Bruno Hoppe

Bruno, der Schatzsucher


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frei. Mutter pflanzte Gemüse an und Vater nahm die Ernte im Rucksack mit zur Stadt, wo er sie an Privatkundschaft verkaufte. Da es jedoch immer mehr Abnehmer für das Gemüse gab, musste er bald immer mit dem Auto fahren. Das Hansa-Hotel und Woermann & Brock-Einzelhandel wurden ebenfalls ständige Abnehmer. Auch das Hotel Europahof und Eggers-Hotel kauften von uns Gemüse. Inzwischen hatten wir noch zwei weitere Owambo-Männer eingestellt, die sehr fleißig waren. In den dreiwöchigen Juniferien schaufelte ich mit dem einen Owambo ein Wasserloch. Wir mussten nun einen zweiten Brunnen bauen, weil Mutter einen zusätzlichen Garten anlegte.

      In einigen Jahren wuchsen Zucker- und Wassermelonen im Überfluss und im nächsten Jahr gab es wieder ganz wenig Ernte. Ich erinnere mich noch gut, dass wir einmal so viele Zuckermelonen ernteten, dass wir nach Walfischbucht fahren mussten, um sie dort einfach auf der Straße zu verkaufen. Abends bin ich mit dem Whippet nach Nonidas-Station gefahren, wenn ein Personenzug unterwegs war und verkaufte Melonen während der Haltezeit im Zug. Der Lokführer hupte dann schon, wenn er fast bei der Station war, ich sprang schnell in den Laster und raste hin. Der Zug stand dann etwas länger, damit jeder kaufen konnte. Der Lokführer bekam immer einige Melonen umsonst und auch Billy erhielt seinen Teil. Die Verspätung des Zuges konnte der Lokführer trotzdem wieder ganz gut aufholen, so dass der Zug pünktlich in Usakos ankam.

      Herr Lindau von der Siedlung Brockenfels erntete in einem Jahr so viele Tomaten, dass er einen großen Vertag mit der Fischfabrik in Walfischbucht schließen wollte, um Fisch in Tomatensoße in Dosen einzumachen. Der Vertrag kam aber nicht zustande, worüber Herr Lindau dann heilfroh war, da im nächsten Jahr die Tomatenernte sehr kläglich ausfiel.

      So gab es gute und schlechte Jahre und man konnte nie wissen, wie die Ernte ausfallen würde.

      In den Juniferien half ich auch oft bei Onkel Gustav. Er hatte von der Regierung die Farm Jakkalswater gepachtet, wo sein Trockenvieh auf Weide stand. Die Milchkühe, die „trocken“ waren, wurden hierhergebracht und die, die frisch gekalbt hatten und gemolken werden sollten, wurden zur Siedlung getrieben, von wo aus er Butter, Milch und Sahne verkaufte. Außerdem schlachtete er auch selbst und verkaufte Frischfleisch. Seine Frau, Tante Sofie, fuhr drei Mal in der Woche mit dem Eselskarren nach Swakopmund, um die Produkte zu verkaufen. Sie konnten jede helfende Hand gebrauchen und ich verdiente mir so ein schönes Ferientaschengeld, mit dem ich mir ein Francis-Barnett-Motorrad kaufte. Es war alt und verrostet, dafür aber billig. Billy half mir, es zu überholen und wieder fahrtüchtig zu machen. Anmelden konnte ich es nicht, da ich ja unter sechzehn war und noch keinen Führerschein besaß. Sonntags fuhren Billy und ich meist mit dem Motorrad zum Angeln. Den Fisch verkaufte Billy dann an das EggersHotel. Er kaufte sich von dem Entgelt meistens eine Flasche Brandy und ich bekam den Rest bar in die Hand. Es war ein gutes Zusatzgeld und ich sparte alles, damit ich mir eines Tages ein größeres Motorrad leisten konnte. Ersatzteile bestellte Billy für mich in Johannesburg bei Motor Cycle Works. Alles kam per Post und wir hatten zumindest keine Ersatzteilprobleme.

      Die Ferienarbeit bei Onkel Gustav war vielseitig. So musste ich unter anderem auch mit der Sense Luzerne für die Kühe schneiden. Eines Nachmittags fuhr ich wieder um vier Uhr zu seiner Siedlung und schnitt das Futter. Als Onkel Gustav von Jakkalswater zurückkehrte, bekam ich meinen Lohn: zwei Schilling und sechs Penny, dazu einen vier Wochen alten Welpen. Tante Sofie brannte gerade Schnaps von Pfefferminze, die bei ihnen im Garten wuchs. Ein großer Kupferkessel stand auf dem Holzofen, von dem aus durch ein kleines Rohr das Destillat in ein großes Glas tröpfelte. Zur weiteren Belohnung bekam ich ein Schnapsglas von dem warmen Gebräu. Es schmeckte herrlich und sogleich bekam ich noch ein Gläschen. Das Resultat war, dass die Erde etwas schwankte, während ich, meinen Welpen unter dem einen Arm, das Fahrrad über dem anderen, singend zu Hause ankam. Zum Entsetzen der Mutter war ihr Bub mit dreizehn Jahren betrunken. Onkel Gustav musste sich eine Predigt anhören, die sich gewaschen hatte. Zu Mutters weiteren Ärger war sein einziger Kommentar: „Früh übt sich, wer ein Meister werden will.“ In meinem späteren Leben war ich dann tatsächlich bei so mancher Gelegenheit ein Meister.

