Monique Dée

Stoffwechsel


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Kerala berühmt. Ayurveda. Falls unser Vater genauso ist wie unsere Oma.“

      „Wellness“, Inga wiederholte das Wort in einem verächtlichen Tonfall. „Ayurveda ist eine ernsthafte medizinische Philosophie. Philosophische Medizin. Doch kein Wellness.“

      „Können wir das nicht mit Wellness verbinden? Ich will die Wellness-Variante. Wenn ich schon so weit reise….“

      Astrid war keine solche Weltreisende wie ihre Schwester. Ihr reichte die Ostsee als Ferienlandschaft vollkommen. Interkontinentale Flüge mochte sie gar nicht.

      „Ich frag´ mal die Kollegen, irgendeiner war bestimmt schon mal da und kennt was Schönes.“

      Geografisch hatte Inga schließlich beste Beziehungen. Manchmal war das fast gleichzusetzen mit touristisch, auch wenn sie das vehement bestritten hätte.

      Der Ausflug

      Es klingelte an der Tür. Bernadette rief mit einem Hauch von Panik in der Stimme: „Ich kann gerad´ nicht!“

      Ansonsten tat sich gar nichts. Carolin war vor einer Viertelstunde wach geworden und auf einen kalten Kaffee an ihrem Bett gestoßen, hatte dann aber beschlossen, noch ein Weilchen zu dösen. Jetzt schob sie ihren Kopf unter dem Kissen hervor und begann zu begreifen, dass sie zurzeit die einzige im Haus war, die nicht splitternackt in der Badewanne lag, so hatte sich Bernadette zumindest gerade angehört. Es klingelte zum zweiten Mal, gleich zweimal nacheinander. Sie öffnete das Fenster und brüllte „Just a minute!“ in den dänischen Morgenhimmel, in der vagen Hoffnung, gehört zu werden. Dann zwängte sie sich in ihre Jeans, zog schnell einen Pullover über und stürmte nach unten.

      Als sie die Tür öffnete, wurde ihr klar, dass ihre Haare noch nicht einmal den Schatten einer Bürste gesehen hatten. Und da stand er. Der Däne par excellence. Ein Mann in den späten Vierzigern, schätzte sie, umwerfend gutaussehend, kurze graue Haare, markantes Kinn, gerade Augenbrauen über grauen Augen und ein irgendwie distinguiertes Äußeres – er war die Inkarnation all ihrer Back-Phantasien. Schnappatmung. Carolin blieb der Mund offenstehen und sie glotze ihn stumm an.

      „Guten Morgen. Haben Sie sich schon ein bisschen eingelebt? Ich komme wegen der Sauna.“

      Der Hausbesitzer also. Carolin ging auf, wie bescheuert sie aussehen musste und sie klappte ihren Mund wieder zu.

      „Ach, Sie sind das“, flötete sie dann und spähte nach seinen Händen. Solche Männer waren nie solo, aber wo verdammt noch mal hatte er seinen blöden Ehering? Oder war er vielleicht verwitwet? Könnte ihr Schicksal nicht verwitwet sein und hier am dänischen Ostseestrand auf sie warten? Das fand Carolin plötzlich absolut passend.

      „Peter Sonderborg.“

      Er streckte ihr die Hand hin. Auch noch ein guter Name.

      „Carolin Butternuss. Wie der Kürbis, nur nicht so rund.“

      Kein guter Name, aber immerhin ein witziger. Und mit der Vorstellung zeigte sie gleich, dass sie Humor hatte und sich selbst auf die Schippe nehmen konnte. Fand sie normalerweise sehr gelungen, aber an diesem Morgen war sich nicht wirklich Herrin ihrer selbst. Sie nahm seine Hand und schüttelte sie und hörte gar nicht wieder damit auf. Er lachte und nahm seine Hand zurück auf seine Seite.

      „Ja, dann zeige ich Ihnen am besten mal eben, wie die Sauna zu bedienen ist.“

      In dem Moment bogen Florence und Inga auf den Gartenweg ein. Sie unterhielten sich lebhaft und Carolin konnte wieder einmal Florences Giraffengang bewundern. Sie merkte deutlich, dass ihr Gegenüber das auch tat und wünschte ihn zum Mond. Da sah Florence hoch und stieß einen Überraschungsschrei aus.

      „Ja sowas! Peter, was machst du denn hier?“

      Sie kam mit schnellen Schritten auf den Musterdänen zu und nahm ihn herzhaft in den Arm.

