Ralf Budde

Vertragsmanagement im Projektgeschäft


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kommt es zur mündlichen Hauptverhandlung, dem Trial. Dabei legt der Kläger seinen Fall den Geschworenen, der Jury vor. Nachdem der Beklagte Gelegenheit erhalten hat, Einspruch einzulegen und den Fall aus seiner Sicht zu schildern, fällt die Jury das Urteil. Gegen dieses Urteil kann das Rechtsmittel des Appeals (Berufung) eingelegt werden.

      Anwälte

      Grundsätzlich kann ein Rechtsanwalt seine Mandanten nur vor den Gerichten des US Bundesstaates vertreten, in dem er von der Rechtsanwaltskammer (bar association) zugelassen ist. Für die Vertretung vor Bundesgerichten (Federal Courts) bedarf es hingegen zum Teil einer besonderen Zulassung, die sich auch nach der jeweiligen Sache richtet, die anhängig gemacht werden soll. Eine dem deutschen Rechtsinstitut des Anwaltszwangs entsprechende gesetzliche Regelung besteht in den USA grundsätzlich nicht. Aufgrund der Unterschiede zwischen US amerikanischem und deutschem Rechtssystem empfiehlt es sich jedoch, bei gerichtlichen Auseinandersetzungen einen Rechtsanwalt einzuschalten. Eine Gebührenordnung für Rechtsanwälte existiert in den USA nicht. Rechtsanwälte berechnen üblicherweise Stundenhonorare zwischen 100,- $ und 500,-$, Erfolgshonorare oder teilweise ein einmaliges Festhonorar (flat fee). Es wird daher empfohlen, vor Mandatserteilung eine schriftliche Vereinbarung über das Honorar zu treffen. Häufig ist vor Tätigwerden des Anwalts eine hohe Anzahlung auf die zu erwartenden Kosten zu zahlen. Anders als in Deutschland trägt jede Partei ihre Anwaltskosten in der Regel selbst, auch im Falle des Obsiegens. Ein US-amerikanischer „notary public“ ist mit einem deutschen Notar nicht vergleichbar. Die Tätigkeit als „notary public“, Unterschriften und teilweise auch Fotokopien zu beglaubigen, setzt keine rechtliche Vorbildung voraus.

      Prozessführung durch Deutsche in Amerika

      Nach dem deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II 488) besteht für Deutsche Zugang zu den amerikanischen Gerichten. Sie können Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen und sind von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für Prozesskosten befreit. Inhaftierte haben bei Mittellosigkeit Anspruch auf einen Pflichtverteidiger (public defender). Prozesskostenhilfe wird in einigen US-Bundesstaaten Prozessparteien gewährt, die dort ihren Wohnsitz haben. Die örtlichen Rechtsanwaltskammern vermitteln bei Mittellosigkeit teilweise kostenlose Rechtsberatung und bieten eine Anwaltsvermittlung (lawyer referral service) an.

      Klageschrift

      Der Anwalt bereitet in der Regel die Klageschrift (complaint) vor. Die Klagepunkte müssen klar definiert werden. Achten Sie darauf, dass dies sorgfältig und gewissenhaft geschieht. Jeder Fehler wird durch die Gegenseite vor der Jury intensiv ausgeschlachtet und gegen Sie verwendet. Die Jury versteht keine fachlichen Details. Es empfiehlt sich daher, den Fall so zu schildern, dass er allen Nicht-Fachleuten verständlich ist.

      Pre-Trial-Discovery

      Der Anwalt reicht anschließend die Klage bei dem zuständigen amerikanischen Gericht ein, das einen Richter für die Aufarbeitung des Falles bestimmt (pre trial discovery). Die Aufarbeitung kann durchaus von einem anderen Richter durchgeführt werden als von dem, der später den Prozess führen wird. Anwälte haben in der Vergangenheit das Discovery-Verfahren zum Teil missbraucht, um durch die hohen Kosten des Verfahrens einen Vergleich auch bei unsinnigen Anträgen zu erzwingen. Diesem wurde durch eine Reform entgegengewirkt, die eine Zusammenkunft der Parteien bei Verfahrensbeginn vorsieht. Die Parteien sollen zunächst kooperativ den Rechtsstreit gemeinsam besprechen und einen Ablaufplan, den so genannten „Discovery-Plan“, entwerfen. Anschließend haben beide Parteien der Gegenseite unaufgefordert ihre Maßnahmen im Discovery-Verfahren offen zu legen, z. B. die Angabe der potentiellen Zeugen und Beweismittel. Bei diesem „Vor-Discovery-Verfahren“, dass das eigentliche Discovery-Verfahren bzw. die Hauptverhandlung überflüssig machen soll, unterliegen die Parteien einer sehr hohen Wahrheitspflicht.

      Cross Complaint

      Die Klage wird der Gegenpartei zugestellt, die eventuell eine Gegenklage (cross complaint) aufstellt, die ebenfalls über das Gericht und den Anwalt zugestellt wird.

      Request for Production of Documents

      Beide Anwälte verlangen nunmehr jeweils von der Gegenseite, ihnen alle überhaupt nur existierenden Unterlagen, die mit dem Fall etwas zu tun haben, über das Gericht zur Verfügung zu stellen.

