Bruno Hoppe

Bruno, der Schatzsucher


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stank mir diese Arbeit manchmal sehr, was ich auch öfter kundtat, aber jeder hatte seine Aufgabe, die es zu erfüllen galt. Vormittags, wenn ich in der Schule war und Vater bei der Arbeit, trug Mutter oft das Wasser. Sie versuchte, mich zu entlasten und füllte so manches Mal den Tank für mich. Ich schämte mich dann, wenn der Tank mittags bereits voll war. Es ist mir bis heute ein Rätsel, wie sie so viel laufen konnte. Ihre Eimer waren dazu auch noch größer und entsprechend schwerer. In den Ferien machte ich es wieder gut und sorgte dafür, dass der Tank immer voll war.

      Vater besorgte eine Flügel-Handpumpe. Auf der Müllkippe holten wir Fünfundzwanzig-Millimeter-Stahlrohre, die die Hansa-Brauerei ausrangiert hatte. Wir bogen die Rohre gerade und so wurde endlich eine Wasserleitung gelegt. Man musste also fortan nur noch zum Brunnen gehen und pumpen. Die lästige Tragerei hatte zum Glück ein Ende. Vater stellte noch einen kleinen Windmotor über der Pumpe auf. Wenn der Wind blies, lief der Tank sogar über. Mutter legte nun einen Garten an und pflanzte Gemüse für den Hausgebrauch.

      Mein Schulfreund Kurt war in Otavi zu Hause, im Nordosten des Landes. Seine Eltern hatten dort eine Farm. Kurt war in Swakopmund im Schülerheim, aber auch in den zehntägigen Ferien konnte er aufgrund der Entfernung nicht nach Hause. Er wohnte dann immer, bis zum Ende der Ferienzeit, bei uns. Schnell erledigten wir unsere tägliche Ferienarbeit auf der Kleinsiedlung und dann stromerten wir in der Gegend herum, vor allem gingen wir Onkel Pepi auf die Nerven.

      1941, inzwischen herrschte seit fast zwei Jahren Krieg auf der Welt, kam plötzlich die britisch-südafrikanische Polizei und verhaftete Onkel Pepi. Sie nahmen ihn gleich mit, um ihn zu internieren. Später hörten wir dann, dass Pepi und einige seiner Freunde unvorsichtigerweise bei einer Feierlichkeit in Swakopmund nationalsozialistische Lieder gesungen hatten. Er kam, wie viele andere Deutsche aus Südwest, in das Internierungslager Andalusia in Südafrika und wir sahen ihn erst viele Jahre später wieder. Welch ein Schock das für mich und alle anderen aus dem Umfeld war! Sein Vater musste wieder selbst die Milchwirtschaft übernehmen. In dieser Zeit hielten sich meine Eltern auch mit Bekanntschaften in der Nachbarschaft sehr zurück. Es gab damals nur wenige Siedler am Rivier und man musste wirklich sehr vorsichtig sein, was man sagte, um nicht irgendwie angeschwärzt zu werden. Die Zeiten waren schlecht und zwischen den Kleinbauern herrschte große Konkurrenz. So manch einer gönnte dem anderen nicht die Butter auf dem Brot.

      Nur ein Nachbar aus der Umgebung östlich von uns kam oft vorbei. Gustav war jedoch bei der „Home Guard“ und man hatte uns ohnehin gewarnt, dass er immer auf seinen Vorteil bedacht war und außerdem eine sehr eigene Rechtsauffassung besaß. Also mussten wir auch ihm gegenüber vorsichtig sein. Später haben wir ihn dann noch viel besser kennengelernt und es hat sich bestätigt, dass „Onkel“ Gustav es nicht immer so genau nahm mit dem Recht und der Wahrheit.

      Er baute größere Mengen Gemüse an und schickte diese unter anderem auch nach Oranjemund, per Zugwaggon. Beim Transport ihrer Erzeugnisse von den beiden Eisenbahnstationen Nonidas und Rössing aus mussten die Siedler dann doch zusammenarbeiten, um die hohen Frachtkosten zu teilen.

      Ich machte Bekanntschaft mit einem jungen Mann namens Billy King. Er war Mechaniker bei der Eisenbahn und pumpte das Wasser per Zentrifugalpumpe mit einem Petter-Motor nach Nonidas, wo es dann in großen Tanks gechlort und in die Dampflokomotiven gefüllt wurde. Billy war ein Engländer, wie er im Buche stand und sprach auch ausschließlich Englisch. Außerdem war er Junggeselle und fast zwanzig Jahre älter als ich, aber wir wurden die besten Freunde oder „Pellies“, wie man in Südwest sagt.

      Herr Schieri-Lartz, Pepis Vater, verkaufte meinen Eltern zwei Kühe, Auguste und Louise. So hatten wir nun auch immer eigene Milch, Quark und Butter. Auch Vaters Qualifikationen als Schlosser hatten sich rumgesprochen und nach und nach fingen die Siedler an, ihre kaputten Motoren und Geräte zu ihm zu bringen, damit er diese nach Feierabend reparierte. Bezahlt wurde meist mit Gemüse, Eiern oder anderen nützlichen Dingen.

