Stefan Ammon

Targeted Therapies - Zielgerichtet in den Tod


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dass ihr Sommerkleid Wasserflecken bekäme. Von Knud hörte man nichts, und Steffen machte sich ernsthaft Sorgen und setzte den Höllenritt durch die Straßen der ihm unbekannten Stadt fort, als er bemerkte, dass er den Weg zur Post nicht kannte. "Da drüben, da ist es", schrie Pauline. Steffen bremste mit quietschenden Reifen und riss das Lenkrad herum, um den Porsche nahe des Toilettencontainers zum Stehen zu bringen. Knud stürzte aus dem Auto und verschwand hinter dem Container, wo sich die Eingangstür befand.

      Verzweifelt kam er schon nach kurzer Zeit zurück und berichtete, dass der Container heute am Sonntag abgeschlossen sei. "Ich habe einen Schlüssel in meinem Büro", fiel Pauline ein. Das Büro war gleich neben der Post. Pauline rannte los und kam tatsächlich nach kurzer Zeit mit dem Schlüssel in der Hand zurück, schloss den Container auf und ließ den geplagten Knud, sichtlich, wenn auch noch nicht ganz erleichtert, auf die Toilette. Steffen checkte den Porsche, der trotz des Kontaktes mit dem Laternenpfahl keinen Kratzer abbekommen hatte. Er blitzte im Sonnenlicht und sah aus wie frisch gewaschen und poliert. "Wo ist eigentlich meine Ray Ban", fragte Steffen. "Die, die ich in San Francisco gekauft habe - du weißt schon. Für neunundachtzig Dollar." "Keine Ahnung" antwortete Pauline gelangweilt und lehnte sich zurück, um die Wärme der Sonne zu genießen. Steffen durchsuchte Handschuhfach, Ablagen und alle anderen Aufbewahrungsmöglichkeiten im Wagen, schaute auch unter die Sitze und sogar im Kofferraum nach. Keine Sonnenbrille! "Knud", dachte Steffen. Das ganze Theater mit dem eiligen Drang zu pinkeln, war nichts als ein Ablenkungsmanöver, um Steffens Lieblingssonnenbrille zu stehlen. Deshalb war jetzt auch die Polizei im Anmarsch, die Sirenen ihrer Streifenwagen kreischten laut in Steffens Ohren bis sie sich in schrammelnde, laute Musik verwandelten und Steffen die Augen öffnete. Der Regen hatte sein Gesicht mit Wasser benetzt. "Wo ist meine Ray Ban?" entfuhr es Steffen ärgerlich. "Where the fuck is my Ray Ban?"

      Das Mädchen, das auf der Bettkante von Steffen saß und ihm das Gesicht wusch, sprang erschrocken auf, wich einen Schritt zurück und rief "Ate, halika na. Gising na sya". Sie sprach kurz mit einer heran eilenden jungen Frau, die dann ihre Hand auf Steffens Stirn legte: "Welcome to the Philippines. Are you ok na? We did not get your shades, po. Promise."

      Steffen sah sich irritiert um. Der Raum, in dem er sich befand, war klein und scheinbar noch im Rohbau. Die Wände aus Stein waren nicht verputzt, und das einzige kleine Fenster im Zimmer war mit Metallstäben vergittert. Die spärliche Einrichtung bestand aus einem grauen Plastikschrank mit hellblauen Türen, einem zweiflammigen Gaskocher und einem Regal, ebenfalls aus Plastik und vollgestellt mit bunten, zum Teil schmutzigen Kuscheltieren aller Art. Außerdem standen weiße Plastikstühle in einer Ecke gestapelt, und neben dem Regal befand sich ein Lautsprecher aus dem laut und schrill Musik ertönte. Es war heiß, und Steffen genoss jeden Luftzug, der ihn streifte, wenn ein klappernder, hin- und her schwenkender Ventilator in seine Richtung pustete. Er selbst lag auf einem alten, abgenutzten Stoffsofa, dessen Blau nun eher zu einem Grau geworden war.

      "Sir, are you ok, Sir?" Steffen kam immer mehr zu sich und begann, seine Beine zu kratzen, die unerträglich juckten.

      "Where am I? Who are you?" stammelte er und wartete darauf, aus diesem Traum zu erwachen. "I'm Cen and this is my sister Arlene, po Sir. You are in the Philippines, po." Sie lächelte, nahm seine Hände und presste sie zärtlich: "Don't scratch your legs." Sie lachte. "Yes, the mosquitos love you so much coz you are so very sweet. Sorry, no money for Off-Lotion". Cen war sehr zierlich, hatte eine hellbraune Haut und mittellange schwarze Haare. Ihr Gesicht war schön mit großen aufmerksamen Augen und einem kleinen Mund mit üppigen Lippen. Wenn sie lachte, zeigten sich strahlend weiße Zähne und eine silberne Zahnspange. Ihre Nase war sehr klein und flach, was ihrem Gesicht ein fast kindliches Aussehen gab. Steffen schätzte sie auf Mitte zwanzig und der Blick in ihr lächelndes, etwas verunsichert scheinendes Gesicht, beruhigte ihn. "Im so hungry", sagte er. "So very hungry".

      Arlene fütterte ihn mit einer Suppe, in der sich jede Menge Reis befand, außerdem fettes Fleisch, Knochen und gerösteter Knoblauch. In der Mitte der Schale war ein gekochtes Ei, von dem ihm Arlene immer wieder ein Stück mit auf den Löffel gab.

