auf einem ähnlichen Prinzip beruht das „Foodsharing“, bei dem nicht mehr gebrauchte Lebensmittel getauscht und weitergegeben werden. Einen Kooperationsgedanken verfolgen auch Projekte der „Solidarischen Landwirtschaft“, in denen sich Abnehmer*innen schon im Vorhinein finanziell beteiligen, sodass der Unterhalt der Produzent*innen gesichert ist (auch wir haben das einmal probiert – schau auf Seite 123). In „FoodCoops“ werden kollektiv und selbstverwaltet Lebensmittel für eine größere Gemeinschaft beschafft, oft in Kooperation mit lokalen Landwirtschaftsbetrieben oder Gemeinschaftsgärten (eine solche haben wir auch bei uns zuhause initiiert – mehr dazu erfährst du auf Seite 252). Das sind allesamt enorm wichtige und zukunftsweisende Projekte. Wir laden alle dazu ein, in solche Kooperativen hineinzuschnuppern, sich an dem einen oder anderen Projekt zu beteiligen. Du wirst sehen: Es macht Spaß, sich mit anderen zu vernetzen, deine Wertschätzung gegenüber Lebensmitteln wird spürbar ansteigen. Und nicht zuletzt macht es auch glücklich, zu wissen, woher diese stammen, und einen Beitrag für die Umwelt geleistet zu haben.
› Gemeinsam geht alles besser.
Lass uns zusammenziehen: kollektives Wohnen
Eine besondere Form des Kollektivs möchten wir hier natürlich ebenfalls noch vorstellen: das kollektive Wohnen. Der Gedanke, unabhängig von familiären oder religiösen Banden gemeinsam zu wohnen, ist noch nicht so alt.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben sich die Biographien der Menschen signifikant verändert, vor allem, da sich die Ausbildungsphase zunehmend verlängerte. Und was macht mensch als erwachsener Mensch ohne festes Einkommen? Genau: Mensch macht sich auf die Suche nach einer (kostengünstigen) Wohngemeinschaft (WG). Während sich WGs vor allem im studentischen Milieu seit den 1960er- und 1970er-Jahren immer mehr etablierten, gibt es heute alle möglichen Formen des Zusammenlebens unter einem Dach. Menschen können sich aus unterschiedlichsten Gründen dazu entscheiden, gemeinsam zu wohnen. Als spezifische Formen können das Generationenwohnen, Senioren-WGs, betreutes Wohnen für Menschen mit besonderen Bedürfnissen oder auch sozialpädagogische Wohngemeinschaften genannt werden.
Abgesehen von der unterschiedlichen Zusammensetzung der Bewohner*innen unterscheiden sich solche WGs ansonsten meist nicht von „klassischen“ Wohn- bzw. Mietverhältnissen. Soll heißen: Es gibt eine Wohnung oder ein Haus, das bestimmten Eigentümer*innen gehört, die den Wohnraum wiederum an die Bewohner*innen zur Miete oder zum Kauf stellen. Was aber wäre, wenn sich auch hier die Besitzverhältnisse ändern würden?
Wenig Platz, hohe Kosten: die Auswüchse des heutigen Immobilienmarktes
Wohnraum ist begrenzt, das Bevölkerungswachstum hält an. Wohnungsmieten und Baukosten steigen. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist erschreckend: auf der einen Seite tausendfach leerstehende Wohnungen, auf der anderen Seite kostspielige Immobilienprojekte (in die sich noch dazu häufig spekulative Investor*innen einbringen), durch die der Wohnraum immer weiter verknappt wird und die später zu unvorstellbaren Preisen feilgeboten werden. Wo bleibt das leistbare Wohnen, wo bleiben Einschränkungen seitens der Stadt- und Gemeindepolitik?
Daneben findet eine zunehmende Anonymisierung in den wachsenden (Groß-)Städten statt. Immer mehr Menschen leben (unfreiwillig) in Singlehaushalten, was psychische Erkrankungen und Vereinsamung begünstigen kann.
Für ein solidarisches und selbstbestimmtes Miteinander: gemeinschaftliche Wohnprojekte
Inmitten dieser Entwicklungen wird der Ruf nach alternativen und gemeinschaftlichen Wohnprojekten laut. Und solche entstehen in den letzten Jahren immer mehr. Dabei unterscheiden sich die Modelle je nach Finanzierung, Einbringung des*der Einzelnen in das Projekt sowie die grundsätzliche Ausrichtung.
Als Überbegriffe werden häufig „Gemeinschaftliches Wohnprojekt“ oder Cohousing verwendet. Im Vordergrund dabei steht die Idee, Wohnraum möglichst nachbarschaftlich zu gestalten, zahlreiche Orte der Begegnung zu schaffen und vor allem: ihn selbst zu verwalten. Dahinter steht eine Interessengruppe von Bewohner*innen, die meist schon vor dem Bezug der neu oder umzubauenden oder zu sanierenden Räumlichkeiten existiert und die gemeinsame Zielvorstellungen formuliert. Die Gruppe wirkt partizipativ in der Planung und Umsetzung mit, z. B. als Bauherrengemeinschaft (mehr dazu in den folgenden Absätzen) oder in Kooperation mit Bauträgern oder Genossenschaften.
Wir gestalten mit: partizipative Planung und Umsetzung
Wie genau das Wohnprojekt entsteht, hängt davon ab, ob sich die künftigen Bewohner*innen als Eigentümer*innen zusammenschließen oder ob das Projekt mithilfe einer Dachorganisation für solidarisches Wohnen, wie beispielsweise in Deutschland dem Mietshäusersyndikat oder in Österreich dem Kollektiv habiTAT, umgesetzt wird.
In ersterem Fall spricht mensch auch von einer „Bauherrengemeinschaft“ oder „Baugemeinschaft“, da die künftigen Bewohner*innen als Bauherren und -frauen die Gestaltung von Anfang an maßgeblich beeinflussen. Ihre Wünsche und Interessen fließen in die Planung, in den Bau oder die Sanierung des Gebäudes mit ein. So kann z. B. auch durch Initiative der Gemeinschaft