      „Ich dachte immer, du wohnst in Kopenhagen. Aber so kann man sich täuschen. Wie geht´s dir?“

      „Ja, gut, danke. In Kopenhagen habe ich ja nur ein Studio, das kommt auf die Dauer billiger, als dauernd ins Hotel zu gehen. Aber sonst sind wir immer hier in Jylland. Am alten Familienstammsitz, sozusagen.“

      „Peter und ich kennen uns schon seit Jahren“, erklärte Florence der vollkommen verdutzten Carolin und der überraschten Inga. „Wir schreiben ab und zu Artikel für dasselbe Magazin, und da läuft man sich manchmal sogar über den Weg. Wir haben auch schon mal eine Reportage zusammen gemacht.“

      „Mmh, über die chilenische Urbevölkerung in Patagonien. Da waren wir lange unterwegs. Das war ein tolles Erlebnis.“

      „Du den Text, ich die Fotos. Warum haben wir sowas eigentlich nie wieder gemacht?“

      „Ich weiß auch nicht. Hast du vielleicht eine gute Idee?“

      So plaudernd gingen die beiden alten Kumpel zusammen ins Haus. Carolin blieb perplex davor stehen.

      „Was sagt man dazu? Die schöne Frau kennt natürlich den schönen Mann …“

      Sie starrte den beiden kopfschüttelnd hinterher, obwohl sie längst nicht mehr zu sehen waren.

      „Was war denn mit dir gerade los?“ erkundigte sich Inga. „Du warst ja zur Salzsäule erstarrt. Mit Schüttellähmung allerdings.“ Inga grinste.

      Carolin atmete tief durch.

      „Ich habe gerade meine perfekte Backmischung getroffen.“

      Sie sah Inga resigniert an, die schaute mit hochgezogenen Augenbrauen zurück.

      „Aber wie das so ist mit den perfekten – die sind in der Regel immer schon weg.“

      „Die perfekten möchte man überhaupt nicht“, sagte Inga lapidar. „Aber da würde ich bei dem auch von ausgehen. Der hat bestimmt so eine unglaublich hübsche, zierliche Frau und die beiden haben fünf reizende Blagen.“

      Und genauso war es. Peter lud sie zum Essen ein, als er wieder ging, und als sie es zwei Tage später überprüfen konnten, traf Ingas Vorhersage voll ins Schwarze.

      Nachdem sie nun wussten, wie die Sauna funktionierte, weihten sie sie am Nachmittag sofort ein. Das Wetter hatte sich verschlechtert, es regnete Bindfäden, also bot es sich an, drinnen im Warmen zu bleiben. Und eine Sauna im eigenen Haus war ein Luxus, den man wahrlich ausnutzen musste.

      „Welch´ ein Genuss“, seufzte Bernadette. „Heute Morgen ein Vollbad und jetzt Sauna, das krieg´ ich ja sonst in einem halben Jahr nicht.“

      „Warum eigentlich nicht?“ erkundigte sich Carolin.

      Sie lagen auf den Betten in Bernadettes und Florences Schlafzimmer und hatten die zwei Liegen aus dem Vorraum der Sauna dazu geholt. Jede von ihnen hatte ein großes Glas Johannisbeerschorle neben sich auf einem Beistelltischchen, dafür hatte einer der Besitzer offenbar ein Faible, denn es gab sie in diesem Haus in Hülle und Fülle. Den Saft hatte Bernadette mitgebracht. Jetzt fing sie an zu erklären.

      „Meine Mutter war im letzten Jahr ziemlich krank. Sie hatte sich im Winter eine Lungenentzündung eingefangen und kam und kam wochenlang nicht wieder auf die Beine. Ich musste nach und nach quasi ihren Haushalt übernehmen. Für sie kochen, einkaufen, putzen… dafür ging einfach alle meine freie Zeit drauf…“

      Bernadette seufzte noch einmal, im Rückblick auf die Anstrengungen der letzten Monate.

      „Und jetzt ist sie bei euch?“

      „Nee, das wollte sie nicht. Sie ist ins Altenheim gezogen. Zu uns zu kommen war für sie völlig indiskutabel. Ich hätte es besser gefunden und außerdem wir haben doch das große Haus. Das könnte doch gut so ein Mehrgenerationenhaus sein. Sie hätte auch genug Platz gehabt und wir hätten ihr ein eigenes Bad eingebaut und alles. Aber sie hat sich strikt geweigert.“

      „Das war bei meinem Opa genauso“, erzählte Florence. „Er hat eine Zeitlang bei meiner Tante gewohnt, aber