Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln


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verscheuchte die alten Geister.

      Verscheuchte den Eisengrind.

      Vorerst.

      2

       29 Jahre später ...

      „Name?“

      „Zacharias Isias.“

      „Ist das Spanisch?“

      „Nee, christlich. Hab den mir nicht ausgesucht. Sag’n Sie einfach Zach.“

      „Na gut, Zach. Und Isias ist Jesaja, oder?“

      „Beschwer’n Sie sich beim Pastor.“

      „Verstehe ... Alter?“

      „Siebenunddreißig.“

      Detective Abraham Soi hob die Nase vom Protokoll und blickte etwas erstaunt auf den Mann, der ihm provokant in der karg möblierten Verhörzelle gegenübersaß – obwohl, eher lungerte.

      Ein punkiger Outlaw. Über die eins neunzig groß, sportlich gebaut, markantes Dreitagebartgesicht mit einer fiesen Narbe an der Backe, trotzige Irokesenfrisur und ein Blick, hart wie Beton. Sein ganzes Erscheinungsbild ließ erahnen, dass der Kerl meist mit den „Bullen“ von der Polizei Streit suchte, als brav bei ihnen Rede und Antwort zu stehen.

      Doch bis auf seine offensichtliche Arroganz war der Mann erstaunlich kooperativ geblieben, dafür, dass man ihn zu einer Zeugenaussage geladen hatte. Der hätte auch anders reagieren können.

      Allerdings war Soi klar, dass die Angaben, die er ihm lieferte, gut erstunken und erlogen sein konnten. Es war nichts Neues, wenn so ein Typ die Untersuchungen mit Falschaussagen behinderte.

      Das begann schon beim Alter.

      Siebenunddreißig? Der Bursche konnte locker zehn Jahre jünger sein.

      „Ich weiß, hab ’n Milchgesicht ...“, murrte Zach launisch und verschränkte die Arme vor der Brust.

      „Nun, das zwar nicht, doch ich bin etwas neidisch“, seufzte der Polizist, der mit fast vierzig sein angerautes Haar kurz streifte, bevor er die Notiz zu Papier brachte. „Die Frauen rennen Ihnen sicher scharenweise nach.“

      „Und wenn schon ...“, zuckte Zach die Schultern.

      „Wohnhaft?“, klapperte Soi weiter die nötigen Formalitäten ab und trug die Adresse ein, die der Mann ihm lieferte.

      Wie nicht anders erwartet. Irgendein heruntergekommenes Loch im Hafenviertel der Nordstadt.

      Er war zwar erst seit Kurzem als Teamleiter für das Gebiet zuständig, aber die Aktenberge wuchsen bereits auf seinem Schreibtisch in die Höhe.

      In der Gegend gab es so oft Ärger, wie in keinem zweiten Stadtbezirk, und die Leute schufen ihre eigenen Gesetze, bis sich kein anständiger Bürger mehr in diesen Slum hineintraute. Säufer, Dealer, Messerstecher, Schlägertruppen, Schmuggler und Nutten, wo man auch hinsah. Wer dort lebte, war ein verrückter, salziger Hund.

      Vor Jahren hatte die Stadtspitze einmal geplant, das ganze Gesocks auszuräuchern und den Bezirk umzugestalten, jedoch hatten Mächtigere genug Druck gemacht, um das zu verhindern. In den obersten Instanzen hatten einige ihre Finger in dunklen Hafengeschäften – und das schützte. Das raue Pack kam durch Beziehungen oft ungestraft davon und wenn es einen gab, der zu viel redete, landete dieser Pechvogel bestenfalls im Revier. Schlimmstenfalls bei den Fischen.

       Dieser Kerl hier ist wohl mal eine seltene Ausnahme, wie?

      „Nun gut, Zach.

      Sie haben das Opfer gekannt?“

      „Flüchtig, mal mit ihm gegessen“, floskelte der Mann desinteressiert und begann, an den silbernen Ringen in seinem linken Ohr herumzudrehen.

      Ist das ein nervöser Tick? Körpersprache lieferte ja häufig wichtige Indizien. Soi behielt seinen Gegenüber fest im Blick.

