Christopher W. Blackwell

Mythologie für Dummies


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man sich diese Theorien anschaut, wird schnell deutlich, dass keine einzelne imstande ist, alle Mythen zu erklären. Nimmt man aber alle zusammen zu Hilfe, so kann das Nachdenken über Mythen zu einer durchaus fruchtbaren Tätigkeit werden. (Die Autoren des Buches neigen dazu, die symbolische/allegorische Theorie über die Mythen für die überzeugendste aller genannten Theorien zu halten. Der Hauptgrund hierfür ist, dass diese Theorie fast alle anderen mit einschließt und die Mythen nicht in ein zu enges theoretisches Korsett zwängt.)

       Die Hauptarten des Mythos

      Einer der Gründe, warum sich so viele Wissenschaftler abgemüht haben, eine brauchbare Definition für den Begriff Mythos zu finden, ist darin zu sehen, dass Mythen über Kulturgrenzen hinweg Ähnlichkeiten aufweisen. So gibt es etwa unabhängig voneinander in Griechenland wie auch in Japan Geschichten, in denen ein Mann in die Unterwelt hinabsteigt, um seine tote Frau wieder ins Reich der Lebenden heraufzuholen, wobei es ihm jeweils nicht gestattet ist, seine Frau vor Verlassen der Unterwelt anzublicken. Die Übereinstimmung ist verblüffend, so als gäbe es ein aus uralten Zeiten herstammendes universales Wissen im kollektiven menschlichen Gedächtnis.

      Wie dem auch sei – einige Geschichten tauchen in unterschiedlichen Kulturen immer wieder in ähnlicher Form auf. Im Folgenden geben wir eine Auswahl dieser Geschichten:

       Schöpfungsmythos: Jeder Mensch brennt darauf zu erfahren, wie die Welt und die darin lebenden Geschöpfe entstanden sind. Für gewöhnlich erklären die Schöpfungsmythen dies so, dass eine Schöpfergottheit die Welt aus einer ursprünglichen, oft eiförmig gedachten Ur-Dunkelheit erschaffen habe.

       Weltentstehungsmythos: Viele Mythen beschreiben, wie die Welt, der Himmel, das Meer und die Unterwelt zusammen entstanden sind und wie die Sonne und der Mond ihre Bahnen am Firmament aufgenommen haben.

       Der Ursprung der Menschheit: Da das Dasein des Menschen einen Ursprung haben muss, findet sich in vielen Mythologien eine Erklärung für seine Existenz. Oftmals sprechen die Mythen dann von einer Gottheit, die ihre Geschöpfe aus Lehm oder einem ähnlichen Material geformt habe.

       Sintflutgeschichten: In vielen Mythen wiederholt sich in ähnlicher Form immer wieder die Geschichte einer Gottheit, die aus einem Gefühl der Enttäuschung über ihre Schöpfung heraus die Welt durch eine Sintflut zerstört, um danach zu einem zweiten Versuch anzusetzen. Normalerweise überleben bei einer solchen Sintflut genau eine Frau und ein Mann (wodurch der ganze Schlamassel wieder von vorne beginnen kann).

       Über den Ursprung von Krankheit und Tod: Diese Mythen erzählen davon, dass die ersten Menschen in einem Paradies lebten, dessen vollkommenes Glück gestört wurde, als einer der Bewohner des Paradieses das Unglück in irgendeiner Form in diese Welt brachte. Einer der bekanntesten Mythen dieser Art ist der Mythos der Büchse der Pandora.

       Das Leben nach dem Tod: Viele Völker glauben, dass die Seele des Menschen nach dessen Tode weiter besteht. Die entsprechenden Mythen beschreiben, wie dieses Leben nach dem Tod aussieht.

       Die Gegenwart übernatürlicher Wesen: Alle Mythologien berichten von Gottheiten oder anderen übernatürlichen Wesen. Einzelne Gottheiten sind oft verantwortlich für bestimmte Bereiche des menschlichen Lebens. Manche übernatürlichen Wesen sind gut, andere sind böse. Die Menschen kämpfen im Bunde mit den guten Gottheiten gegen die bösen.

       Das Ende der Welt: Auch wenn die Welt in den meisten Mythologien schon mindestens einmal untergegangen ist (normalerweise durch eine verheerende Sintflut), so enthalten Mythen manchmal auch Vorstellungen darüber, wie das Ende der Welt in der Zukunft aussehen wird.

       Mythen über den Anbruch der Zivilisation: Die Menschen mussten lernen, nicht wie Tiere zu leben, sondern wie Menschen. Oft halfen ihnen die Götter dabei. Ein bekannter Mythos aus Griechenland erzählt die Geschichte, wie eine Gottheit das Feuer raubte, um es den Menschen zu bringen.

