Christopher W. Blackwell

Mythologie für Dummies


Скачать книгу

in Mythen normalerweise männlichen Geschlechts. Man erkennt die mythologischen Helden typischerweise daran, dass ihre Veranlagung zu ihren späteren Heldentaten schon in ihrer Kindheit sichtbar wird.

      Kulturbringende Helden treten in Mythen auf, um den Menschen Zugang zu bestimmten Kulturtechniken zu ermöglichen. So war für die Griechen Prometheus ein kulturbringender Held, weil er den Menschen das Feuer brachte. In Kapitel 7 werden wir uns ausführlicher mit ihm beschäftigen. In der Mythologie der nordamerikanischen Indianer gibt es sogar einen zweifach kulturbringenden Helden; es handelt sich um die männliche Figur, die an ein und demselben Ort nicht nur den Tabak entdeckte, sondern (einige Zeit vorher) auch den Sex.

      Andere Helden wiederum dienten als Vorbild für menschliche Fertigkeiten und Leistungen. Der griechische Held Herakles (beziehungsweise Herkules bei den Römern) war der größte, stärkste und heldenhafteste Held aller Zeiten. Mit ihm werden wir uns in Kapitel 7 beschäftigen. Häufig spielen Helden auch eine Rolle in Gründungsmythen, Mythen also, die erklären, warum Königreiche gerade dort entstanden, wo sie entstanden, und warum die Menschen, die dort vorher siedelten, »gerechterweise« weichen mussten.

       Mit Täuschung und List agierende Figuren

      Mythen sind voller Figuren, die mit List und Heimtücke agieren. Manche dieser Figuren bringen den Menschen Gutes, indem sie deren Feinde austricksen und ihnen Gaben wie das Feuer bringen. Andere dagegen sind gar nicht nett. Die Figur Loki im nordgermanischen Mythos ist mitunter ausgesprochen böse. Mehr zu dieser Figur in Kapitel 14. Mit Täuschung und List agierende Figuren untergraben die soziale Ordnung, bringen die Dinge durcheinander, um entweder anderen ein Bein zu stellen oder sich auf Kosten anderer zu unterhalten. Derartige Figuren sind sehr beliebte mythische Gestalten.

      Mythologie gestern und heute

      IN DIESEM KAPITEL

       Mythologie in unserer Kultur

       Die Mythologie und das Firmament

       Mythologie und Kunst

       Mythen im Film

      Mythen verwenden Symbole, um über wahre und für uns bedeutsame Dinge zu sprechen. Unsere Alltagssprache ist hierzu ein untaugliches Mittel. Mythen versuchen, Antworten zu finden auf Fragen nach der Beziehung zwischen den Menschen und dem Göttlichen, dem Wesen der Liebe, dem Leben nach dem Tod und so weiter. Die im Mythos verwendeten Symbole entstammen dem alltäglichen Leben: Frauen und Männer, Söhne und Töchter, Väter und Mütter, Geschenke, Stürme, Tiere und Pflanzen. Die Kombination dieser und anderer Symbole, mit deren Hilfe für den Menschen außerordentlich Bedeutsames in Geschichten über durchaus alltägliche Dinge erzählt wird, ist wahrlich magisch zu nennen. Dies ist unter anderem der Grund, warum die Mythen vergangener Zeiten uns heute immer noch lesenswert erscheinen.

      Viele Mythen gibt es schon seit Tausenden von Jahren. Die Kulturen, die sie geschaffen haben, sind längst untergegangen. Mythen reisen über Kontinente und Ozeane hinweg. Selbst in unserer heutigen angeblich so rationalen und wissenschaftlichen Zeit sind Mythen allgegenwärtig und immer noch in der Lage, die Menschen anzusprechen und zu beeinflussen. Die Menschen verlangen nach Helden; sie wollen an Ungeheuer und das Übersinnliche glauben; sie sind begierig nach Geschichten, die erklären, wie die Welt funktioniert.

      Kunst und Literatur sind seit jeher von der Mythologie und ihren Themen und Geschichten beeinflusst und durchdrungen. Dies gilt speziell für die europäische Kunst und Literatur, die sich besonders von der griechischen und römischen Mythologie hat inspirieren lassen. Aus diesem Grund erscheinen Texte und Kunstwerke, in denen mythologische Motive erkennbar werden, oft vertraut, bedeutsam oder einfach nur klassisch.

      Mythen können die Menschen viele Tausend Jahre begleiten und dabei den Bedürfnissen der unterschiedlichsten Völker und Kulturen dienen. Sie verändern sich während dieser Zeit ständig. Da Mythen somit nicht nur in einer einzigen »wahren« Version vorkommen, können die Geschichten und Figuren für unterschiedliche Kulturen Unterschiedliches bedeuten, ohne dabei ihren mythischen Status einzubüßen.

       Troilos’ Reise von der Bedeutungslosigkeit zum Ruhm

      Ein Beispiel für einen Mythos, der mit der Zeit immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die lange, verwickelte Reise des Mythos des Troilos, des Königssohns von Troja. Die Figur Troilos begann als eher unbedeutende Gestalt in Homers Ilias. Im Laufe der Zeit jedoch und unter tatkräftiger Mithilfe der unterschiedlichsten Schriftsteller, die sich gerade für diese Figur interessierten, wurde er schließlich zu einer wichtigen Heldenfigur in Shakespeares Werk.

       Der Mitleid erregende trojanische Königssohn

      Troilos begann seine Laufbahn nicht in der ersten Liga der mythologischen Gestalten. Zuerst begegnet er uns in Homers Versepos Ilias, in der einige Episoden des Trojanischen Krieges erzählt werden. Ausführlich beschäftigen wir uns mit dieser Geschichte in Kapitel 7. Allerdings ist die Gestalt des Troilos bei Homer derart unbedeutend, dass er dort nicht einmal besonders erwähnt wird. Troilos war einer der vielen, vielen Söhne des Priamos, des Königs von Troja. Sein Auftreten in der Ilias hatte hauptsächlich dramatische Gründe: Er wurde gleich zu Beginn von Achill getötet, der dann später als Zerstörer Trojas in die Geschichte einging. Sein Tod nimmt gleichzeitig den Mord an Hektor, Troilos’ wichtigerem älterem Bruder, vorweg.

       Frühe Schundromane: Mittelalterliche Autoren entdecken Troilos wieder

      Springen Sie jetzt bitte aus der frühen griechischen Antike 1500 Jahre weiter ins zwölfte Jahrhundert. Während des »Hochmittelalters« bediente sich ein französischer Autor namens Benoît de Sainte-Maure der Geschichte des Troilos und machte daraus einen Roman: Roman de Troie. De Sainte-Maure schilderte Troilos als einen unschuldigen jungen Mann. Er stellte dem jungen Helden Trojas außerdem eine Geliebte zur Seite: Briseida. (Bei Homer hieß Briseida noch Briseïs und war die Geliebte des Achill; de Sainte-Maure dachte sich wohl, es wäre eine gute Idee, sie Troilos zur Seite zu stellen und dabei den Namen ein wenig abzuändern.)

      Die Geschichte in seiner Version betont die tragischen Seiten eines verratenen Liebhabers. Troilos und Briseida waren unsterblich ineinander verliebt und tauschten vielfach Liebesschwüre aus. Dann aber wurde Briseida von den Griechen gefangen genommen und – wie es eben so geht – sie verliebte sich dort in den griechischen Helden Diomedes. Der arme Troilos, in seinem Herzen gebrochen, starb schließlich durch die Hand Achills. In dieser Geschichte also dient die Figur des Troilos dazu, eine zutiefst