Bruno Hoppe

Bruno, der Schatzsucher


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als Aufseher bei der Minengesellschaft eingestellt und musste außerdem den Transport für die Schichtwechsel übernehmen. Um die Arbeiter hin und zurück zu transportieren, wurde ihm ein Chevrolet zur Verfügung gestellt. Der junge Mann wurde ein guter Freund meiner Eltern und so bekam ich zu Onkel Hermann noch einen zweiten väterlichen Freund dazu, Pepi Schierie-Lartz.

      Da ich meistens alleine war und Mutter nicht auf die Nerven fallen wollte, dachte ich mir einen Plan aus. Wenn mein Vater Nachtschicht hatte, kam er früh morgens nach Hause, um sich schlafen zu legen. Ich wollte unbedingt mal mit zum Abbau fahren. Als Vater dann wieder eines Morgens von Onkel Pepi nach Hause gebracht wurde, wartete ich bereits am Tor, in der Hoffnung, dass Onkel Pepi sich auf meine Seite stellen würde. Ich bettelte laut vor Vater und, wie gehofft, kam dann auch prompt von Pepi der Befehl: „Bruno, steig ein!“ Bevor Vater protestieren konnte, kletterte ich schnell hinten auf die Ladefläche. „Bye-bye, Vater, sag Mutti Bescheid. Ich bin jetzt erst mal weg!“ Wir brausten davon. Das Problem, welches Vater jetzt mit Mutter hatte, war ja nicht mehr meines und von da ab fuhr ich öfter mit Onkel Pepi mit.

      Irgendwann ging meine schöne Kinderfreizeit zu Ende. Ich wurde im vierhundert Kilometer entfernten Lüderitzbucht eingeschult und kam ins Schülerheim. Frau Baronin von Krauss war unsere Heimmutter und hütete uns streng, aber doch liebevoll. Wir Kinder aus Oranjemund hatten, trotz der großen Entfernung zu den Eltern, eine schöne Zeit im Schülerheim. Viele deutsche Farmerkinder waren ebenfalls mit uns dort und wir gingen gemeinsam in die Schule. In den Ferien fuhren alle Minenkinder dann mit einem großen Lastwagen den weiten Weg nach Oranjemund zu den Eltern.

      Einmal, während dreiwöchiger Ferien, hatte Vater die Gelegenheit, auf Farm Eirub, der privaten Farm von Herrn Hoerlein, dem Betriebsleiter der Mine, etwas dazuzuverdienen. Er musste die Motoren und Maschinen dort warten und reparieren. Mutter und ich durften mitfahren und so lernten wir das erste Mal ein bisschen Südwester Farmleben kennen. Die Farmen im Süden des Landes waren meist Schaffarmen, die mehrere zehntausend Hektar groß sein konnten. Es regnete hier sehr wenig und die Weide bestand aus recht spärlich bewachsenen, weiten und trockenen Grassavannen. Ideale Bedingungen für die genügsamen Schafe, die zur Fell- und Fleischproduktion gezüchtet wurden. Die Farmer brauchten mitunter mehrere Tage, um ihren Besitz abzufahren und dabei hunderte Schafe zu kontrollieren. Der Absatz ihrer Produkte war zu den meisten Zeiten gut und viele von ihnen waren recht wohlhabend. Allerdings entwickelten sich durch das Einsiedlerdasein auch recht eigensinnige Charaktere unter ihnen. Eirub war eine wunderschöne Farm und ich genoss diese Ferien sehr. Leider ging es viel zu früh wieder ins Schülerheim zurück.

      Onkel Pepi zog dann irgendwann auf die Nonidas-Kleinsiedlung in der Nähe von Swakopmund. Als „Kleinsiedlung“ bezeichnet man eine kleine Farm oder Bauernhof. Dort betrieb sein Vater eine Milchwirtschaft und Pepi stieg mit in den väterlichen Betrieb ein. Diese ersten Kleinsiedlungen lagen einige Kilometer vor der Mündung des Swakop Riviers, dieses großen Trockenflusses aus dem zentralen Inland. Trockenflüsse werden, nach dem afrikaansen Wort für Fluss, „Rivier“ genannt. Die fruchtbaren und grünen Uferbereiche am Swakop boten die einzige Möglichkeit, etwas Landwirtschaft in der weiten Umgebung der Wüste um Swakopmund herum zu betreiben.

      Die politische Stimmung kippte auch hier plötzlich. 1938 teilte man meinem Vater mit, dass er sich naturalisieren lassen müsse, um ein „british subject“ zu werden, andernfalls würde man ihm die Kündigung nahelegen. Dies bedeutete, dass er seine deutsche Staatsbürgerschaft abgeben und dafür die südafrikanische annehmen sollte. Vater war Reichsdeutscher und sprach weder das landesübliche Afrikaans noch Englisch, auch fühlte er sich nach wie vor der deutschen Kultur eng verbunden, so dass er sich zu diesem einschneidenden Schritt nicht durchringen konnte. Wir verließen also CDM und Oranjemund.

      Onkel Hermann hatte sich naturalisieren lassen und blieb bei der Mine angestellt. Trotz der nun folgenden unsicheren Zukunft stand für Mutter eines fest und sie sagte zu Vater: „Alles kann ich mir vorstellen, nur nach Deutschland gehen wir nicht!“ Während des Sanatorium-Aufenthaltes in Berlin war ihr nämlich unmissverständlich klar geworden, dass bald Krieg in Europa kommen würde.