       Gründungsmythen: Reichsgründer und Herrscher führen gerne »geschichtliche« Gründe ins Feld, um zu erklären, warum es notwendig war, dass gerade sie ihre Feinde bezwingen und zu Staatsgründern werden konnten. Die Erfindung eines Mythos ist bei diesem Ansinnen häufig hilfreich gewesen.

Ein Grund, warum Mythen in ähnlicher Form immer wieder auftreten, lässt sich darin sehen, dass Menschen seit jeher von einem Ort zum anderen gezogen sind und sich dabei mit anderen ausgetauscht haben. Dies war schon so, lange bevor die Schrift erfunden wurde. Genauso wie es einen regen Austausch an Gütern oder auch ansteckenden Krankheiten gegeben hat, tauschten die Menschen auch ihre Mythen aus. Es gibt zum Beispiel nordamerikanische Indianerstämme, deren Mythologien interessanterweise Sintflutgeschichten enthalten. Wie lässt sich das erklären? Eine mögliche Deutung dafür wäre die Annahme, dass es die frühen christlichen Missionare waren, die den Indianern zusammen mit anderen christlichen Geschichten unter anderem auch die von Noah und der Sintflut erzählten. Vor ihrem ersten Kontakt mit den europäischen Einwanderern war ihnen die Vorstellung einer Zerstörung der Welt durch eine Sintflut vielleicht vollkommen unbekannt gewesen. Sie könnten sie schließlich durchaus von den Europäern übernommen und zu ihrer eigenen gemacht haben.

      Die Einzelheiten mythologischer Geschichten sind bedeutsam und hatten teilweise weitreichende Folgen. Viele Menschen haben zum Beispiel Mythen benutzt, um die Vorherrschaft der Männer über die Frauen zu rechtfertigen (denken Sie etwa daran, dass die Bibel berichtet, Eva sei aus einer Rippe Adams entstanden; nach dem Motto: »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst« sollte so die erzwungene Unterordnung der Frau legitimiert werden). Mythen haben auch dazu gedient, die Unterdrückung anderer sozialer Gruppen zu rechtfertigen. Dies geschieht sogar noch in der heutigen Zeit.

      In mythischen Erzählungen treten sehr oft die gleichen oder ähnliche Figuren auf. Es kommen in ihnen fast immer übernatürliche Wesen vor. Diese erscheinen dann als Gottheiten oder Götter. Neben den Göttern gibt es noch die menschlichen Figuren, die mit den Göttern interagieren. Menschen mit besonderen Eigenschaften erlangen den Status von Helden. Die Liste der Figuren wird vervollständigt durch mit übernatürlichen Fähigkeiten begabte Tiere und andere Gestalten, die ein Moment der Täuschung und List in die Geschichten hineinbringen.

       Gottheiten

      In allen mythischen Geschichten treten übernatürliche Wesen auf, die Macht über die Welt und die sie bevölkernden Menschen haben. Diese Wesen sind entweder Götter oder Göttinnen; das Wort Gottheit verwenden wir, wenn von dem Geschlecht der Götter abgesehen werden soll. Es gibt Kulturen, die nur eine Gottheit kennen; andere wiederum haben viele unterschiedliche. Normalerweise ist es aber so, dass eine Kultur eine Schöpfergottheit und mehrere andere göttliche Wesen kennt, die unter sich die unterschiedlichen Aufgaben aufteilen, wie zum Beispiel für den Lauf von Sonne und Mond zu sorgen, sich um die Toten zu kümmern, oder auch die Aufgabe haben, den Menschen eine ausreichende Ernte zu sichern und so weiter. Diese Arbeitsteilung im Reich der Götter war insofern praktisch, als die Menschen immer wussten, welche Gottheit sie wofür anzurufen hatten. Eine hochschwangere Frau musste also nicht ihre Zeit damit verschwenden, den Regengott um Beistand zu bitten.

      Antigötter

      Die übernatürliche Welt ist nicht nur ein Reich der gütigen Gottheiten. Es leben dort auch Wesen, die die negative Seite der Welt verkörpern und die Erde und die dort lebenden Menschen heimsuchen. Die Rede ist von Teufeln, Dämonen, Ungeheuern und Riesen, die Teil der Mythologie sind und sowohl gegen die Götter als auch gegen die Menschen kämpfen.

       Helden

      In vielen Mythen treten Helden auf, die erstaunliche Taten voller Wagemut, Stärke und Klugheit