      "It's Lugaw, Sir. Sarap? What's your name, Sir? How old are you? Do you have a wife?" Arlene fragte viel, aber Steffen war damit beschäftigt, die Suppe langsam vom Löffel zu schlürfen und hatte keine Zeit, all ihre Fragen zu beantworten. Arlene lächelte permanent und manchmal lachte sie laut und herzlich. Cen, die auf dem Boden saß, lachte dann mit. Sie schienen die ganze Zeit zu scherzen. Arlene war etwas molliger als Cen und vielleicht siebzehn Jahre alt. Ihr Gesicht war perfekt schön, ihre strahlenden Augen fesselten Steffen, und er fühlte sich gut aufgehoben. Arlene, hatte den gleichen üppigen Mund wie Cen, aber ihre Nase war etwas größer.

      "Are you single, Sir?" Arlene setzte ihre Fragerunde fort. "Ai! Kulit mo", sagte Cen streng, kicherte aber, und Arlene lachte ebenfalls herzhaft. "Sorry po. She is so kulit", sagte Cen zu Steffen gewandt, der sich noch fragte, was kulit sei und dann wieder zurück in einen tiefen Schlaf fiel.

      Als er das nächste Mal erwachte, war es Nacht. Eine Glühbirne ohne Lampenschirm brannte an der Decke, und Steffen sah, dass Arlene und Cen auf dem Boden neben seinem Sofa lagen und schliefen. Es war immer noch sehr heiß, und draußen regnete es in Strömen. Vermutlich war es der Regen, der ihn geweckt hatte, denn er prasselte lärmend auf das Dach des Hauses. Steffen registrierte jetzt, dass es keine Zimmerdecke gab. Über ihm befand sich direkt das Dach aus Metallplatten, und in einer Ecke des Raumes tropfte der Regen durch ein Loch im Dach in einen Eimer. Steffen erinnerte sich, dass es bei seiner Ankunft in Manila ebenfalls stark geregnet hatte.

      Kapitel 10

       Es war nachmittags, als der Flieger zur Landung auf dem NAIA Flughafen in Manila ansetzte. Von oben sah Manila nicht anders aus als deutsche Städte. Man sah rote Dächer, Gebäude und ein paar Hochhäuser. Steffen war gespannt, was ihn erwartete. Die Landung war sanft, aber die Rollbahn schien ein paar tiefe Löcher zu haben. Die Abwicklung auf dem Flughafen war schnell, und nachdem Steffen seinen Koffer vom Band gezogen hatte, ging es zur Passkontrolle und dann hinaus durch den Zoll hinter dem sich Wechselstuben befanden. Dort wechselte Steffen fünfhundert Euro in die Landeswährung Pesos. Mit siebenundzwanzigtausendachthundertfünfundzwanzig Pesos Bargeld in der Tasche verließ er das Flughafengebäude und wurde von "Taxi, Taxi" rufenden Filipinos empfangen. Steffen hatte gelesen, dass er nach sogenannten metered Taxis Ausschau halten sollte und fragte einen der aufdringlichen Männer danach. "Yes Sir, metered. Here. Follow me". Der kleine dunkle Mann in schmuddeligem T-Shirt nahm seinen Koffer und ging voran. Steffen folgte ihm und amüsierte sich über den Aufdruck auf dem Rücken des T-Shirts wo in großen Buchstaben der Name Hitler prangte. "Hey - is this your name? Hitler?" "No Sir, it's just a military T-Shirt, po", antwortete der eilig voranschreitende Mann, winkte ein weißes Taxi heran und verstaute Steffens Gepäck im Kofferraum. Er öffnete Steffen die Tür des Wagens und hielt die Hand auf, in die Steffen einhundert Pesos legte, was den Kofferträger sichtlich freute.

      Kaum saß Steffen im Taxi, fuhr dieses auch schon los. Der Fahrer verriegelte die Türen automatisch, grinste in den Rückspiegel und sagte: "Safety first, Sir. Where you want to go?". Das von Deutschland aus gebuchte Hotel war in der Nähe des H2O - Hotels, in dem Professor Berger untergebracht war. Dies war für einen armen Journalisten erstens zu teuer, und zweitens wollte Steffen Professor Berger nicht in die Arme laufen und erklären müssen, was er in Manila mache. "Sogo Hotel Harrison please. Is it far?" "Ok, Sir. Not too far but traffic na. Sevenhundred Pesos lang. Ok?" Siebenhundert Pesos waren knapp vierzehn Euro und kamen Steffen nicht überzogen vor, also verzichtete er auf das Anschalten des Zählers und akzeptierte die genannte Summe. Tatsächlich schien es zu Beginn überhaupt nicht voran zu gehen. Sie standen mehr im Stau, als sie fuhren, die Klimaanlage kühlte nicht wirklich. Es war heiß und stickig. Wenn es schneller vorwärts ging, rumpelte das linke Hinterrad stark, und Steffen hoffte, es würde diese Fahrt noch durchstehen. Nach zehn Minuten hielt der Fahrer an. "Where is the hotel?" fragte Steffen. "Not yet, Sir. Do you like hopia?" Der Fahrer stieg aus dem Wagen und schien sich in einer Art Schnellimbiss auf Rädern etwas zu bestellen. Ein kleines Mädchen drückte seine Nase an die Scheibe des Wagens, guckte Steffen mit traurigen Augen an und hielt die Hand auf. Es war barfuß und seine Kleidung, die nur aus einer Unterhose und einem zerrissenen weißen T-Shirt bestand, war ebenso schmutzig