Daimon Legion

Mit schwarzen Flügeln


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      Die Rekruten des Cherubs Ophaniel waren bereits sehr vielversprechend ausgebildet im Schwertkampf. Jedoch ließ es sich Luzifel nicht nehmen, ihnen stets auf ein Neues die wichtigsten Kampfregeln zu predigen, damit diese in Fleisch und Blut übergingen. Im Allgemeinen erzielte diese Methode Erfolge.

      Er mahnte sie wiederholt zur Vorsicht, weil der Gegner unerwartet handeln konnte und sie sollten nie leichtsinnig von einem Sieg ausgehen, solange die feindliche Seite noch Kämpfer zur Verfügung hatte. Ein einzelner Krieger konnte eine Schlacht ändern und wenige Mann konnten erbitterten Widerstand leisten. Bis der Gegner nicht dem Tod erlag, war ein Sieg nicht gewiss.

      Gebannt lauschten die unerfahrenen Soldaten seinen Worten. Sie hörten ihm aufmerksam zu, denn er war es doch, der Satan besiegt hatte in einem Krieg, der ihre Vorstellungskraft auf die Probe stellte. Er war der Held des Himmelreichs, der Bezwinger unzähliger Dämonen.

      Dieser Ruhmgesang schien bloß nicht bei allen zu ziehen.

      „Was gibt es denn zu grinsen, Kadett?“, herrschte Luzifel einen jungen Engel an, der ertappt zusammenzuckte.

      „N-nichts, Herr.“

      Luzifel schritt auf den blonden Bengel zu und obwohl er von kaum erwähnenswerter Größe war, überragte er jeden Einzelnen im Zug mit seiner Ausstrahlung. Man machte ihm gebührend Platz, dass er den Knaben streng in die Mangel nehmen konnte.

      „Name und Rang, Kadett.“

      „Haniel, Fürstentum, mein Herr.“

      „Nun denn, Haniel, sag mir doch mal, worüber du dich die ganze Zeit so köstlich amüsierst, während ich geredet habe? Fandest du meine Ratsschläge etwa komisch? Habe ich einen Witz erzählt, den ich nicht als solchen verstehe?“ Luzifels blaue Augen bohrten sich unnachgiebig in ihn hinein.

      „Nein, Herr.“

      „Nicht so bescheiden, Haniel. Wenn du etwas zu sagen hast, teile es uns mit, dann können wir alle lachen. Ich tu mich dabei etwas schwer.“

      Haniel sah eingeschüchtert aus und seine Blicke huschten herum, Hilfe suchend bei seinen stummen Kameraden oder Ophaniel selbst. Wenngleich sein Zugführer wohl kaum den Vorgesetzten ins Wort fallen würde.

      „Nun, ich warte“, forderte ihn Luzifel munter auf.

      Durchatmend musste Haniel in das kalte Wasser springen. „Herr, es ist nur so, dass Ihr uns bei der letzten Visite bereits die gleichen Ratschläge gegeben habt. Ich denke, wir haben alle verstanden, was Ihr uns verdeutlichen wollt.“

      „Du meinst also, du kannst das alles? Sollte es jemals wieder zu einem Krieg kommen, glaubst du also, ich könnte mich hundertzehnprozentig auf dich verlassen und sicher sein, dass du keinen Mist baust?“ Luzifels Augen blickten weiter zänkisch. „Du würdest also nicht wie diese zig inkompetenten Idioten damals in den Tod rennen und jeden Dämon bei kühlem Verstand besiegen?“

      Es war anmaßend, auf die Unfähigkeit seiner Vorgänger einzugehen, dennoch antwortete Haniel stolz mit: „Ja, Herr, das würde ich.“

      „Gut.“ Der Gardeführer drehte sich von ihm ab und sagte, dass jeder ihn hören konnte, laut: „Dann hast du nichts dagegen, deine Künste hier und jetzt unter Beweis zu stellen?“

      Haniel bekam einen Schock. „G-g-gegen Euch?“

      „Zum Beispiel“, grinste Luzifel dreist und nahm ein Übungsschwert aus einem nebenstehenden Fass zur Hand. „Meinen Rat magst du ja nicht mehr hören, folglich erwägst du, mich schlagen zu können.

      Zeig mir, was in dir steckt, Haniel, und ich befördere dich heute noch zum Thron. Bei denen ist nämlich gerade ein Platz frei geworden ...“

      Einige Kadetten lachten verstohlen, hatte sich doch Tzaphiels Schicksal herumgesprochen.

