Schauder erfaßte sie. Wenn Junker Artur hier vor ihren Augen ertrank!
Sie preßte die Hände ans Herz und blickte ratlos, wie hilfesuchend um sich. Dann eilte sie dicht an den Rand des Sees.
Sie sah, daß Artur das Ufer schwimmend zu erreichen strebte. Aber das Ufer war an dieser Seite steil und glatt, hier kam niemand ohne Hilfe heraus.
Aufgeregt winkte sie dem Schwimmenden zu und rief dabei laut um Hilfe. Aber niemand hörte sie.
In ihrer Angst überlegte sie nun, wie sie dem Junker selbst zu Hilfe kommen konnte. Ihre Gänseherde vergaß sie in diesem Augenblick vollständig.
Ratlos blickte sie sich um. Da sah sie an der Uferböschung, nicht weit von sich entfernt, einige vor kurzem gefüllte schlanke Birkenstämme aufgestapelt liegen.
Sofort wurde ihr klar, daß eines dieser Stämmchen Artur Rettung bringen konnte. Er war dem Ufer schon ziemlich nahe, sah aber schon sehr erschöpft aus.
Sie sprang auf die Stämme zu und ergriff mit beiden Händen den längsten und dünnsten davon.
Mit einem frohen Ausruf machte sie Artur aufmerksam und reichte ihm das eine Ende der schlanken Stange.
Mit der ganzen elastischen Kraft ihres jungen, gestählten Körpers hielt sie das andere Ende fest, als er danach griff. Das Stämmchen bog sich über den Rand des Ufers, aber Martha hielt fest.
Der Ermattete ließ sich vollends an das Ufer heranziehen und verschnaufte erst ein Weilchen. Es war die höchste Zeit gewesen, daß ihm Hilfe kam.
Nur mit Marthas tatkräftiger Unterstützung konnte er sich nach einer Weile an dem steilen Ufer emporziehen. Ohne das Birkenstämmchen wäre es unmöglich gewesen, ihn zu retten.
Endlich war das Rettungswerk gelungen. Froh aufatmend, mit leuchtenden Augen stand Martha dem völlig durchnäßten Junker gegenüber. Das Wasser floß an ihm herab und bildete da, wo er stand, eine Pfütze. Aus den Haaren rann es über sein Gesicht.
Mitleidig band Martha schnell ihre Schürze ab und wollte ihm das Gesicht damit abtrocknen.
Da schoß glühende Röte in Arturs Gesicht. Mit einer hastig abwehrenden Gebärde trat er von ihr zurück. Sein jungenhafter Hochmut empörte sich dagegen, daß er sich von einem Mädchen, noch dazu von dem verachteten Gänsemädchen aus dem Wasser hatte ziehen lassen müssen. Er schämte sich seiner Ohnmacht und war viel mehr aufgebracht, als dankbar über den Dienst, den sie ihm erwiesen hatte.
Daß gerade sie seine Lebensretterin geworden war, sie, die er vor Jahren, als sie nach Dohrma kam, so schlecht behandelt hatte, das demütigte ihn und machte ihn wütend.
Falsche Scham und der anerzogene Hochmut erstickten jedes weiche und dankbare Gefühl in ihm und machten ihn wild.
»Geh’ Du, komm mir nicht zu nahe mit Deiner schmutzigen Schürze!« schrie er sie an.
Martha wurde sehr bleich und biß die Zähne fest aufeinander. Der frohe Glanz erlosch in ihren Augen.
»Meine Schürze ist ganz sauber, Junker!« sagte sie leise.
»Mir ist sie zu schmutzig, und überhaupt, ich lasse mich von einem Gänsemädchen nicht berühren, verstanden?«
Mit diesen hastig hervorgestoßenen Worten stürmte er an ihr vorüber und rannte dem Schlosse zu, so daß die Gänseherde entsetzt auseinander stob.
Martha sah mit blassem Gesicht hinter ihm her. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und zornig ballte sie die Hände.
»Warte nur, Du hochmütiger Junker, warte nur, wenn ich erst mit Gottfried im goldenen Schlosse bin, dann darfst Du mich auch nicht anrühren, dann stoße ich auch mit dem Fuße nach Dir — — wenn Du mich nicht um Verzeihung bittest!« sagte sie grollend vor sich hin.
Aber dann mußte sie mitten in ihrem Groll lachen über ihre eigene blühende Phantasie.
»Der, ach, der bittet nie einen Menschen um Verzeihung, der stolze Junker, und ich, nun, ich werde nie in einem goldenen Schlosse sitzen. Aber komisch hat es doch ausgesehen, wie er so pitschenaß hier stand, kein bisschen wie ein vornehmer Junker. Da, hier ist eine ganze Pfütze von ihm abgelaufen!«
Sie trat an die Pfütze heran und tauchte ihren Schürzenzipfel hinein. Den betrachtete sie dann triumphierend.
»So, nun ist doch Wasser von seinem Gesicht und aus seinem Haar an meiner Schürze Dagegen kann er sich nicht wehren, der stolze Junker, und aus dem Wasser hab' ich ihn doch gezogen!«
Und sie trat im Übermut mit beiden Füßen in die Pfütze hinein, daß sie hoch aufspritzte.
»Hm, und mein Kleid ist nun von demselben Wasser naß als das seine!« .
Sie jubelte laut auf, als sei es ein köstliches Naß, das ihre Kleider aufsaugten.
In demselben Augenblick fuhr ein Blitz durch die Wolken, und ein dumpfer Donnerschlag ertönte.
Erschreckt sah sie sich um. Nun wurde es höchste Zeit, daß sie mit ihrer Herde heimkam.
Sorgsam legte sie erst noch das Birkenstämmchen an Ort und Stelle, dann trieb sie ihre Gänse vor sich her und eilte heim.
»Einen tüchtigen Schnupfen wird er doch am Ende bekommen!« dachte sie trotz ihres Grolls besorgt.
Draußen auf dem See aber, da schwamm das Segelboot umgekehrt und steuerlos umher. Es wurde erst einige Tage später geborgen, als Artur von Dohrma schon abgereist war nach dem Kadettenhause.
Martha sah vom Ufer aus zu, in träumerisches Sinnen versunken. Und sie dachte dabei, daß sie Junker Artur nun wohl nicht mehr im Leben begegnen würde, denn wenn er nach Jahren wieder nach Hause kam, dann war sie wohl fort von Dohrma.
Sie hatte es sich vorgenommen, sobald sie erst vollends erwachsen war, wollte sie sich in der Stadt einen Dienst suchen. Gänsemädchen wollte sie jedenfalls nicht immer bleiben, und der Milchmann hatte ihr erzählt, daß die Dienstmädchen in der Stadt gut bezahlt würden. Da würde sie dann soviel Geld verdienen, daß sie für den Vater einen Arzt bezahlen konnte.
Wenn es nur erst soweit wäret Jahre mußten da wohl noch vergeben.
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