Bruno Hoppe

Bruno, der Schatzsucher


Скачать книгу

Haus an der Reihe. Das Rivier nahm die Küche, das Wohnzimmer und ein Schlafzimmer mit. Ich werde niemals den nächsten Morgen vergessen, als wir vor einem halben Haus standen. Das Wasser war jedoch dort, wo sich die Reste des Gebäudes befanden, nicht mehr ganz so reißend. Mehr konnte nicht weggespült werden, da sich unterhalb der verbliebenen Mauern Granitklippen befanden.

      An dem Tag ging ich natürlich nicht zur Schule und auch mein Freund Kurt sagte zum Klassenlehrer: „Entschuldigen Sie mich, aber ich muss weg, ich muss Bruno helfen.“ Er lieh sich ein Fahrrad und kam um neun Uhr bei uns an. Das, was übrig geblieben war von unserem Haus, wurde saubergemacht. Wir putzten also die Garage und die drei restlichen Zimmer. Komischerweise stand dort, wo mal die Küche gewesen war, noch der Sendling-Holzofen auf drei Beinen. Er wurde zurechtgeschoben und so konnten wir wenigstens kochen.

      Billy kam vorbei und bot uns an, erst mal das Eisenbahnhaus zu nutzen. Aber Vater lehnte dankend ab, weil wir ja noch ausreichend Platz übrighatten. Die Garage wurde als Allgemeinzimmer eingerichtet und diente als Küche, Wohn- und Abstellraum und die Eltern und ich hatten noch ein Schlafzimmer. Kurt blieb über Nacht und am nächsten Morgen mussten wir zur Schule. Damals hatten wir auch samstags Schule bis um zwölf Uhr. Wir schwänzten allerdings und ließen den Lehrer glauben, dass wir noch helfen mussten.

      Was wir noch besaßen, wurde nach und nach wieder eingeräumt. Vieles war jedoch der Flut zum Opfer gefallen, der Garten und alle Gartengeräte waren weg, Amboss und Schraubstock, Eimer, Wassertank und sogar die Wasserleitung, alles war weg. Später fanden wir lediglich noch eine Harke und einen Spaten. Billy sagte, wir sollten bei ihm auf der Station mal schauen kommen, wie schief der Wasserturm seiner Pumpanlage stand. Die Flut hatte alles auf einer Seite ausgewaschen und nun sackte der Turm stark ab. In ihm befanden sich der Putter-Motor und die Stufenpumpe, zum Glück unversehrt. Herr Utech, der Eisenbahnmechaniker, kam und setzte die Maschinen mit Baken und Eisenbahnschienen gerade, so dass wenigstens Wasser nach Nonidas-Station gepumpt werden konnte. Bis heute steht der schiefe Turm noch an derselben Stelle.

      Kühe, Gänse und Hühner hatten wir, im Gegensatz zu anderen Siedlern zum Glück nicht verloren – es gab aber kein Futter mehr im Rivier und so musste Vater für viel Geld trockene Luzerne bei Woermann & Brock kaufen. Der Swakop floss noch bis Ende April, die letzten zwei Wochen weniger, so dass man vorsichtig darin waten konnte. Man musste nur aufpassen, dass man im schwammigen Sand nicht wegsackte. Viele Kühe und Schweine von Onkel Gustav mussten ausgebuddelt und rausgezogen werden. Einige der Tiere verreckten auch. In der Mitte vom Rivier war eine schmale Insel übrig geblieben. Da entdeckte ich noch viel Schilf, was ich zu meinem eigenen Leid Vater berichtete. Es wurde sofort eine Sichel gekauft und Bruno musste fortan nachmittags Schilf schneiden und nach Hause bringen, da die Kühe zu ihrer eigenen Sicherheit im Stall bleiben mussten. Vater sagte: „Da du ja jetzt nicht mehr pumpen musst, kannst du auch Schilf holen.“ Nun ja, die Kühe waren dankbar, nur ich nicht so sehr.

      Unterhalb unserer Wohn-Ruine wurde ein Fass als Brunnen eingebuddelt, die Pumpe aufgestellt und das Wasser unter das verbliebene halbe Dach der nicht mehr existierenden Küche gepumpt. So ging dann alles wieder langsam seinen Gang, Vater musste wieder ins E-Werk, ich zur Schule und Mutter legte einen neuen, allerdings viel kleineren Garten an.

      Eines Tages, Anfang 1943, erzählte uns Billy, dass zwischen Schieri/Nonidas und Onkel Gustavs Grundstück Land von der Stadtverwaltung angeboten wurde, welches keiner bewirtschaftete. Mein Vater und ich kannten das Gelände und gingen daraufhin zum Magistrat, um einen Kaufantrag zu stellen. Der Magistrat füllte mit uns alle Formulare aus und schickte den Antrag nach Windhoek zum Tintenpalast, dem Sitz des Parlaments. Die Magistrats-Sekretärin war sehr freundlich und uns Deutschen gut gesinnt. Sie fragte immer wieder nach bei der Obrigkeit und legte ein gutes Wort ein. Die Antwort lautete dann aber doch: Da wir Reichsdeutsche waren, hatten wir nicht das Recht, Land zu erwerben. Man bot uns jedoch an, das Stück über einen Zeitraum von zwanzig Jahren zu pachten und zu bewirtschaften. Meine Eltern stimmten sofort zu und beauftragten einen Landvermesser mit der Vermessung. Wir bezahlten fünf Pfund Pacht im Jahr.