      Auch während weiterer Ferien bat mich Onkel Gustav immer wieder um Hilfe. Wenn meine Eltern mich entbehren konnten, nahm ich die Arbeit gerne an. Immer wenn wir das Trockenvieh nach Jakkalswater hin- und die Milchkühe zurückbrachten, mussten wir alles, was im Weg stand, zum Beispiel Esel, einfach mitnehmen, egal wem sie gehörten. Onkel Gustavs These war, dass es ja schließlich nicht unsere Schuld war, wenn diese Tiere sich uns einfach anschlossen.

      Als ich eine nagelneue Schubkarre für die Arbeit vorfand, erklärte er mir, dass er sie sich bei Woermann & Brock als Entgelt mitgenommen hätte. Er hatte am Vortag dort fünf Sack Zement gekauft. Da gerade keine Hilfskraft zur Verfügung stand, um ihm die Säcke auf seinen Eselskarren zu laden, fuhr er sie mit der Schubkarre selbst aus dem Laden. Da sei es doch nur recht und billig gewesen, dass er die Karre gleich mit aufgeladen habe. So war er, der Onkel Gustav, liebenswert, aber trotzdem ein Gauner durch und durch.

      Auf der elterlichen Siedlung waren für die beiden Owambo-Arbeiter inzwischen auch Unterkünfte aus Zementsteinen gebaut worden. Da Milchprodukte sehr begehrt in Swakopmund waren und oft Mangel herrschte, hatte Vater eines Tages eine brillante Idee. In den Juniferien rief er mich zu sich und sagte: „Bruno, jetzt sind Ferien, du bist nun schon vierzehn Jahre alt und damit groß genug. Am Montag bringe ich dich mit dem Owambo Lukas in die Nähe von Karibib, ich möchte dort auf der Farm Ababis drei Kühe bei dem Farmer Gladis kaufen. Du und Lukas bringt die Kühe mit den zwei Kälbern dann zu Fuß, entlang des Swakop, zurück zur Siedlung.“

      Ich hatte keine Ahnung was „in der Nähe von Karibib“ hieß und auch nicht, wo der Lauf des Swakop Riviers verlief. Vater sagte: „Es ist recht einfach: Von der Farm bis zum Rivier ist noch gute Weide, danach finden die Kühe im Flussbett genug Grün. Den Weg solltet ihr in etwa fünf Tagen schaffen.“ Der Owambo Lukas und ich bekamen jeder einen alten, geflickten Rucksack. Dann wurde gepackt: ein gusseiserner Dreibeintopf, Streichhölzer, Maismehl, ganz wenig Zucker, denn zu viel davon machte, laut Vater, nur schlapp, Kaffee, Corned Meat aus südafrikanischen Armeebeständen und ein paar Pakete Trockenfleisch. Milch sollten wir unterwegs direkt von den Kühen melken. Billy lieh mir noch sein Tesching-Gewehr und gab mir viele Patronen mit, damit ich unterwegs Perlhühner schießen konnte. Er riet mir außerdem: „Wenn die zäh sind, koch sie einfach die ganze Nacht, im Revier gibt es ja genug Holz.“ Vater füllte noch zwei große alte Wassersäcke, made in Germany, noch aus Oranjemund stammend, und ab ging es mit dem Nash-Bakkie Richtung Wüste.

      Mittags kamen wir auf Ababis an. Vater schloss mit dem Farmer Gladis den Handel mit den Kühen ab und verabschiedete sich mit den Worten: „Ihr beide habt alles, was man braucht. Schöne Ferien, Bruno!“ Dann fuhr er in einer großen Staubwolke davon.

      Am nächsten Morgen sollte es losgehen. Während ich bei Gladis im Farmhaus übernachtete, hatte Lukas auf der Werft bei den Farmangestellten geschlafen. Er hatte die Gelegenheit genutzt und sich bei den Leuten schlaugemacht, wo genau wir trecken mussten. Die Damara-Arbeiter kannten die Gegend gut und so war Lukas schon etwas besser über die Route im Bilde. Frau Gladis gab mir auch noch ein Päckchen mit selbstgebackenem Biskuit und ein Farmerbrot mit. Voll bepackt machten wir uns dann auf den Weg, die Kühe mit zwei Kälbern vor uns hertreibend.

      Lukas sagte, dass unser Treck einen Monat dauern würde, dies zumindest hatten die Arbeiter behauptet. Das waren keine guten Nachrichten und obwohl ich sehr gespannt war auf die Dinge, die auf uns zukommen würden, machte ich mir auch entsprechend Sorgen.

      Am ersten Tag ging alles gut. Wir waren stundenlang durch die wogenden Grasflächen der endlosen Namib-Wüste gelaufen. Gegen Abend trafen wir dann auf ein einsam gelegenes Gehöft. Es war die Farm Ubib von einem Herrn Kruger.

      „Wo kommt ihr denn her, seid ihr wahnsinnig, zu Fuß nach Swakopmund?“, war seine erste Frage.

      „Ja, Herr Kruger, es muss halt sein, sonst bekommen wir unsere Kühe nicht zu unserer Siedlung“, antwortete ich.

      Wir wurden mit gutem Essen versorgt und im Haus untergebracht. Am nächsten Morgen gab Herr Kruger uns noch mehr Vorräte mit. Außerdem zeichnete er uns eine Skizze von seiner Landkarte ab. Jetzt planten wir neu, der Weg, den Lukas auf der Werft besprochen hatte, wurde korrigiert. Herr Kruger sprach gut Herero, was auch Lukas beherrschte und so konnte er