      Vater kaufte uns in Keetmanshoop ein Auto, einen Nash Lafayette, der uns noch über viele Jahre gute Dienste leisten sollte. Möbel hatten wir keine, da diese ja der Minengesellschaft gehörten. Ohnehin durfte man als Angestellter bei CDM keine eigenen Möbel besitzen, da man ja sonst darin, bei einem Umzug, gut ein paar Steinchen hätte verstecken können.

      Zunächst reparierte mein Vater bei einem Herrn Doktor Mehl auf Farm Guinas bei Maltahöhe Motoren und Pumpen. Dann, obwohl wir Deutsche waren und Vater die Landessprache nicht beherrschte, bekam er eine Anstellung als Reparaturschlosser bei der Eisenbahn in Usakos. Usakos lag an der Bahnstrecke Richtung Swakopmund und ich ging dann dort zur Schule. Wir wohnten in einem schönen, großen Steinhaus, welches meine Eltern von einem Herrn Hoffmann mieteten. Herr Hoffmann war der Tischlermeister von Usakos und fertigte uns endlich eigene Möbel an.

      Das erste Jahr in Usakos ging schnell vorüber. Mitte 1939, während der Ferien, als wir Onkel Pepi auf Nonidas besuchten, kehrte auch endlich mein Bruder Horst wieder heim und wir holten ihn vom Schiff in Walfischbucht ab. Gerade noch rechtzeitig, denn kurz darauf brach der Zweite Weltkrieg in Europa aus, er hätte eine Rückkehr für ihn unmöglich gemacht. Und Vater musste nun schon wieder kündigen, weil er Reichsdeutscher war.

      2. Kapitel

      Swakopmund und die Kleinsiedlung

      Wir zogen erst mal zu Onkel Pepi nach Nonidas, zehn Kilometer außerhalb von Swakopmund, wo heute die gleichnamige Burg steht.

      Vater bekam dann eine Anstellung in Swakopmund bei der Firma Woermann & Brock, die zu der Zeit auch das Elektrizitätswerk betrieb. Sie suchten einen Maschinisten, der die Generatoren zur Stromerzeugung wartete. Dies bedeutete wieder Schichtdienst für Vater. Ich wurde nun nach Swakopmund umgeschult, bekam ein Fahrrad und musste von der Kleinsiedlung zur Schule in die Stadt radeln.

      Inzwischen schrieben wir das Jahr 1940, ich war neun Jahre alt geworden und täglich fuhr ich mit meinem Rad zehn Kilometer zur Schule hin und auch wieder zurück. Die Fahrstraße nach Swakopmund war eine gehobelte Schotterpiste. Da sie nicht ganz gerade verlief, fuhr ich mir einen eigenen Radweg ein, um so viele Meter wie möglich abzukürzen. Horst bekam eine Klempner-Lehrstelle bei Franz Boost in Swakopmund. Zunächst fuhr auch er noch mit dem Fahrrad, bis er ein Zimmer in der Stadt mieten konnte. Vater kaufte sich ein Miele-Motorrad, um zur Arbeit zu fahren. Seine Schichteinteilung war von morgens um sieben bis um drei Uhr nachmittags, von drei Uhr nachmittags bis um elf Uhr am Abend oder von elf Uhr abends bis um sieben Uhr morgens.

      Nachdem wir etwa ein halbes Jahr auf Nonidas gewohnt hatten, wurde westlich davon eine Kleinsiedlung privat zum Kauf angeboten. Es war eine ehemalige Hühnerfarm, die Eier produziert hatte. Der Betrieb war inzwischen stillgelegt worden und so stand dort nur ein kleines Wohnhaus mit nichts weiter, kein Wasser, keine Einzäunung. Die Siedlung war offiziell auf den Namen „Farm Eier“ eingetragen, was natürlich etwas albern klang und als Vater sie dann kaufte, benannte er sie gleich in „Swakopaue“ um, weil das Ufer des Swakop Riviers dort ganz üppig bewachsen war mit Eukalyptusbäumen und Tamarisken-Hainen. Wir hatten zum ersten Mal einen eigenen Besitz in Südwestafrika und zogen ganz stolz in das alte Haus ein.

      Zu meiner Freude waren es jetzt „nur“ noch neun Kilometer zur Schule. Was ich nicht ahnen konnte, war, dass Vater mich, neben den täglichen Hausaufgaben und erst recht in den Ferien, auch für den Aufbau der neuen Kleinsiedlung eingeplant hatte.

      Zu Anfang der Ferien montierte er immer das hintere Teil unseres Nash Lavayette ab und nietete das Rückfenster und das Dachteil hinter den Vordersitzen fest, so dass wir dann einen sogenannten Bakkie (Pick-up) mit Ladefläche hatten. Seitlich wurden noch Holzplanken zum Runterklappen angebracht. Wir waren ganz stolz auf unser Patent.

      Damals war das stehende Wasser im Swakop noch trinkbar und es befand sich ein großer offener Teich in der Mitte des Riviers, wo wir zunächst Wasser schöpfen konnten. Auch unsere Gänse flogen täglich zum Teich zum Baden und dann wieder zurück in den Stall.

      Fünfzig Meter vom Ufer entfernt bauten wir dann zuerst einen Brunnen, von dem aus das Wasser angetragen wurde. Ich