Monique Dée

Stoffwechsel


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Jo, falls er dir das überhaupt auf die Nase gebunden hat?“

      Mangel an Beharrlichkeit konnte man Inga nicht vorwerfen.

      „Also, ehrlich gesagt – nee. Ich meine, es gibt schon Männer, die ich so oberflächlich gesehen attraktiv finde. Klar. Aber diese Tiefe meiner Gefühle für Jo… die ist einfach, … wie soll ich das beschreiben? Die reißt mich immer noch hin und weg. Da kann ich überhaupt nichts gegen machen. Manchmal, wenn er wiederkommt oder ich und wir gehen erstmal zusammen essen und sehen uns dann an, dann …. Dann müssen wir ganz schnell nach Hause fahren. Ihr wolltet´s ja wissen.“

      Florence grinste in die Runde und wollte das Gespräch mit ihrem charakteristischen Schulterzucken beenden.

      „Ja und woher weißt du, ob Jo dir immer treu ist? Er kann doch unterwegs mal von jemand anderer überwältigt werden?“

      Inga blieb beharrlich.

      „Das weiß ich natürlich nicht“, sagte Florence nüchtern. „Und Jo auch nicht. Wir haben uns irgendwann mal gesagt, dass es solche Situationen geben kann. Wenn man unterwegs ist und sich irgendwie allein fühlt und Rotwein getrunken hat und dann mit jemand anderem ins Bett geht – das kann passieren. Aber das muss man dann nicht an die große Glocke hängen.“

      „Und meinst du, das ist ihm schon mal passiert?“

      Das war wieder Inga, natürlich.

      „Who knows? Ich glaube nicht, aber was würde das wirklich ausmachen? Solange er bei mir ist, wenn er bei mir ist? Ich meine, wir haben doch nur unsere offenen Hände…“ Florence schaute nachdenklich in dieselben. „Du kannst doch den anderen nicht festbinden. Du kannst nur vertrauen, dass dieser freie Vogel zu dir zurückkommt. Vielleicht weil er sich einfach genauso wohl fühlt mit dir wie du dich mit ihm.“

      Florence schwieg. Sie hatte ihr Inneres jetzt lange genug ausgebreitet, fand sie. Die anderen schweigen auch, ein bisschen ergriffen ob der Intimität, die sie gerade miteinander geteilt hatten.

      Inga raffte sich als erste wieder auf.

      „Lasst uns mal was kochen, sonst wird´s ja Mitternacht, bevor wir was Richtiges in den Magen kriegen. Wir wollen ja morgen irgendwann los und vor Einbruch der Dunkelheit in Dänemark ankommen.“

      „Wo liegt das Haus eigentlich genau?“ erkundigte sich Bernadette.

      „Zwischen Arhus und Aalborg, an der Ostseeküste“, sagte Carolin. „Es ist nur hundert Meter vom Meer entfernt und hat einen Kaminofen im Wohnzimmer. Und eine Sauna.“

      „Im Wohnzimmer?“ fragte Inga und duckte sich weg, als Carolin mit ihrem Halstuch nach ihr langte. Dann fuhr sie fort: „Na, das hätte ich auch nicht anders erwartet. Und am besten noch einen Indoor-Pool und einen Butler, der uns jeden Morgen den Kaffee ans Bett bringt.“

      „Ja, sowas wünsche ich mir auch schon ganz lange“, seufzte Carolin.

      „Aber das können wir doch machen“, schlug Bernadette mit eifriger Stimme vor. „Abwechselnd, jeden Morgen eine andere von uns. Auf die Weise kommen wir jede zu einer Tasse Kaffee ans Bett in dreiviertel der Zeit.“

      Bernadette lächelte in die Runde. Sie strahlte dabei so viel Fürsorge und Wärme aus, dass den anderen auch ganz warm wurde. Bernadette war eindeutig die mütterliche Figur in ihrer Runde, obwohl Inga ja auch zwei Kinder hatte. Aber Inga lag das Gluckenhafte nicht, während man bei Bernadette sogar gern unter die Federn schlüpfte.

      „Was kochen wir eigentlich? Sollen wir was schnippeln?“ fragte Florence.

      „Hm. Diese Aubergine bitte und die Zucchini und diese Tomaten und die Paprika. Und die Zwiebeln.“

      Inga verteilte Brettchen, Messer und Gemüse.

      „Und Knoblauch. Den verarzte ich. Carolin, kannst du dich um den Reis kümmern, bitte? Und machst du auch eine Flasche Rotwein auf?“

      In der nächsten Viertelstunde waren alle einträchtig damit beschäftigt, das Gemüse zu putzen und zu zerlegen, in mundgerechte Stückchen, die man schnell schmoren konnte. Inga stand am Kochtopf und nahm die Brettchen in der angemessenen Reihenfolge entgegen. Sie schwang den Kochlöffel und deutete mit ihrem linken Zeigefinger hinter sich.