      Ich bekam auch ein neues Fahrrad, ein Phillips, und Vater erwartete, dass dieses bis zum Ende der Schulzeit hielt. Wenn etwas kaputt ging, was aufgrund der strapaziösen Fahrten, die ich machen musste, nicht gerade selten vorkam, musste ich auf irgendeine Art einen Plan machen. Es war sehr schwierig, während des Krieges Ersatzteile zu bekommen. Wann immer ich einen neuen Mantel, Schlauch oder eine Kette für mein Fahrrad brauchte, half mir Herbert, ein Damara, der bei der Woermann & Brock-Handelskette Transportfahrer war. Er war berufsbedingt im ganzen Land unterwegs und konnte mir meistens das Nötigste besorgen. Da Südwest ja unter südafrikanischer Verwaltung stand, Südafrika wiederum britisch war, hatten wir natürlich auch deren Währung. Ich bezahlte Herbert also zehn Schilling für ein Ersatzteil und ein Pfund Kommission ging dann jeweils in seine Tasche. Wie und woher die Teile kamen, wurde lieber nicht gefragt. Auch Benzin war inzwischen rationiert und gab es nur noch über zugeteilte Coupons. Vater war froh, dass er das sparsame Miele-Motorrad hatte. Mit den Benzincoupons und auch mit Öl wurden in der Zeit die schönsten Tauschgeschäfte gemacht.

      Im Oktober und November 1941, immer wenn ich von der Schule kam, konnte ich beobachten, wie sich prächtige Kumuluswolken im Inland aufbauten. Riesige Wolkentürme, die sich scharf vom blauen Wüstenhimmel abgrenzten, sah man am fernen Horizont. Dann, Anfang Dezember, kam eines Tages das Swakop Rivier ab. So heisst es, wenn sich die Trockenflüsse mit Wasser füllen, meist in Form von reissenden Fluten. Dass der Fluss wirklich vorstieß bis ins Meer, war ein sehr seltenes Schauspiel und höchstens alle paar Jahre oder sogar Jahrzehnte mal zu beobachten. Meistens war das Spektakel dann auch nach wenigen Tagen wieder vorbei. Das Flussbett des Swakop ist in der Nähe der Mündung sehr breit und das Wasser lief zuerst auf der gegenüberliegenden Seite der Kleinsiedlungen. Wir dachten, dass es eigentlich nichts zu befürchten gab, vor allem was unseren Brunnen, der viel tiefer als das Haus lag, betraf. In diesem Jahr jedoch führte der Fluss schon einige Wochen Wasser und der Pegel stieg langsam höher und höher. Der Strom wurde immer breiter und dann waren es nur noch wenige Meter bis zum Brunnen. Den Windmotor bauten Vater und ich vorsorglich ab und so wurde in den nächsten Wochen wieder mit der Hand gepumpt, Mutter vormittags und ich nachmittags, und auch Vater – je nachdem, wie er Schicht hatte.

      Wir hielten den Haustank immer ganz voll und stellten weitere Fässer auf, die wir ebenfalls immer füllten, für den Fall, dass wir auch die Pumpe noch abbauen mussten.

      Dann, am ersten März 1942, Vater hatte Nachtschicht gehabt und schlief, sah ich wieder, während ich von der Schule kam, ganz dicke, bedrohliche Wolkenberge am Horizont. Die Strömung hatte allerdings etwas nachgelassen. Ich ging zur Pumpe, pumpte alles voll und hörte, wie Mutter mich zum Essen rief. Irgendein Gefühl sagte mir: „Nimm die Pumpe mit!“ So schleppte ich sie mit zum Haus, woraufhin Mutter schimpfte: „Was machst du uns für unnötige Arbeit?“ Ich sagte: „Ach, morgen kann ich sie ja wieder mit runternehmen.“

      Dann kam Billy mit dem Motorrad und erzählte aufgeregt, dass das Kahn Rivier sehr hoch bei Usakos stand und auch das Swakop Rivier. Der Kahn mündete in den Swakop. Billy hatte, per Telefon der Nonidas-Station, den Auftrag erhalten, die Pumpe der Bahn im Auge zu behalten. Er war noch keine fünf Minuten weg, Mutter und ich standen noch draußen, da kam eine unglaubliche Flutwelle an. Mutter rannte ins Haus, um Vater zu wecken. Ich erschrak ganz fürchterlich, aber der etwas höhergelegte große Garten von Mutter rettete uns. Durch ihn wurde ein Teil der Woge umgeleitet und diese spülte einen Hohlraum davor aus. Ein Teil des Wassers wurde so zurück zur Riviermitte geleitet. Überall um uns war Wasser, Vater wollte das Auto rausfahren – musste zu allem Übel aber erst noch einen Reifen wechseln. Er stand dabei schon bis über die Knöchel im Wasser, schaffte es aber in letzter Minute, das Auto rauszuholen und auf einen nahen Hügel zu fahren. Wir konnten nichts weiter unternehmen, alles, auch unser Haus, stand im Nu unter Wasser. Das Swakop Rivier war weit über die Ufer getreten. Nach nur zwanzig Minuten war der Höchststand erreicht und der Pegel senkte sich wieder.

      Später hörten wir, dass zwei Dämme am Oberlauf des Swakop gebrochen waren, daher die große Flutwelle, die uns überrascht hatte. So gegen halb sieben kam mein Bruder mit ein paar Freunden aus Swakopmund angefahren. Wir räumten das Haus fast leer und stellten alles zum Trocknen in die Fläche. Es wurde bereits dunkel, als alles leergeräumt war. Aber nun wurde die Strömung des Swakop wieder stärker, das Rivier fing an, am Ufer zu sägen. Viel Sand wurde weggeschwemmt und wir befürchteten das Schlimmste. Vorsorglich