George Eliot

Middlemarch


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in jeder anderen Beziehung. Ich bin zufrieden, nicht schlechter zu sein als meine Nachbarn. Aber wenn Du uns herunter kommen lassen willst, so sage es nur. Ich werde dann besser wissen, was ich zu tun habe.«

      »Du sprichst unvernünftig. Kommt Deine Familie dadurch herunter, daß Du diesen Brief für Deinen Sohn nicht erhältst?«

      »Nun gleichviel, ich betrachte es als sehr wenig hübsch von Dir, diesen Brief zu verweigern. Solche Dinge mögen, noch so schön mit Religion gefüttert sein, nach außen machen sie doch einen häßlichen, mißgünstigen Eindruck. Du könntest Fred eben so gut verleumden, wenigstens kommt es der Verleumdung sehr nahe, wenn Du Dich zu erklären weigerst, daß Du keine Verleumdung in Umlauf gesetzt hast. Dieses Wesen, dieser tyrannische Geist, der überall Bischof und Bankier spielen will, bringt den Namen eines Mannes in üblen Geruch.«

      »Vincy, wenn Du durchaus mit mir in Streit geraten willst, so wird das sowohl für Harriet wie für mich äußerst schmerzlich sein,« sagte Herr Bulstrode noch ein wenig eifriger und blasser als gewöhnlich.

      »Ich will mich nicht mit Dir streiten. Es ist in meinem Interesse und vielleicht auch in dem Deinigen, daß wir gute Freunde bleiben. Ich habe keinen Groll gegen Dich, ich denke nicht schlechter von Dir, als von anderen Leuten. Von einem Manne, der aus Grundsatz hungert und so streng auf Familiengebete und dergleichen hält wie Du, darf man annehmen, daß er wenigstens an seine Religion glaubt. Du könntest ja Dein Capital grade so rasch mit Fluchen und Schwören umsetzen, wie es so Viele tun. Du magst gern kommandieren, das steht fest, und wenn Du im Himmel nicht die erste Violine spielen kannst, so wird es Dir dort nicht gefallen. Aber Du bist der Mann meiner Schwester, und wir sollen zusammenhalten, und wenn ich Harriet recht kenne, so wird sie es Dir Schuld geben, wenn wir in Streit geraten, weil Du in dieser Weise Mücken seihest und Dich weigerst, Fred einen Dienst zu leisten. Und ich muß Dir offen bekennen, ich werde es Dir nicht gut aufnehmen. Ich betrachte es als einen häßlichen Zug von Dir.«

      Herr Vincy stand auf, fing an seinen Überrock zuzuknöpfen und sah seinem Schwager scharf ins Gesicht, indem er ihm so das Verlangen einer entscheidenden Antwort nahe zu legen meinte.

      Es war nicht das erste Mal, daß Herr Bulstrode damit anfing, Herrn Vincy zu vermahnen, und damit aufhörte, ein sehr unbefriedigendes Bild seiner selbst in dem groben, wenig schmeichelnden Spiegel zu erblicken, welchen sein Schwager den feineren Lichtern und Schatten seiner Nebenmenschen vorzuhalten pflegte, und vielleicht hätte seine Erfahrung ihn voraussehen lassen können, wie auch diese Szene endigen würde. Aber eine reichlich gespeiste Fontaine spendet ihr Wasser, selbst wenn der Regen es mehr als überflüssig macht, und ein übersprudelnder Quell der Ermahnung hält mit seinen Spenden eben so schwer zurück.

      Es lag nicht in Herrn Bulstrode's Natur, sich unbequemen Zumutungen ohne Weiteres zu fügen; er mußte, bevor er sich bei solchen Gelegenheiten zu einer Zusage entschloss, sich immer erst seine Motive zurecht legen und dieselben mit seinen Grundsätzen in Einklang bringen. Endlich sagte er:

      »Ich will mir die Sache ein wenig überlegen, Vincy, ich will mit Harriet darüber reden. Ich werde Dir wohl den Brief schicken.«

      »Nun gut, so bald wie möglich, wenn ich bitten darf. Ich hoffe, die Sache kommt in Ordnung, ehe wir uns morgen wiedersehen.«

      14

      Follows here the strict receipt

      For that sauce to dainty meat,

      Named Idleness, which many eat

      By preference, and call it sweet:

      First watch for morsels, like a hound

      Mix well with buffets, stir them round

      With good thick oil of flatteries,

      And froth with mean self-lauding lies.

      Serve warm: the vessels you must choose

      To keep it in are dead men's shoes.

      Herrn Bulstrode's Konsultation mit Harriet schien den von Herrn Vincy gewünschten Erfolg gehabt zu haben; denn früh am nächsten Morgen traf ein Schreiben ein, welches Fred Herrn Featherstone als die verlangte Bescheinigung bringen konnte.

