Bruno Hoppe

Bruno, der Schatzsucher


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war groß, hatten sie doch Jahre aufeinander gewartet, um eine neue und bessere Zukunft gestalten zu können. Einige Monate verbrachten sie dann noch gemeinsam in Elisabethbucht, bevor sie in das neue Holzhaus in Kolmanskuppe einziehen konnten. Die Wohnhäuser der Minenarbeiter wurden alle mit schönen, neuen Möbeln von der Diamantengesellschaft eingerichtet. Horst wurde gleich in die Schule von Kolmanskuppe eingeschult und ich wurde dort am 21. 06. 1931 im Krankenhaus geboren.

      Mutter lebte sich schnell in der neuen Umgebung ein, denn aus Kolmanskuppe war ein sehr kultiviertes Minen-Städtchen mit allem Drum und Dran geworden. Zeitweise galt es sogar als die reichste Stadt Afrikas, es verfügte über Kino, Kegelbahn, Tanzsaal, Turnhalle und sogar eine Eisfabrik. Jede Familie erhielt täglich eine halbe Stange Wassereis für den Kühlschrank. Sogar die erste Röntgenanlage auf der südlichen Halbkugel wurde ins Krankenhaus nach Kolmanskuppe geliefert. Wie alle dort verdiente Vater in der Zeit recht gut und die Gemeinschaft aus fast dreihundert Erwachsenen und etwa vierzig Kindern führte trotz der widrigen Umgebung, inmitten von Sandstürmen und gnadenloser Hitze, ein recht vergnügliches und luxuriöses Leben

      Für mich war es eine schöne Kindheit. Meine damaligen zwei kleinen Freunde und ich hatten den größten Sandspielplatz der Welt und wir bauten darin, was man sich als Kind nur vorstellen kann. Während mein Bruder Horst die Schulbank drücken musste, liefen wir überall herum und stellten so manchen Unfug an.

      Kolmanskuppe verfügte über ein kleines Schienennetz, um Waren leichter über die Sanddünen transportieren zu können. Der Schienenkontrolleur benutzte eine Schiebetrollie, um die Schienen regelmäßig vom Sand zu befreien und zu warten. Diese Trollie stand oft unbenutzt und unbeaufsichtigt auf den Gleisen und bot uns ein gutes Klettergerüst und Spielzeug. Wir schoben die Trollie zur Zentral-Wäscherei, der Diamantenwaschanlage am Hang, dort gaben wir ihr einen Schubs, sprangen schnell auf und dann ging es in rasender Fahrt bergab. Dieses Spiel trieben wir tagelang, bis die Zeit uns eines Tages einen Streich spielte. Die Lokomotive mit Frachtwaggons aus Lüderitz kam auf den Hauptgleisen angedampft und die Weichen waren inzwischen umgestellt worden. Als ich bemerkte, dass wir nun den falschen Weg einschlugen, schnappte ich mir die Eisenstange, die wir benutzten, um uns bei der Abfahrt abzustoßen und in Fahrt zu bringen, und warf diese vor den rasenden Trollie. Alles entgleiste und wir drei flogen in hohem Bogen durch die Luft. Einer hatte den Arm gebrochen, der andere hatte ein Loch im Kopf, nur ich kam, zumindest vorerst, glimpflich davon mit ein paar Schrammen und blauen Flecken. Der Lokomotivführer, der das alles beobachtet hatte, berichtete sofort bei der Werkstatt über das Unglück und Vater versohlte mir Knirps ordentlich den Hintern. Dies war dann leider das Ende unserer Schienentrollie-Abenteuer.

      Dann wurde Mutter krank und konnte sich gar nicht wieder recht erholen. Der Arzt der Gemeinde von Kolmanskuppe, Dr. Krenzel, empfahl, dass sie sich ins Sanatorium nach Deutschland begeben sollte, um sich auszukurieren.

      1935 fing man langsam an, die Minenstadt Kolmanskuppe nach Oranjemund, ganz im Süden des Landes, umzusiedeln. Dort hatte man bereits 1929 noch größere Diamanten entdeckt. Auch unsere Familie sollte in absehbarer Zeit nach Oranjemund folgen. Die Eltern beschlossen, dass Mutter, Horst und ich erst einmal nach Deutschland fahren sollten, bis es auch für uns Zeit war, Kolmanskuppe zu verlassen. Vater dachte, nach nun fast acht Jahren Tätigkeit für die Diamantengesellschaft und da die Zukunft in der Branche recht ungewiss erschien, über eine Rückkehr nach Deutschland nach. Überhaupt waren die Zeiten inzwischen nicht mehr ganz so rosig und nicht zuletzt hingen diese Überlegungen auch mit Mutters angeschlagener Gesundheit zusammen. So sollte sie dann auch in der Zeit, die sie und wir Kinder in der alten Heimat verbrachten, einmal die Fühler ausstrecken, ob sie dort einen Platz und auch Arbeitsmöglichkeiten für die Familie sah.

      Während Mutter mit den Reisevorbereitungen begann, hatten meine Freunde und ich noch eine schöne Spielzeit, vor allem an der Abrissstelle der Zentral-Wäscherei, wo wir prima klettern und rumturnen konnten.