      „Oh, toll“, reagierte der Seraph fröhlich auf das Gelächter, „jetzt hab ich wohl doch mal einen Witz gerissen! Bitte amüsiert euch nicht zu sehr, sonst darf ich mir wieder anhören, dass ich angeblich zu dreist sei gegenüber meinen Kollegen. Raphael habe ich schon zu oft zum Weinen gebracht.“

      Selbst Ophaniel prustete hinter vorgehaltener Hand.

      Keinen anderen Ausweg sehend, trat Haniel aus der Reihe und Luzifel entgegen auf dem weiten Übungsplatz, wo andere Einheiten trainierten, die dummerweise jedoch schnell mitbekamen, was bei ihnen gespielt wurde. Der Gardeführer hatte vor, ihn vor allen Rekruten Beriahs zu blamieren.

      Während der Schüler nach einer geeigneten Waffe suchte, schlenderte der Meister wenige Schritte auf und ab, das schlichte Schwert kraftvoll schwingend.

      „Eine kleine Wiederholung, Haniel. Da du ja alles weißt, nenne mir die drei goldenen Regeln für einen ordnungsgemäßen Zweikampf. Jetzt bin nicht ich der langweilige Lehrer, sondern du.“

      Zitternd versuchte Haniel, klar zu denken. „Ähm ... Gleiche Chancen für beide Kämpfer.“

      Luzifel nickte. „Richtig. Unsere Waffen bieten keinem einen Vorteil. Weiter.“

      „Un-unparteiischer Boden?“, war sein Gegenüber nicht ganz überzeugt.

      Sich in der Gegend umsehend nickte Luzifel erneut. „Würde ich meinen. Ein Punkt fehlt noch.“

      „Ein Richter!“

      „Drei Richter“, korrigierte ihn der Gardeführer. „Einen für dich, einen für mich und einen für keine Seite. Letzteren Posten bezieht Ophaniel, such du dir den deinen aus.“

      Haniel rief einen befreundeten Engel zu seiner Linken und auch Luzifel wählte aus den umstehenden Schaulustigen einen Bekannten, den dunkelhäutigen Cherub und achten erstrangigen Erzengel Raziel.

      Eine ruhige Person, die sein Vertrauen genoss und dessen Weisheit seinesgleichen suchte. Außerdem war er das einzige Mitglied des Hohen Gerichtes, das Luzifel leiden konnte.

      Ophaniel bezog seinen Posten zwischen den beiden Parteien und verkündete: „Der offizielle Kampf von Seraph Luzifel Morgenstern und Fürstentum Haniel beginnt ... jetzt.“

      Kaum, dass der Cherub durchgeschlagen hatte, preschte Luzifel vor und Haniel wusste nicht, wie ihm geschah. Plötzlich war er entwaffnet und lag rücklings am Boden, mit Luzifels Schwert an seiner Kehle. Während sie beide unbeweglich verharrten, warfen die Richter einander vielsagende Blicke zu und Ophaniel gab nicht überraschend kund: „Der Sieger ist der Morgenstern.“

      Luzifel wich von Haniel ab und steckte das Schwert ins Fass zurück. Vernehmlich für alle sagte er: „Wir sehen, Kadett, du musst dir noch des Öfteren die Wiederholungen meine Vorträge anhören. Ich würde raten, du hörst mit deinem Gekicher auf und trainierst etwas mehr, sonst ist der echte Kampf für dich schnell entschieden.

      Solltest du allerdings von Anfang an geplant haben, dich an die Dämonen zu verfüttern, nehme ich dich bei der nächsten Hadesreise gern mit und wir sind um ein weiteres Mal erlöst von törichten Dummschwätzern.“

      Das stechende Lachen der anderen Rekruten war Strafe genug. Vor Scham wäre der Engel am liebsten im Erdboden versunken. Diese Schmach würde ihm noch lange im Gedächtnis bleiben.

      „Wozu dieser ganze Klamauk?“, fragte ihn Raziels tiefe Stimme erheitert, als Luzifel der Truppe seinen Rücken zeigte. „Das Theater hattest du doch nicht nötig, mein Freund.“

      „Ich nicht, aber dieses Küken“, erklärte sein Kollege kühl. „Der hat eine Lektion für sein Leben erhalten, dieser hohlköpfige, stumpfsinnige -“

      „Beleidige nicht immer die anderen, sie sind auch nur wie du und ich. Fehlbare Diener Gottes.“

       Diener Gottes, bis in alle Ewigkeit.

      Luzifel stöhnte auf, sein Kopf schmerzte ihn. Irgendwo in seinem frisierten Hirn wollte die verlorene Erinnerung hervorbrechen, die eine gewisse Person so sorgsam weggesperrt glaubte.

      Raziel betrachtete ihn besorgt.

      „Ich glaube, Jahwe