Christopher W. Blackwell

Mythologie für Dummies


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wollen wir zwar nicht behaupten, Mythen könnten nicht auch humorvoll sein; viele Mythen sind es und sollen es auch sein. Auch wollen wir nicht behaupten, dass alle Informationen über Mythen in diesem Buch von akademischer Strenge sein werden. Dem ist einfach nicht so. Vielmehr ist Sinn und Zweck dieses Buches, den Leser bei der Lektüre nicht nur zu fesseln, sondern auch zu unterhalten. Das Vergnügen, das die Autoren beim Schreiben des Buches hatten, soll sich auch auf den Leser übertragen. Nicht zuletzt soll die Beschäftigung mit Mythologie auch unterhaltsam sein.

      Behaupten wir, etwas sei ein Mythos, so treffen wir keine Aussage darüber, ob der betreffende Gegenstand wahr oder falsch ist. In diesem Buch wird nicht die Meinung vertreten, dass Wissenschaft und Geschichte auf der einen Seite und Mythologie auf der anderen Seite durch diese Unterscheidung in wahr und falsch getrennt wären. (Nicht dass wir irgendetwas gegen die Wissenschaft hätten. Sie hat uns schließlich ein bedeutsames Wissen über die Welt geliefert und stellt ihren positiven Nutzen für die Menschen jeden Tag unter Beweis. Wir sind nur nicht der Auffassung, dass man die Mythen nur aus dem Grund dem wissenschaftlichen Wissen unterordnen sollte, weil Letzteres beweisbar erscheint.)

      Christopher Blackwells Vater hatte das Glück, Paul Tillich gekannt zu haben. Tillich war ein deutscher Theologe und Religionsphilosoph, der vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste, in die USA emigrierte und schließlich an der Harvard Universität als Professor lehrte. Tillich, der sicher einiges von den wirklich bedeutsamen Dingen verstand, pflegte zu sagen: »Man soll nie sagen, etwas sei nur ein Mythos. Vielmehr soll man sagen: Es ist nichts Geringeres als ein Mythos.«

      Genau derselben Ansicht sind auch wir in diesem Buch. Mythen sind eminent wichtig und sollten unbedingt ernst genommen werden. Man sollte Themen von solchem Ernst aber gleichzeitig auch mit Spaß und Vergnügen behandeln. Also, los geht's …

      Ein Mythos ist im Wesentlichen eine Geschichte. Das griechische Wort »Mythos« bedeutet so viel wie »Rede, Erzählung, Fabel«. Dies ist die wörtliche Übersetzung des Begriffs. Natürlich taugt aber nicht jede x-beliebige Geschichte zum Mythos. Amy (eine der beiden Autoren des Buches) wurde einmal in Thailand der Kopf eines Schweins zum Abendessen serviert. So interessant diese Geschichte als Geschichte auch erscheinen mag – um einen Mythos handelt es sich dabei nicht. Chris wiederum (der andere Autor des Buches) wurde einmal bei einem Spaziergang im Wald von irgendeinem Verrückten irrtümlich angeschossen, was wiederum als Geschichte ja durchaus spannend und fesselnd sein, aber auch nicht als Mythos durchgehen kann. Auch wenn man einen Mythos normalerweise erkennen kann, wenn man auf einen trifft, so ist es von Vorteil, sich zunächst einmal wenigstens um eine Definition zu bemühen, um Mythen auch wirklich wertschätzen und von anderen Erzählformen sicher abgrenzen zu können.

       Das Besondere der mythischen Erzählungen

      Was zeichnet einen Mythos aus? Nun, zunächst einmal sind Mythen Geschichten über Götter und Göttinnen, andere übernatürliche Wesen sowie deren Beziehungen zu den Menschen. Diese Definition ließe sich erweitern durch die Einbeziehung von Geschichten, die sich universalen Wahrheiten widmen oder die der Vermittlung von Werten dienen, die Völkern dabei helfen können, eine Vorstellung von sich als Gruppe und Wertegemeinschaft zu bekommen. Mythen helfen außerdem dabei, bestimmte soziale Ordnungen wie etwa die durch Erbschaft weitergegebene Thronfolge oder andere soziale Klassenstrukturen zu legitimieren. Mitunter dienen sie auch dazu, die fiktive »Geschichte« eines Königreichs zu fabrizieren, um so dessen Herrschaftsanspruch zu festigen.

      

Insofern Mythen von Menschen und Göttern handeln, handeln sie immer auch von der Religion. Jeder der in diesem Buch vorkommenden Mythen war oder ist Teil einer Religion, die von Menschen ausgeübt wurde oder immer noch wird.

      Mitunter wird das Wort »Mythos« so gebraucht, dass es die Bedeutung »unwahr« annimmt. Die Menschen sagen dann, etwas sei »bloß ein Mythos«. Sie wollen damit zum Ausdruck bringen, dass die betreffende Sache keine reale Grundlage hat, sondern nur aus der Luft gegriffen ist. Mythen haben aber ihre eigene Wahrheit. Sie vermitteln den Menschen unter anderem eine Sicht auf die Welt und einen Wertekanon, Dinge also, die ebenso wichtig sein können wie jede x-beliebige wissenschaftlich nachprüfbare Aussage (vergleiche hierzu Kapitel 3).

       Legenden

      Legenden weisen zwar gewisse Ähnlichkeiten mit Mythen auf, sie basieren jedoch auf geschichtlichen Tatsachen, die nur mitunter sehr frei ausgelegt werden. Viele Legenden erinnern bloß noch entfernt an die ihr zugrunde liegenden geschichtlichen Tatsachen. Allerdings müssen Legenden oder Sagen, um als solche gelten zu können, doch auf einem realen Ereignis beruhen, das zumindest tatsächlich passiert sein könnte. Die Geschichte von König Artus zum Beispiel zählt aus diesem Grund zu den Legenden, weil es (wahrscheinlich) tatsächlich einmal eine reale Person gegeben hat, von der sich dann die Artuslegende, wie wir sie heute kennen, abgeleitet hat.

       Volksmärchen

      Volksmärchen sind überlieferte Erzählungen, die zum einen der Unterhaltung dienten und zum anderen bisweilen auch didaktische Ziele verfolgten. In Volksmärchen erleben die Helden Abenteuer und magische Geschehnisse. Für gewöhnlich gibt es in ihnen jedoch keine Passagen, die menschliche Beziehungen mithilfe des Übernatürlichen oder Göttlichen erklären wollen.

      Die meisten Mythen weisen Elemente aus Legenden und Sagen auf und umgekehrt. Diese unterschiedlichen Gattungsbezeichnungen sind durchaus nützlich, wenn es darum geht zu entscheiden, wann es sich um einen Mythos handelt und wann nicht. Man sollte sich aber nicht zu sehr darauf fixieren.

      

Märchen wiederum sind Mythen und Volkserzählungen sehr ähnlich. Es gibt aber einen Unterschied: Die Märchen sind ein Phänomen der romantischen Bewegung im Europa des 19. Jahrhunderts, als zum Beispiel die Brüder Grimm begannen, von den Bewohnern einer Region mündlich überlieferte Geschichten zu sammeln, aufzuschreiben und in romantisierter Form breiten Leserschichten zugänglich zu machen. Die Originale von Grimms Märchen wiederum haben nur wenig mit den bereinigten, modernen Fassungen zu tun – die Originalversionen sind voll von Blut und Gewalt.

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