Michael Bardon

Mörderische Spiele


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Stirn.

      »Männer!«, stöhnte Nina neben mir und schnitt eine Grimasse. Nina war die Tochter meines guten Freundes Jack Baur. Er war Inhaber einer internationalen Sicherheitsagentur und hatte Mia und mir vor gut zwei Monaten das Leben gerettet.

      »Na komm, Nina, wir gehen besser vorne mit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Domi den Weg ohne Probleme findet.«

      Nina schaute mich für einen kleinen Moment aus ihren rehbraunen Augen an. Dann legten sich kleine Lachfältchen um ihren Mund und sie sagte: »Da dürftest du gar nicht so falsch liegen. Domi ist ein kleiner Pechvogel. Lieb, aber völlig unstrukturiert und orientierungslos. Der verläuft sich in einem Parkhaus und findet erst wieder hinaus, wenn es abgerissen wird.«

      Kopfschüttelnd schaute ich meiner Klasse hinterher. Ein bunter Haufen voller liebenswerter Chaoten, die darauf warteten, die Welt zu erobern. Und an ihrer Spitze lief ein schlaksiger Junge, der – laut Nina – nicht links von rechts unterscheiden konnte.

      »Na, da haben wir den Bock ja zum Gärtner gemacht«, stöhnte ich leise und folgte Nina mit schnellen Schritten.

       *

      Noch bevor er sie sehen konnte, hörte er das leise Knacken von brechenden Ästen. Sie stapften durch seinen Wald wie eine Rotte Wildschweine auf der Flucht.

      Angewidert schloss er seine Augen. Was bildeten sich diese Menschen eigentlich ein? Sie befanden sich in seinem Wald, auf seinem Spielfeld. Hier wurde nach seinen Regeln gespielt, hier musste man sich an seine Regeln halten. Aber er würde sie schon lehren, sich in seinem Wald zu benehmen.

      »Nichts ist umsonst, meine kleinen Ferkel, selbst der Tod verlangt nach einem Entgelt«, stieß er verächtlich durch die Zähne.

      Der Fuchs verlagerte sein Gewicht und versuchte, die starr gewordenen Muskeln in seinen Beinen etwas zu entlasten. Sein Versteck war gut gewählt. Mit seiner sorgfältig zusammengestellten Tarnkleidung war er für untrainierte Augen so gut wie unsichtbar.

      Heute würde seine Nummer 1 vielleicht eine neue Gefährtin bekommen. Doch es kam natürlich noch darauf an, wie hübsch die kleinen Schweinchen aussahen und wie gut sie gewachsen waren! Hässliche Frauen hatte er schon genug im Leben gesehen. In seiner Sammlung fanden nur die schönsten Exemplare einen Platz.

      Wer seine ungeteilte Aufmerksamkeit erhaschen wollte, musste schon etwas ganz Besonderes sein. So wie seine Nummer 1. Sie war von schlichter Eleganz, hatte eine atemberaubende Figur, sanfte zarte Haut und war dennoch gefährlich wie eine Raubkatze.

      Der Fuchs lächelte versonnen und vergaß für einen kurzen Augenblick alles um sich herum. Doch das Hecheln eines Hundes spülte ihn zurück in die Wirklichkeit und riss ihn unsanft aus seinen Träumen. Mit einer mechanischen Bewegung griff er an seinen Gürtel, löste sein Messer aus der Scheide und zog es geräuschlos heraus. Die fremden Stimmen kamen langsam näher. Er konnte deutlich zwischen zwei Frauen unterscheiden.

       *

      »Gismo, Gismo, komm zu Frauchen!«

      »Na, nun lass ihm doch seinen Spaß. Kommt schließlich nicht allzu oft vor, dass er durch den Wald streunern kann.«

      »Ja, hast schon recht, aber wer weiß, was für Viehzeug sich hier so alles herumtreibt.«

      »Ach, Petra, du immer mit deiner Schwarzmalerei. Was soll hier im Wald schon sein? Hier gibt es Bäume, Sträucher und irgendwo ein markiertes Versteck.«

      »Weiß auch nicht, aber ich habe ein ganz blödes Gefühl. Irgendetwas stimmt hier nicht! Gismo, bei Fuß!«

      »Ach, so ein Quatsch. Mit deinem blöden Gefühl versaust du uns noch den ganzen Tag. Ich habe mich so auf das Geocachen gefreut. Bist du nicht auch gespannt, was wir in dem Versteck Schönes finden?«

      »Schon. Aber irgendwie habe ich ein seltsames Gefühl. Mir kommt es so vor, als ob uns jemand beobachtet.«

