Hofkollektiv Wieserhoisl

Einfach alles teilen?


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über mehrere Jahre hinweg Veranstaltungen zu diesem Thema organisiert. Wir tauschten uns regelmäßig über unsere Ideen und Träume aus. Und es rückte immer näher: Eine Gruppe von Freund*innen hatte sich bereits zusammengetan und suchte aktiv nach Bauernhöfen, die sie gemeinsam beziehen könnte.

      Ein Aussteiger*innendasein zu führen, abgekapselt von der Außenwelt, nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen, war nie unser Bestreben. Im Gegenteil: Wir wollten damit etwas bewegen. Wir wollten unsere eigenen Ideen umsetzen, um den vielfältigen Missständen dieser Welt entgegenzuwirken. Wir wollten aktiv mitgestalten, Lösungen finden: für eine nachhaltige Gesellschaft, ein friedliches Miteinander, eine Welt ohne Ausbeutung. Mit Respekt vor der Natur die natürlichen begrenzten Ressourcen schonen. Wir wollten ein Leben, in dem unser Tun nachvollziehbar ist. Sinnerfüllt. Uns befreien aus der Ohnmacht gegenüber den vielen Problemen der Welt.

      Wo alles anfing: Studienzeit und erste Erfahrungen mit der Selbstorganisation

      Als Ursprungsort unserer Gemeinschaft können wir die Universität für Bodenkultur in Wien (BOKU) festlegen. Dort haben wir uns kennengelernt, Freundschaften geschlossen, saßen nebeneinander im Hörsaal. Es war eine unbeschwerte Zeit, vor uns breitete sich die Zukunft aus, mit einer Fülle an Möglichkeiten.

      Und dort hatten wir uns zum ersten Mal ernsthaft über die Möglichkeit des Zusammenlebens unterhalten. Auf Veranstaltungen, bei lebhaften nächtlichen Diskussionen am Küchentisch in unseren WGs haben wir schnell herausgefunden, dass wir ähnliche Meinungen, Gesinnungen, Perspektiven haben. Wir wollten mit unseren Händen arbeiten, uns am liebsten gar nichts vorschreiben lassen, und wir wollten einen Beitrag für eine fairere, zukunftsfähige Welt leisten.

      Einige von uns wurden in Gemeinschaftsgärten tätig. Einige engagierten sich in der Österreichischen Hochschüler*innenschaft (ÖH). Zudem waren wir im Tüwi aktiv, einem Kulturverein, der im Türkenwirt-Gebäude der BOKU angesiedelt war und in dem wir uns am selbstverwalteten studentischen „Beisl“ (einem kleinem Lokal) beteiligten und immer wieder Veranstaltungen mitorganisierten. So hatten wir gelernt, wie mensch als Kollektiv tolle Projekte umsetzen kann.

      Seither sind schon so viele Jahre vergangen, und es hat sich so ziemlich alles verändert, dass in meiner Erinnerung damals alles so einfach schien. Wenn ich auch weiß, dass wir mit großen Herausforderungen konfrontiert waren: Die Freude darüber, dass wir die Möglichkeit hatten, einen Bauernhof als Gruppe zu beziehen, und die Motivation dafür, ein Leben abseits der Trampelpfade ausprobieren zu können, hatten eine unglaubliche Kraft.

      Endlich: Das Kollektiv nimmt Formen an

      Und auch ganz konkret begannen wir, uns mit den Möglichkeiten des Zusammenlebens auseinanderzusetzen.

      Wir waren seit 2004 mit der österreichischen Gemeinschaft von Longo maï (für nähere Infos dazu schau auf Seite 45) befreundet, mit der wir in regem Austausch standen. Von den Kollektivmitgliedern sowie auf anderen Höfen und bei Praktika hatten wir wichtige Methoden für und Herangehensweisen an die Landwirtschaft gelernt. In der Folge lehnten wir uns in unserem Kollektiv teilweise an ihr organisatorisches System an und adaptierten beispielsweise ihre Idee der gemeinsamen Ökonomie oder der aufgeteilten Hausarbeit. Und auch sonst beschäftigten wir uns mit dem Konzept des kollektiven Lebens und hatten so weitere inspirierende Ideen von anderen Gemeinschaften außerhalb von Österreich im Kopf.

      Ein Handbuch dazu, wie mensch ein Kollektiv startet und wie das dann funktionieren sollte, gab es nicht. Und die vorhandene Literatur zum Leben in Gemeinschaften half nur teilweise. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch keine anderen Gruppen, die im Begriff waren, ein Kollektiv am Land zu gründen, so wie wir. Es war an der Zeit, dass wir es selbst in die Hand nahmen und unser eigenes Kollektiv so gestalteten, wie wir es wollten. Nach unseren Bedürfnissen und unseren eigenen Vorstellungen.