      Jetzt ging es erneut an die Arbeit, Vater wünschelte nach Wasser und wir stellten einen Arbeiter vom Owambo-Stamm ein. Der musste zunächst ein großes Loch graben. Ich half nachmittags dabei und nach ungefähr drei Metern Tiefe erreichten wir Wasser. Dieses war süß, gut und trinkbar. In den zehntägigen Ferien kam, wie üblich, Kurt mit auf die Kleinsiedlung und wir schufteten nun zusammen an dem neuen Brunnen. Vater besorgte alte Blechplatten, ein Ring wurde gebaut, Zement und zwei Schubkarren gekauft. Als der erste Ring endlich gegossen war, waren die Ferien schon wieder um. So ging es nun nachmittags weiter – Vater, der Owambo und ich. Ringe wurden gegossen, dann wurde wieder geschaufelt und allmählich sackte der Brunnen in die Tiefe. Eine alte Zentrifugalpumpe wurde bei der Salzkompanie von Herrn Klein abgesahnt und ein alter Schlüter-Motor musste dann die Pumpe antreiben.

      Mutter benutzte nun meines Bruders Fahrrad, da dieser es nach seinem Umzug nach Swakopmund nicht mehr brauchte. Sie fuhr jeden Tag von unserer alten Siedlung zur neuen, um Zementsteine zu gießen. Vater hatte dafür eine Form gebaut, so dass man jeweils drei Steine am Stück formen konnte. Mit diesen Steinen sollte ein neues Haus gebaut werden.

      Wie schon erwähnt, wurde Benzin durch die Vergabe von Coupons rationiert. Wir bekamen pro Monat zehn Gallonen Benzin für das Auto und drei für das Motorrad. Da dies sehr wenig war, wurde viel mit Benzincoupons geschmuggelt und gehandelt. Onkel Gustav war hier ganz in seinem Metier. Er hatte sich den Transportauftrag ergattert, Diesel für den Pumpmotor von Nonidas-Station zur Pumpe zu fahren. Für die Fahrten bekam er Diesel-Coupons, nur dass er gar kein Fahrzeug hatte, stattdessen transportierte er die Dieselfässer mit dem Eselskarren. So hatte er die begehrten Coupons zum Handeln zur Verfügung, wovon auch wir profitierten. Und auch die Füllmenge der Dieselfässer, die Onkel Gustav bei der Pumpe ablud, entsprach selten der ursprünglich geladenen Menge. Unterwegs gab es immer Schwund.

      Vater kaufte für fünf Pfund einen Eineinhalbtonner-Pick-up der Marke Whippet bei Herrn Wenk, der Maurerarbeiten in Swakopmund verrichtete und einen größeren Laster brauchte. Mit diesem Whippet lernte ich schon mit elf Jahren Auto fahren. Das viele Holz, welches der Swakop vom Inland hergespült hatte, fuhr ich damit zur Siedlung. Wir benutzten das Holz zum Anfeuern des Küchenherdes und zum Bau der Einzäunung der neuen Siedlung.

      Mit Mutters Zementsteinen wurden drei Zimmer gebaut, gleich neben dem Brunnen. Später wurde vergrößert und ein Badezimmer angebaut. Ende 1943 konnten wir dann endlich in das neue Haus umziehen. Onkel Gustav, der jetzt unser direkter Nachbar war, kam nun noch öfter zu Besuch, wobei wir beim Abschied immer darauf achteten, dass er nichts mitgehen ließ, da er sich ganz gerne Dinge aneignete, die er selbst gut gebrauchen konnte.

      Zu meinem Leidwesen war mein Schulweg jetzt wieder zwei Kilometer weiter. Um sechs Uhr dreißig fuhr ich morgens mit dem Rad los. Meistens war dicker Nebel und so kam ich dann pitschnass in Swakopmund an. Wenn der Ostwind allerdings von hinten blies, raste ich mit dem Wind im schnellen Tempo zur Stadt, aber wehe, wenn er mittags immer noch wehte. Dann musste ich das Fahrrad im Gegenwind schieben und kam halb verdurstet erst um drei oder halb vier zu Hause an.

      Die Schule selbst war eigentlich recht vergnüglich. Kurt und ich heckten oft Streiche aus. Einmal fing ich auf dem Schulweg eine große Maus ein, die ich in meine Frühstücksbox sperrte. In der Schule angekommen dachten sich Kurt und ich sofort einen Plan aus. Als dann Fräulein Storm die Lehrstunde führte, ging ich zur Tafel und putzte diese, in meiner Tasche befand sich die Maus. Kurt ging zur Ablenkung mit einem Buch zum Lehrerpult und fragte Fräulein Storm etwas. Ihre Handtasche stand zwischen Pult und Tafel auf dem Boden und schnell landete die Maus darin. Die ganze Klasse wartete nun gespannt auf die weiteren Geschehnisse, aber leider passierte gar nichts. Fräulein Storm nahm nach der Unterrichtsstunde ihre Bücher in den Arm, schloss ihre Handtasche und verließ den Klassenraum. Sie unterrichtete die nächste Stunde nun im Nachbarzimmer. Es verging eine ganze Weile, wir waren bereits in den nächsten Lehrstoff vertieft, da gab es plötzlich einen lauten Schrei nebenan, gefolgt von Gepolter und aufgeregten Rufen. Fräulein Storm hatte ein Taschentuch aus der Handtasche nehmen wollen, als die Maus heraussprang und durch das ganze Klassenzimmer rannte. So war es uns gelungen, nicht nur eine Lehrerin, sondern gleich ein ganzes Klassenzimmer zu erschrecken. Natürlich kam heraus, wer dahintersteckte und ich bekam mal wieder eine Verwarnung.

      Trotz