      »Mensch, Petra, leidest du jetzt unter Verfolgungswahn? Wer soll uns denn hier beobachten? Schau lieber mal auf die Koordinaten, ich glaube nämlich, dass wir etwas vom Weg abgekommen sind.«

      »Nö, das passt schon! Wo steckt denn nur dieser Hund? Gismo, komm zu Frauchen, na komm!«

       *

      Der Fuchs stand lächelnd in seinem Versteck und spürte, wie ein Gefühl der Vorfreude ganz langsam in ihm aufstieg. Der Jäger in ihm war erwacht, das wilde Tier, das in seiner Seele hauste, wollte endlich zuschlagen. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, sein Atem ging stoßweise. In seinen Lenden spürte er ein wildes Pulsieren, sein Mund war mit einem Schlag so trocken wie eine Salzwüste.

      Das heisere Knurren eines Hundes drang an sein Ohr, Sekunden später brach ein zotteliger Mischling durch das Dickicht, in dem er stand. Zähnefletschend machte der Fuchs einen Schritt zur Seite. Seine Hand, die das große Jagdmesser hielt, vollzog eine schnelle, halbkreisförmige Bewegung. Seine zweite Hand schoss mit einer schlangenhaften Schnelligkeit nach vorne und krallte sich fest in das zottelige Fell des Tieres.

      Mit einem leisen Zischen zerteilte die Klinge seines Messers die Luft und drang tief in den Brustkorb des Mischlingsrüden ein. Ein Gefühl der Erregung pulsierte in seinen Adern. Er spürte das unkontrollierte Zucken des Hundes, als er genüsslich die Klinge in der klaffenden Wunde des Tieres herumdrehte. Warmes Blut floss ihm über den Handrücken, spritzte auf seine Kleidung und tropfte auf den Waldboden. Ein letzter Schauer schüttelte den geschundenen Körper des kleinen Hundes, ein gequältes Jaulen stieg tief in seiner Kehle auf. Dann konnten seine Beine das Gewicht des Körpers nicht mehr tragen und knickten schlagartig ein.

      Achtlos zog er das Messer aus dem Kadaver und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder den Frauen zu. Sie würden seine nächsten Opfer werden, der Fuchs hatte die Jagdsaison eröffnet.

      5

      Benommen schlug sie die Augen auf. Die kleine Stehlampe neben dem Metallgestell, das ihr als Bett diente, streute noch immer ihr sanftes Licht und warf gespenstige Schatten an die Wand. Sogar die Musik hatte er angelassen. Leise, aber dennoch gut verständlich.

      Vorsichtig untersuchte sie ihren geschundenen Körper.

      Ihre linke Hand streichelte sanft über den Bauch und sie spürte die kleinen Bisswunden, rund um ihren Bauchnabel. Mechanisch glitten ihre Hände weiter und verharrten für einen Moment auf dem kleinen Dreieck ihrer Schambehaarung. Zwischen ihren brennenden Beinen spürte sie eine klebrige Mischung aus Blut und Sperma. Angeekelt schloss sie die Augen und versuchte ihre Schmerzen zu ignorieren.

      Doch trotz ihrer Verletzungen und der Erniedrigungen, die sie heute hatte ertragen müssen, hatte sich ihr Leben entschieden verbessert. Sie war nicht mehr an das Bett gefesselt und konnte sich in einem Umkreis von zwei Metern um ihre Schlafstätte herum bewegen.

      Natürlich trug sie noch diese verdammten Handschellen!

      Doch Karl hatte diese vom Bettgestell gelöst und mit einer massiv aussehenden Stahlkette an der Wand verbunden.

      Dann hatte er ihr die kleine Chemie-Toilette in Reichweite gestellt und Toilettenpapier, Hygieneartikel, eine Schüssel und einen zehn Liter Wasserkanister danebengestellt.

      Zum Abschluss hatte er noch etwas Obst, Brot und gut zwei Dutzend Wasserflaschen auf die andere Seite des Bettes platziert.

      In den nächsten Tagen würde er wenig Zeit haben und könne wahrscheinlich nicht bei ihr vorbeischauen. Sie müsse sich das Essen eben einteilen und sich die Zeit mit Radio hören vertreiben, hatte er gesagt und dazu so seltsam wissend gelächelt.

      Sie solle gut aufpassen, vielleicht würde im Radio ja etwas über einen Fuchs zu hören sein. Während sie noch über seine Worte nachgedacht hatte und überlegte, was es mit diesem Fuchs wohl auf sich hatte, war er wie ein Tier über sie hergefallen.

      Nur langsam konnte sie das Grauen abstreifen und wieder klar zu Denken anfangen. Zu schlimm war das Erlebte, zu