Michaela Santowski

Du gehörst zu mir


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„Nein. Erklär es mir. Worum geht es hier, Suzie? Ich habe dich noch nie so erlebt.“

      „Du kennst mich doch gar nicht. Du weißt absolut nichts über mich. Nicht mehr.“

      „Ich weiß alles, was ich für diesen Auftrag wissen muss.“

      Ein Auftrag. Mehr bin ich nicht für ihn. Aus seiner Sicht völlig logisch. Aber er ist so verdammt viel mehr für mich. Ohne ein weiteres Wort stürzte sie aus dem Café, sich wohl bewusst, dass sie komplett über reagierte. Aber sie konnte einfach nicht anders.

      Rob schmiss einen Geldschein auf den Tisch und rannte ihr nach. „Suzie! Bleib stehen!“

      Doch sie dachte nicht daran. Immer schneller lief sie. Trotzdem holte er sie mühelos ein. Er griff nach ihrer Schulter und zwang sie, stehen zu bleiben. „Mach das nie wieder!“

      „Lass mich!“

      „Hör auf damit. Rede mit mir! Was ist denn bloß los?“

      „Nichts.“

      Rob zog sie in seine Arme und strich ihr sanft über den Kopf. „Was ist los mit dir?“, wiederholte er seine Frage.

      Suzie konnte die Tränen nicht mehr zurück halten.

      „Ich bin doch bei dir. Ich pass auf dich auf. Das ist mein Job.“

      Laut schluchzte sie auf. Sie wollte nicht nur ein Job sein. Sie wollte soviel mehr, als er ihr geben konnte.

      Rob deutete ihr Schluchzen falsch. „Wir finden den Typen, der diese Briefe geschrieben hat. Meine Leute arbeiten schon dran. Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht. Du brauchst keine Angst zu haben.“

      Suzie versuchte, sich zu beruhigen. Du bist es, der mir Angst macht, wollte sie schreien. Meine Gefühle dir gegenüber machen mir angst. Du bist genauso, wie ich es mir zehn Jahre lange zusammenfantasiert habe. Das ist es, was mir angst macht. Aber sie sagte nichts. Er würde nächstes Jahr heiraten. Und sie würde ins Kloster gehen. Ob dieses Gedankens musste sie laut auflachen. Auch das deutete Rob falsch. Er rückte ein Stück von ihr ab, legte ihr einen Finger unter das Kinn und zwang sie somit, ihn anzusehen. „So gefällst du mir schon besser. Du hast ein wunderschönes Lachen. Damit kannst du die Welt zum Stillstand bringen. Du solltest viel öfter lachen.“

      „Bring mich nach Hause“, war alles, was sie rausbrachte.

      8

      Eine halbe Stunde später betraten sie Suzies Wohnung. „Ich gehe mich umziehen.“ Suzie ging in ihr Schlafzimmer und schmiss sich aufs Bett. Diese ganze Situation war vollkommen verfahren. Rob wohnte erst einen Tag bei ihr und sie war fertig. Emotional völlig am Ende. Warum musste er auch so toll sein? Warum konnte er nicht einfach ein eingebildetes, dämliches Arschloch sein? Sie hasste ihn. Er war in den letzten zehn Jahren zu einem rücksichtsvollen, warmherzigen Menschen geworden. Er war intelligent, sah gut aus und hatte einen Job, der alleine schon Frauenherzen höher schlagen ließ. Welche Frau träumte nicht von einem Mann, der sie beschützen konnte? Wütend schlug Suzie auf ihr Kissen ein. Verdammte Bedrohung, verdammter Pierre, verdammter Rob, verdammtes Leben! Ein zaghaftes Klopfen an der Tür störte sie in ihrem Selbstmitleid.

      „Suzie. Ist alles in Ordnung?“

      Oh man. Nicht mal in Ruhe auf ihn schimpfen konnte sie, ohne dass er sich gleich Sorgen machte.

      „Alles bestens. Ich komme gleich.“.

      Sie stand auf, ging ins Bad und zog ihre Jogging-Klamotten aus. Nach einer schnellen Dusche schlüpfte sie in Jeans und T-Shirt und betrat die Küche. Rob saß am Küchentresen und telefonierte. „Ja, mein Schatz. Ich werde dran denken. Du fehlst mir auch.“ Er legte auf. „Da bist du ja. Ich habe mir schon Sorgen gemacht.“

      „Klang auch so“, entgegnete sie gereizt.