      „Die großen flachen Teller sind unten in dem Schrank links neben der Tür. Das Besteck in der Schublade im Tisch. Und Servietten findet ihr in der rechten Schublade im Schrank.“

      Florence angelte die Teller aus dem Schrank, Bernadette sorgte für die Verteilung. Carolin rührte den Reis um. Eine weitere Viertelstunde später saßen sie fast alle wieder auf ihren Plätzen. Inga warf zu guter Letzt noch ein paar hauchdünne Rinderfilets in die Pfanne und verteilte sie medium gebrutzelt reihum.

      „Hm, welch ein Duft“, lobte Carolin. „Und welch ein Aroma…“

      „Auf unser gemütliches Zusammensein an einem Tisch freu ich mich seit Monaten“, gestand Bernadette.

      „Wie geht´s deinen Kindern?“ frage Florence.

      „Also Johann ist in Peking. Er studiert da jetzt seit Anfang September. Das heißt, die ersten vier Wochen hatte er einen Intensivkurs in Mandarin und dann fing erst das eigentliche Studium an….“

      Bernadette holte weit aus bei ihrem Lieblingsthema, und so ging der Rest des Abends dahin mit Erzählungen über ihre einzelnen Sprösslinge. Als sie in der frühen Kindheit angekommen war, fiel Inga mit einer Anekdote über ihren Sohn Mattis ein. Florence und Carolin blieb nichts Anderes übrig, als andächtig zu lauschen und ab und zu durch interessierte Detailfragen den Redefluss der beiden zu befeuern. Was ihnen nicht schwerfiel.

      Inga war am nächsten Morgen als erste auf den Beinen und nahm Bernadettes Anregung auf, die anderen mit einem Kaffee ans Bett zu beglücken.

      „Wow, du verwöhnst uns. Was für eine super Idee Bernie da hatte“, seufzte Florence wohlig. Bernadette genoss den ungewohnten Luxus leise vor sich hin und sprang dann schnell unter die Dusche. Sie verloren keine Zeit mit einem langen Frühstück. Vor einigen Jahren waren sie schon mal im nördlichen Dänemark gewesen und erinnerten sich alle noch gut daran, wie die Fahrt sich zuletzt hinzog. Bernadette verstaute das Gepäck im Auto, als Familienmutter war sie am geübtesten darin, den Platz optimal auszunutzen. Inga übernahm die erste Teilstrecke und fuhr auf dem kürzesten Weg auf die A7 in den Norden, sie kannte sich in Hamburg ja bestens aus. Nach gut zwei Stunden waren sie an der dänischen Grenze, Inga tauschte mit Carolin, nach weiteren zwei Stunden hatten sie alle Kaffeedurst.

      „Ich muss mal Pipi“, lachte Florence. „Sagen das die Kinder nicht schon nach einer halben Stunde? Bei uns war das früher immer so.“

      „Bei uns auch“, brummelte Carolin, die gerade ein Nickerchen gemacht hatte und sich mühsam wieder aufrappelte. Sie zogen vorsorglich ihre Jacken an für den kurzen Weg in das dänische Rasthaus.

      „Warum ist alles sofort so gemütlich, kaum, dass man die dänische Grenze überquert hat?“ fragte sie vorwurfsvoll. „Wieso ist das bei uns nicht so? Hier ist alles funktional und gleichzeitig absolut ästhetisch.“

      „Damit dürftest du das Geheimnis des dänischen Designs in zwei Sätzen zusammengefasst haben“, konstatierte Florence. „Genauso ist es. Egal, ob du einen Sessel nimmst oder eine Uhr… die Dänen sind einfach Meister darin.“

      „Die ham´s drauf“, bestätigte Inga mit lauter Stimme. „Deshalb mieten wir auch so gerne ihre Häuser im Winter, weil sie einfach eine Augenweide sind. Nichts beleidigt die Augen, nichts fällt komplett aus dem geschmacklichen Rahmen… Stell´ dir mal vor, Engländer hätten das Gleiche eingerichtet. Könntest du vergessen. Aber die Dänen…“

      „Na, ob ich diese Stereotypen so stehenlassen kann“, lachte Florence. „Wie kommst du eigentlich darauf, dass die Engländer keinen Sinn für Ästhetik haben?“

      „Eine Nation, die Teppiche in Arztpraxen verlegt? Da gibt´s doch überhaupt keinen Zweifel. Ich habe zwei Semester in London studiert, da kriegte ich regelmäßig das Gruseln. Und so