      Der alte Herr war des kalten Wetters wegen im Bett geblieben. Als daher Fred Mary Garth nicht im Wohnzimmer fand, ging er ohne Weiteres hinauf und präsentierte den Brief seinem Onkel, welcher, in seinem Bette behaglich aufsitzend, in nicht geringerem Maße als gewöhnlich im Stande war, sich seiner Stärke im Mißtrauen gegen die Menschen und im Enttäuschen ihrer Erwartungen zu erfreuen. Er setzte seine Brille auf, um den Brief zu lesen, indem er die Lippen spitzte und die Mundwinkel herabzog:

      ›Unter den obwaltenden Umständen will ich mich nicht weigern, meine Überzeugung dahin auszusprechen –‹

      »Oho! wie gewählt der Patron sich ausdrückt; er spricht ja wie ein Auktionator –«

      ›daß Dein Sohn Frederic keinen Geldvorschuss auf Grund eines ihm von Herrn Featherstone zugesagten Vermächtnisses erhalten hat –‹

      »Zugesagten? Wer hat behauptet, daß ich je etwas zugesagt habe? Ich sage nichts zu – Ich werde Kodizille machen, so lange ich Lust habe –«

      ›und daß es in Betracht der Natur eines solchen Verfahrens unvernünftig wäre anzunehmen, daß ein junger Mann von Verstand und gutem Charakter sich zu demselben herbeigelassen haben sollte –‹

      »Oho! aber der Herr sagt nicht, daß Du ein junger Mann von Verstand und gutem Charakter bist, merken Sie sich das, mein Verehrter –«

      ›Was meinen Anteil an einem derartigen Gerüchte betrifft, so erkläre ich bestimmt, daß ich niemals eine Äußerung des Inhalts getan habe, daß Dein Sohn auf irgend welches Eigentum hin, welches ihm bei Herrn Featherstone's Ableben zufallen möge, Geld geborgt habe.‹

      »Gott steh mir bei! ›Eigentum‹ – ›zufallen‹ – ›Ableben!‹ Advokat Standish ist Nichts dagegen. Er könnte sich nicht schöner ausdrücken, wenn er selbst Geld borgen wollte. – Nun?« – Hier sah Herr Featherstone Fred über seine Brille hinweg an und reichte ihm dabei den Brief mit einer verächtlichen Gebärde. »Du denkst doch nicht, daß ich etwas darum glaube, weil Bulstrode es in schönen Worten sagt! Wie?«

      Fred errötete. »Du hast ja den Brief verlangt, Onkel. Ich sollte doch denken, Herrn Bulstrode's Erklärung wäre leicht so viel wert, wie die Behauptung dessen, der Dir erzählt hat, was Jener in Abrede stellt.«

      »Ganz gewiß. Ich habe nie gesagt, daß ich weder dem Einen, noch dem Andern etwas glaube. Und was erwartest Du jetzt?« fragte Herr Featherstone kurz, indem er seine Brille aufbehielt, aber seine Hände unter seine Decke steckte.

      »Ich erwarte nichts, Onkel.« – Fred mußte gewaltsam an sich halten, um seiner gereizten Stimmung nicht Luft zu machen. – »Ich bin hergekommen, Dir den Brief zu bringen. Wenn Du es wünschest, will ich wieder fortgehen.«

      »Noch nicht, noch nicht, klingle, die Kleine soll kommen.«

      Auf das Klingeln erschien ein Dienstmädchen.

      »Sag' Fräulein, sie solle kommen!« sagte Herr Featherstone ungeduldig. »Warum ist sie fortgegangen?« In diesem Tone sprach er auch mit Mary selbst, als sie erschien.

      »Warum bist Du nicht ruhig hiergeblieben, bis ich Dir gesagt habe, daß Du fortgehen sollest? Ich will meine Weste haben. Ich habe Dir gesagt, Du sollst sie immer auf's Bett legen.«

      Mary's Augen waren etwas gerötet, als ob sie geweint hätte. Es war klar, daß Herr Featherstone diesen Morgen in einer seiner bissigsten Launen war, und obgleich Fred jetzt Aussicht hatte, das so sehnlichst gewünschte Geldgeschenk zu bekommen, würde er es doch vorgezogen haben, sich ganz ungeniert gegen den alten Tyrannen aussprechen und ihm sagen zu können, daß Mary Garth zu gut sei, um auf einen Wink von ihm gehorchen zu müssen. Obgleich Fred bei ihrem Eintritt aufgestanden war, hatte sie ihn doch kaum bemerkt und sah aus, als ob ihre Nerven in der Erwartung, daß ihr etwas an den Kopf geworfen werden würde, zitterten.

      Aber