      Rob beachtete ihre Bemerkung nicht. „Wann wollen wir anfangen?“

      „Womit anfangen?“ Suzie stellte eine Tasse unter ihren Kaffeeautomaten und drückte auf „Espresso“.

      „Mit dem Training.“

      Das fehlte mir gerade noch. „Heute nicht mehr. Ich muss noch lernen, bevor ich los muss.“

      Finster blickte Rob sie an. „Nimm das nicht auf die leichte Schulter. So, wie du heute durch den Wind warst, scheinst du Angst zu haben. Es wäre besser, du würdest dich für den Notfall verteidigen können.“

      „Wieso?“, provozierte Suzie ihn. „Du bist doch bei mir. Da kann mir doch gar nichts passieren.“

      „Was, wenn es mehrere Angreifer sind?“, überging Rob die Ironie. „Ich bin gut, aber so gut auch nicht.“

      „Dann solltest du vielleicht noch ein bis zwei Leute zu meiner Bewachung dazu holen.“ Suzie nahm einen Schluck ihres tiefschwarzen Espressos und wünschte sich, das alles wäre ein Traum, aus dem sie jeden Moment erwachen würde.

      „Oder ich bringe einfach dir die Grundlagen bei. Es reicht schon, wenn du dir soviel Freiraum verschaffen kannst, dass du weglaufen kannst.“

      „Und dich zurücklassen?“ Fassungslos blickte sie ihn an.

      Er stand auf und stellte sich wieder mal direkt vor sie. Raus aus meinem Bereich, schoss es ihr durch den Kopf.

      „Es geht hier nicht um mich“, erklärte er sachlich. „Ich kann mir helfen. Du bist wichtig. Du musst dir Platz verschaffen können, um abzuhauen. Es ist mir wichtig, dir ein paar Griffe beibringen zu können.“

      Seufzend stellte sie ihre leere Tasse ab. „Na gut“, gab sie nach. Ihr war alles recht, wenn er doch nur endlich einen Schritt zurücktreten würde.

      „Okay.“ Er ergriff ihre Hand und zog sie aus der Wohnung. „Soll ich mich nicht umziehen?“

      „Glaubst du, dass man dich nur angreift, wenn du Sportklamotten anhast?“, konterte er.

      „Nein!“, rief Rob energisch. Sie übten auf einer kleinen Lichtung mitten im Kurpark, in dem sie gerade noch joggen waren. „Wenn du das so halbherzig machst, wie eben, passiert genau das.“ Ohne Vorwarnung zog er ihr die Beine weg, sodass sie unsanft auf dem Hintern landete, drückte sie in einer einzigen Bewegung nach unten und setzte sich auf sie.

      „Runter“, zappelte sie und schlug nach ihm.

      Mühelos hielt er ihre Arme mit einer Hand fest und hielt mit der anderen ein imaginäres Messer an ihren Hals. „Schach matt!“

      Suzie lag ruhig da und versuchte, gleichmäßig zu atmen. Rob stand auf und half ihr hoch. „Suzie. Du sollst …“

      Weiter kam er nicht. Völlig überraschend versetzte sie ihm einen heftigen Stoß gegen die Schulter, sodass er rückwärts strauchelte. Diesen Rückwärtsschwung nutzte sie aus, setzte in einer fließenden Bewegung einen Fuß hinter seine Beine und stieß gleichzeitig ein weiteres Mal gegen seinen Brustkorb. Rob war derart überrascht, dass er sein Gleichgewicht nicht wieder fand und auf dem Rücken landete. Reflexartig nutzte er den Schwung und kam mit einer Rückwärtsrolle wieder in den Stand. Doch Suzie war schon bei ihm und hielt ihre Hand an seinen Hals. „Schach matt!“, keuchte sie. Er griff ihre Hand, zog sie von seinem Hals, verdrehte ihren Arm mitsamt ihrem Körper und stand hinter ihr. „Wohl eher patt“, entgegnete er. „Aber genauso habe ich das gemeint. Das war klasse.“

      „Dann hören wir für heute auf“, keuchte sie. „Ich muss noch einmal duschen und dann wirklich los.“

      9

      Da war sie, meine Göttin. Ich war spät dran heute. Normalerweise bin ich bereits um sechs vor ihrer Wohnung, um sie beobachten zu können, wie sie langsam anfängt, zu laufen, wie sich ihr perfekter Körper bewegt, wie sich kleine Atemwolken vor ihr bilden. Ich bin sicher,