      Eines Vormittags spielten wir im Sand, ziemlich weit vom Haus entfernt. Ich fand einen schönen Stein. Blank blitzte er in meiner Hand und spiegelte das Sonnenlicht wider. Ich steckte ihn in meine Hosentasche und wir spielten weiter. Abends, als Vater nach Hause kam, zeigte ich ihm ganz stolz meinen Fund. Vater nahm den Stein und betrachtete ihn lange. Dann sagte er, etwas blass im Gesicht geworden: „Junge, das ist nichts, so was findest du überall!“ Er ging zum Fenster und warf meinen schönen Stein in einem hohen Bogen in den Dünensand hinaus.

      Es hatte sich wohl um einen recht großen Diamanten gehandelt, aber, was ich damals nicht wusste: Niemand, der für die Gesellschaft arbeitete, durfte jemals im Besitz von Diamanten sein. Dies wurde hoch mit Gefängnis und Entlassung bestraft.

      Mein Schicksal wurde wohl durch diese Begebenheit nachhaltig geprägt. Die Freunde und ich suchten noch tagelang nach dem Stein, haben ihn aber niemals wiedergefunden. Und den Rest meines Lebens sollte ich von nun an immer wieder mit dem Suchen nach Steinen, Mineralien und anderen Schätzen verbringen. Es war mir von Stunde an ins Blut übergegangen.

      Die Zeit kam, um Abschied zu nehmen. Mutter, Horst und ich befanden uns auf dem Dampfer nach Deutschland. Meine liebste Beschäftigung bestand darin, den Matrosen beim Anstreichen des Schiffes zu helfen. So war meine Wäsche immer voller Farbkleckse. Damit Mutter nicht schimpfte, wuschen die Matrosen mir regelmäßig Hemd und Hose. Die lange Zeit der Überfahrt verging so wie im Fluge.

      Tante Emma, Vaters Schwester, und ihr Mann Onkel Georg holten uns am Hamburger Hafen ab. Da sie keine eigenen Kinder hatten, nahmen sie uns gerne bei sich auf. Horst wurde in Berlin eingeschult und ich war die meiste Zeit mit Onkel Georg zusammen. In den zehn Monaten, die wir in Deutschland verbrachten, nahm er mich überall mit hin, während sich unsere Mutter langsam im Sanatorium erholte.

      Die politische Situation, vor allem in Berlin, wurde jedoch immer angespannter. Die Nationalsozialisten hatten drei Jahre zuvor die Macht übernommen. Zwar unterstützte ein großer Teil der Bevölkerung diese neue Diktatur, aber viele andersdenkende Menschen trauten sich nicht mehr auf die Straße, da sie mit Strafe und Repressalien rechnen mussten. Abweichende politische Meinungen wurden nur noch hinter vorgehaltener Hand geäußert oder lieber gar nicht mehr. Private Briefe wurden geöffnet, kontrolliert und zensiert. Dies betraf auch besonders den Briefwechsel aus den ehemaligen deutschen Kolonien, da diese nun direkt oder indirekt unter britischer Verwaltung standen.

      Trotz der damals stattfindenden Olympischen Spiele in einem Berlin voller Euphorie spürte Mutter die unterschwellig sehr bedrückte Stimmung in der Bevölkerung. Ihre Entscheidung bezüglich einer Rückkehr der Familie nach Deutschland war ein klares Nein. Nachdem sie wieder ganz gesund war, schrieb sie an Vater: „Kartoffeln schälen habe ich in Deutschland als junge Frau gelernt, das brauch ich nun nicht mehr zu erlernen.“ Vater verstand diesen Hinweis richtig und organisierte gleich für Mutter und mich die Rückfahrt nach Afrika. Nur mein Bruder Horst blieb vorerst in Deutschland bei Onkel und Tante, um die Schule zu beenden.

      Nach unserer Rückkehr nach Südwestafrika Ende 1936 blieben wir nur noch kurz in Kolmanskuppe und siedelten dann über nach Oranjemund. An der Grenze zu Südafrika mündet dort der große Oranje-Fluss in den Atlantik. Im Gegensatz zu fast allen anderen Flüssen im Land führt er beständig Wasser mitten durch die Namib-Wüste und hat im Laufe vieler Jahrmillionen reiche Diamantenvorkommen ins Meer und an die südliche Küste gespült. In der Zwischenzeit waren unsere Häuser mitsamt Möbeln nach Oranjemund gebracht worden und so zogen wir neu in unser altes deutsches Holzhaus in Oranjemund ein.

      Anmerkung: Kolmanskuppe und das alte Elisabethbucht sind heute Geisterstädte, die man nur noch als Tourist erleben kann. Die verlassenen Gebäude von Elisabethbucht sind durch Sandstürme und die salzige Luft des Atlantiks wabenartig zerfressen. Sie stehen zum Teil noch als bizarre Ruinen an der Küste des heutigen Namibias. Sofern sie nicht für Besichtigungen teilweise wiederhergerichtet wurden, werden die übriggebliebenen Gebäude von Kolmanskuppe und alles andere, was dort einfach von den Bewohnern zurückgelassen wurde, allmählich von den Dünen der Namib zugedeckt und begraben.

      Aus Oranjemund schickten meine Eltern monatlich Geld nach Deutschland um für Kost und Logis für meinen Bruder aufzukommen. Unser südafrikanisches Geld war sehr viel mehr wert als die Deutsche Mark und so profitierten auch Onkel Georg und Tante Emma.

      Es gab hier