      Discovery

      Nachdem beide Anwälte alle Dokumente jeweils von der eigenen und der gegnerischen Partei erhalten haben, wird über das Gericht und Ihren Anwalt ein umfangreicher Fragenkatalog der Gegenseite zugestellt. Üblicherweise verfahren Sie über Ihren Anwalt mit der Gegenpartei in ähnlicher Weise. Bei dem Discovery-Verfahren handelt es sich um das Beweisaufnahmeverfahren. Dies findet vor der mündlichen Hauptverhandlung statt. Es soll der gründlichen Sachverhaltsaufklärung dienen und Überraschungseffekte, wie beispielsweise das Einbringen eines unbekannten Zeugen in dem Hauptverfahren, vermeiden. Die Beweisaufnahme wird den Anwälten überlassen. Richter greifen nur ungern in das Discovery-Verfahren ein, werden aber auf Antrag tätig, um Zwangsmittel wegen mangelnder Mitwirkung zu verhängen oder um bestimmte Schutzmaßnahmen, z. B. für Zeugen, anzuordnen. Das Discovery-Verfahren umfasst umfangreiche Möglichkeiten, einer Prozesspartei Beweismaterial zugänglich zu machen. Die wichtigsten sind die depositions (Zeugenvernehmung), die „production of documents“ (Vorlage von Akten), interrogatories (Fragen an die Gegenseite) und die „requests for admissions“ (Aufforderungen, bestimmte Tatsachen zuzugestehen).

      Es steht den Anwälten frei, welche Zeugen sie vernehmen oder welche Akten vorgelegt werden sollen. Jedwede Information, die geeignet scheint, um zu verwertbarem Beweismaterial zu führen, ist zulässig. Es ist eine Ausforschung der Gegenseite in dem Versuch, Beweise zu entdecken. Im Gegensatz zu Deutschland ist dies ausdrücklich erlaubt. Die Entscheidung, ob es zu einem Verfahren kommt, wird häufig erst auf der Grundlage der gefundenen Beweise beschlossen. Da die Anwälte des Beklagten größtenteils auf Stundenbasis bezahlt werden, kann vor allem ein mehrmonatiges Discovery-Verfahren die Anwaltskosten erheblich in die Höhe treiben. Das Wissen um die besonders hohen Schadensersatzsummen und die erheblichen Rechtskosten wird regelmäßig seitens der (Kläger)Anwälte genutzt, um einen Vergleich zu erzielen. Gerade im amerikanischen Rechtssystem besteht ein hoher wirtschaftlicher Druck, teilweise sogar unberechtigte Ansprüche auf dem Vergleichswege zu befriedigen, um ein teures und zeitaufwendiges discovery zu vermeiden. Die mögliche Gegenklage (discovery of crosscomplaint) der Gegenseite wird in ähnlicher Weise behandelt. Es handelt sich um ein eigenständiges Verfahren.

      Jury

      Zu Beginn des Verfahrens wird eine Jury bestimmt. Das Recht auf ein Jury-Verfahren ist fest in der Constitution (Bundesverfassung) verankert. Für diese Aufgabe können sich alle Bürger der USA bewerben, sofern sie nicht gesetzlich vorbelastet sind. Aus einer Auswahl von Bewerbern, die alle einen Fragenkatalog wahrheitsgemäß beantworten mussten, werden durch die Anwälte jeweils abwechselnd Jurymitglieder bestimmt. Es wird genau darauf geachtet, dass die Jurymitglieder keine Beziehung zu einer der beiden Parteien haben. Sie müssen sich einer persönlichen Befragung durch die Anwälte unterziehen. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Jury das Urteil – dem Grunde und der Höhe nach – fällt und damit für die Anwälte über „Sieg oder Niederlage“ entscheidet. Daher wird versucht, alles über die einzelnen Jury-Mitglieder in Erfahrung zu bringen, um festzustellen, ob sie „klägerfreundlich“ eingestellt sind. Hierfür werden darauf spezialisierte Firmen – so genannte Jury Consultants – angesetzt, da die Anwälte selbst vorher keinen Kontakt mit den evtl. Jury-Mitgliedern haben dürfen (Befangenheit). Die Kosten für die Jury belaufen sich zwischen USD 4-50 pro Tag. Die Jurymitglieder haben in der Regel keine fachliche Erfahrung, es wird auch keine bestimmte Ausbildung vorausgesetzt. Die Jury bestand ursprünglich aus zwölf Juroren. Heutzutage ist es jedem einzelnen Bundesstaat selbst überlassen, die Anzahl der Jurymitglieder zu bestimmen. So variiert die Zahl heute zwischen fünf bis 14 Jurymitgliedern. Die Jury stellt keine Fragen, sondern hört nur zu und macht sich Notizen. Der Richter gibt der Jury bisweilen formaljuristische Erläuterungen. Mit der Jury darf auf keinen Fall gesprochen werden. Während die Jury früher einstimmig ihr Urteil fällen musste, ist dies seit einer Entscheidung des „U.S Supreme Court“ aus dem Jahre 1970 nicht mehr der Fall. In welchem Verhältnis die Jury ein Urteil zu fällen hat, ist ebenfalls jedem einzelnen