      In unserer Zeit im Tüwi hatten wir bereits Erfahrung mit dem organisatorischen Tool des basisdemokratischen Plenums gesammelt. Die Idee dahinter: Besprechungspunkte und Anliegen, die die Gemeinschaft betreffen, werden so lange besprochen, bis sie einstimmig, im Konsens, entschieden werden können (wie genau das Plenum bei uns abläuft und wie wir die Kommunikation für unser Kollektiv adaptiert haben, erfährst du ab Seite 159). Und: Wir hatten eine vage Idee davon, dass das System einer gemeinsamen Ökonomie sinnvoll wäre. Vor allem mit dem Hintergedanken, dass alle Tätigkeiten, die eine Gemeinschaft braucht, als gleich wertvoll gesehen werden sollen.

      Außer unseren Überzeugungen und unserer bisher gesammelten Erfahrung brachten wir damals nichts mit ins gemeinschaftliche Leben. Wir hatten kein Geld. Wir hatten keine fixen Jobs. Wir hatten keine landwirtschaftlichen Geräte, nicht einmal richtiges Gartenwerkzeug. Aber all das konnte uns nicht aufhalten. Wir improvisierten. Borgten uns Geräte aus, versuchten, alte zu reparieren.

      Auf der Suche nach einem Wohnort für alle

      Aber spulen wir noch einmal zurück: Wie haben wir zu unserer Bleibe gefunden? Den Hof, den wir heute bewohnen, kannte ich bereits aus Kindertagen, als noch die ursprünglichen Besitzer*innen dort lebten und eine Buschenschank betrieben. Noch heute erzählen viele vorbeikommende Wanderer*innen vom lustigen Beisammensein am Wieserhoisl. Ende der 1990er-Jahre wurde mein Vater durch eine Bürgschaft, die er für den Hofbesitzer gemeinsam mit einem Kollegen übernommen hatte, zum Eigentümer der Hälfte der Liegenschaft.

      Während meines Landwirtschaft-Studiums stand die Frage immer wieder im Raum, ob ich nicht diesen Hof übernehmen könnte. Doch das lag damals noch in weiter Ferne für mich. Außerdem hatte sich eine neue Familie hier niedergelassen, die den Hof bewirtschaftete und Pläne für die Zukunft schmiedete. Ich selbst hatte nie wirklich an die Übernahme dieses Hofes gedacht. Das war immer nur so im Scherz gesagt.

Illustration

      › Auch bei den Renovierungsarbeiten legten wir natürlich selbst Hand an.

      Wir packen unsere Koffer …

      Dann kam der Tag, an dem ich meinen Vater nach langer Zeit wieder einmal fragte, was denn mit diesem Hof da oben überhaupt los sei. Das war im Jänner 2006. Da habe ich erfahren, dass die Familie, die den Hof bewohnte, ihn verlassen hatte. Und dann ging es plötzlich ums Ganze. Als sich immer stärker herauskristallisierte, dass unser Traum Wirklichkeit werden würde, stellte sich die alles entscheidende Frage: Wer ist bereit für dieses Abenteuer? Für wie viele Leute gibt es überhaupt Platz auf diesem Hof, der unser neues Zuhause werden soll? Wer ist entschlossen, bis Mitte des Jahres seine*ihre Sachen zu packen und in ein neues Leben zu starten?

      Als wir dann an diesem ganz besonderen Tag den Schlüssel in die Hand gedrückt bekamen, zu diesem Zeitpunkt, in den unsere monatelange Planung und Vorbereitung gemündet sind, waren wir erfüllt von Freude und Aufregung. Es war ein ganz besonderer Moment, mit den Schlüsseln in der Hand hier anzukommen! Yes, das wird unser Schaffensort für die nächsten Jahre!

      Die vorher noch vagen Ideen und die Träume konnten konkrete Formen annehmen, als wir wussten, dass wir einen Platz zum Ausprobieren hatten. Dass auch Hürden und Herausforderungen auf uns zukommen würden, kümmerte uns in diesem Augenblick noch nicht. Wir waren voller Tatendrang und großer Motivation, unsere über Jahre gereifte Vorstellung von einem Leben am Land im Kollektiv in die Praxis umsetzen zu können. Es war eine unglaublich aufregende und spannende Zeit!

      Angekommen am Wieserhoisl: Los geht’s – mit Aufräumaktionen und Gruppenbildung

      Und da war er nun: der Wieserhoisl-Hof. Komplett zugewachsen, versteckt hinter (gefühlt) meterhohem Gras, vollgestellt mit Gerümpel.

      Brennnesseln wuchsen bis vor die Haustür. Und manche Plätze sahen so aus, als wären sie ganz