      „Hatte der Mann Feinde?“

      „Genug, dass es für drei Leben reicht. Hat sich gern unbeliebt gemacht.“

      Typisch. Die Krawallbrüder im Hafen suchten gern Ärger. Wuchs dieser ihnen dann über den Kopf, war die Rechnung stets teuer. Sollten Angehörige vorhanden sein, konnten die von Glück reden, wenn sie einen Leichnam zum Betrauern hatten.

      Was für ein vergeudetes Leben, schüttelte Soi den Gedanken ab. Das kann doch nicht die Erfüllung sein, oder?

      „Sie haben die Leiche gefunden. Wann und unter welchen Umständen ist das passiert?“

      „War die Nacht so gegen drei. Kam g’rad aus ’ner Bar, wollte in die nächste, und da hab ich ihn am Rand lieg’n seh’n. Die Katzen und Raben haben an ihm bestimmt schon ’ne Stunde oder so rumgefress’n, sah nicht mehr schön aus ... Kehle durch, Knete weg. Hielt’s für ’ne gute Aktion, dem Kerl noch zu ’nem Sarg zu verhelfen. In der Gosse gammelt genug Dreck rum.“

       Wie nett von ihm.

      „Es passieren recht viele Morde im Hafen, oder?“

      Zach grinste ihn frech an. „Bist neu hier?“

      „Merkt man sofort?“, war Soi etwas irritiert von dem vertrauten Du.

      „Jap. Sonst wär’ dir klar, dass das jeden Winter so is’“, seufzte der Mann beinahe belehrend zu dem Unwissenden. „Der Hafen geht, wenn man weiß, wie der Hase läuft. Bevor ’n Mord passiert, heißt’s erst mal ‘Geld oder Leben’. ’n bisschen drohen und Zoff, mehr nicht.

      Im Winter geht das anders. Die Rauchnächte machen die Jungs nervös und abergläubisch. Keiner is’ da gern im Freien, wenn’s dunkel wird, und wer keine Bleibe hat oder bezahlen kann, der sticht wen ab, um sich dessen Zeug untern Nagel zu reiß’n.

      Man findet täglich ’n paar Tote und das schürt die Geistergerüchte, was den Leuten noch mehr Schiss macht und wieder haben sie Panik vor der Dunkelheit. Is’ ’n Teufelskreis, der höchstens sechzehn Nächte geht, und dann is’ wieder Ruhe.“

      Ach so, verstand Soi. Hinter diesen Morden steckte ein alter Spuk.

      „Aber Sie scheinen das ganz locker zu sehen, oder, Zach?“

      Wieder dieses Schulterzucken.

      „Ich mach mir keine Platte. Bin zwar viel nachts unterwegs, doch noch geht’s mir gut. Is’ ja nicht so, dass ich mich nicht wehren könnte. Wer mir ans Leben will, wird’s schwer haben. Kann auch sein, dass ich bald Pech hab, dann fress’n mich auch die Ratten.“

      Na, das ist ja einer. Irgendwie war sich Soi nicht sicher, ob Zach mutig, dumm oder lebensmüde war. Vielleicht von allem etwas.

      „Gefährliches Pflaster, der Hafen“, sprach der Beamte nachdenklich. „Sie könnten auch während des Winters das Viertel verlassen. So würden Sie sicher länger leben.“

      „Kann sein ...“, klang der Mann gelangweilt.

      „Warum bleiben Sie also? Ich schätze Sie recht klug ein, Sie könnten doch sicher auch anderswo Fuß fassen als dort. Warum nur sein Leben riskieren?“

      Zach sah ihn mit seinen steinernen Augen an ... und zuckte die Schultern. „Weiß nicht. Is’ halt nicht mein Ding wie du hinter ’nem Schreibtisch zu hock’n.“

      Ist ein Argument, musste er zugeben. Nicht jeder zog eine abgesicherte Karriere in der geregelten Gesellschaft vor. Manch einer wollte vogelfrei sein. Der Preis dafür war oft ein gewaltsamer Tod.

      Soi kam auf seine Arbeit zurück. „Nun gut.

      Haben Sie etwas Verdächtiges an dem Toten bemerkt? Zum Beispiel die Spuren eines Kampfes? Denken Sie, er hat sich gegen seine Angreifer gewehrt?“

      „Nee, nicht wirklich. Vielleicht hat er’s versucht, aber weil er zehn