Christian Fülling

Traumgleiter


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als die Sache mit dem Schlitzer.“

      Tomas holte tief Luft und schnaufte aus. „Ich weiß. Was ich mir überlegt habe, ist, mit dir inoffiziell zu verabreden, dass du nur marginal mit in den Fall einsteigst. Das BKA wird deine Teilnahme niemals akzeptieren.“

      Borchardt trank einen Schluck und schaute sich in der umliegenden Gegend um, als suche er nach etwas. „Ich weiß nicht“, entgegnete er irritiert, „irgendwie löst das ein Unbehagen in mir aus. Ich bin wirklich stolz auf die Erlaubnis, der Polizei zur Seite stehen zu dürfen. Das ehrt mich. Und du weißt, dass ich dir immer, wo ich nur kann, helfe. Aber das Gefühl, das ich jetzt gerade habe, ist nicht gut.“

      „Ich will hier ganz und gar nicht unsere Freundschaft ausnutzen. Aber einmal angenommen, da draußen läuft wirklich einer rum, der all diese Menschen auf dem Gewissen hat, dann haben wir es hier mit dem unvorstellbar Bösen zu tun. Und ich kann es gedanklich einfach nicht zulassen, einen besten Freund mit übersinnlichen Fähigkeiten zu haben und von ihm keine hilfreichen Hinweise zu erhalten.“ Tomas fühlte sich erleichtert.

      Borchardt hingegen unter Druck gesetzt. „Das Problem, das ich habe - und ich bin ehrlich zu dir - ist, dass ich wegen dem BKA komplett inkognito einsteigen müsste. Das hieße doppelter Stress und erhöhtes Risiko. Wenn ich das aber nun täte und mein Talent dahingehend einsetzte, dir unterstützend behilflich zu sein, dann müsste ich mich frei bewegen dürfen, ohne jedes Mal das Gefühl zu haben, dich zu belügen. Darüber hinaus scheint das hier alles auf eine unentgeltliche Maßnahme hinauszulaufen…“

      „Martin…“

      „Lass mich bitte ausreden. Wenn ich mich auf solch ein potentiell gefährliches Unterfangen einlasse, dann tue ich das in erster Linie für dich und nicht für weitere potentielle Opfer, so hart das jetzt auch klingen mag.“

      „Ja, aber was ist, wenn dir etwas zustößt? Dann komme ich nicht nur in Teufels Küche, sondern, und das ist viel schlimmer, dann werde ich es mir niemals verzeihen können, dass ich meinen besten Freund dazu angeraten habe.“

      „Das verstehe ich. Aber meine Intuition führt mich nun einmal. Das heißt, sie führt mich zu den richtigen Orten, zu den richtigen Menschen, in die richtigen Situationen und Umstände. Wenn ich ihr diese Freiheit nicht geben kann, dann habe ich ganz einfach ein Problem mit deinen Vorstellungen.“

      Tomas rang nach Worten.

      „Wenn es wirklich so ein Monster gibt, wie du es mir bis hierhin vermittelt hast“, fuhr Borchardt fort, „dann mache ich entweder mit allem, was ich zu bieten habe, mit oder gar nicht. Was ich dir zu vermitteln versuche, ist, dass ich mich gerne an deine Vorstellungen halten werde, sobald aber mein Navi mich führt, ich dann die volle Freiheit haben muss und zwar mit deinem generellen Einverständnis.“

      Nun war es Tomas, der was trinken und in die umliegende Gegend schauen musste, als suche er nach etwas. „Okay, gut.“

      „Ich möchte dir helfen, dieses Schwein, wenn es wirklich existiert, zu finden.“

      „Okay, gebongt. Pass auf.“ Tomas schaute sich um, als wollte er sicherstellen, dass niemand zuhört. „Vor etwas über drei Wochen ist eine junge Frau namens Martina Vogt spurlos verschwunden. Ihr Verlobter, ein Unternehmer hier in Berlin, hatte sie vermisst gemeldet. Interessanterweise erhielten wir zur gleichen Zeit zwei Hinweise. Kannst du dich an das unangekündigte Unwetter erinnern?“

      „Ja, selbstverständlich.“

      „Während des Unwetters sei eine aus dem Volkspark Hasenheide rennende und um Hilfe schreiende Frau gesehen worden, die in Richtung der Wohnung der Vermissten rannte. Zweitens, kurz danach hatte ein Hundebesitzer einen großen Mann mit einem Regenmantel und einem silbernen Handkoffer oder Ähnlichem vor der Wohnung der Vermissten gesehen. Die Haustüre wurde gewalttätig geöffnet. Unsere Techniker gehen davon aus, dass sie eingetreten wurde.“

      „Eine eingetretene Haustür?“, wunderte sich Martin.

      „Ja, das hat uns auch zu denken gegeben. Die Wohnungstür hingegen zeigte keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung. Wir fanden mehrere Blutspritzer in der Wohnung und kleinere Tropfspuren im Treppenhaus. Darüber hinaus sind wir im Besitz einer Anrufbeantworteraufzeichnung. Offensichtlich hatte Frau Vogt eine Nachricht auf dem AB ihres Verlobten hinterlassen, während sie von einer fremden Person überrascht wurde.“

      „Das heißt, ihr habt die Stimme auf dem AB?“

      „So ist es.“

      „Das müsste doch ein brauchbarer Hinweis sein.“

      „Zurzeit bringt uns das nicht weiter. Von den neun Wohnungen sind aktuell nur fünf vermietet. Das Haus wurde kürzlich saniert. Zu jenem Zeitpunkt waren nur zwei Mietparteien zuhause, denen nichts aufgefallen ist.“

      „Komisch. Und wie kann ich dir da jetzt weiterhelfen?“

      „Du bist doch derjenige, der mir immer und immer wieder eingetrichtert hat, ich solle lernen, meinen Eingebungen zu vertrauen.“

      „Bin ich das?“, fragte Borchardt ironisch.

      “Und das hast du jetzt davon“, lächelte Tomas. „Ich glaube nämlich, dass das alles irgendwie zusammenhängt.“

      „Vielleicht hast du recht“, vertraute Borchardt seinem Freund.

      „Ich möchte dich als Erstes bitten, dich alleine und in Ruhe in Frau Vogts Wohnung umzuschauen, dir das Wohnhaus anzuschauen, um zu sehen, ob du irgendetwas wahrnimmst. Dann würde ich dich bitten, mit ihrem Verlobten zu sprechen.“

      „Das kann ich gerne tun.“

      „Du kannst dich auch gerne mit Natalie treffen.“

      „Unbedingt.“

      „Mir fällt ein Stein vom Herzen. Ehrlich, Martin. Ich werde das Ganze so arrangieren, dass niemand in der Kommission etwas davon mitbekommt.“

      „Es wäre hilfreich, wenn ich die Aufzeichnung hören könnte.“

      „Ja, natürlich. Das sollten wir hinkriegen.“

      Borchardt konnte nicht mehr einhalten, entschuldigte sich und machte sich auf den Weg zur Toilette. Er fühlte sich alles andere als wohl, während er den langen Weg zum anderen Ende des Hofbräuhauses zurücklegte. Irgendetwas stimmte nicht. Er fühlte sich unsicher und musste ununterbrochen an den Traum denken.

      12

      „Wie geht es Samira?“, frage Tomas, nachdem Borchardt von der Toilette zurückgekehrt war.

      „Gut.“

      „Was ist los, Martin?“

      „Ich weiß nicht. Meine Emotionen könnten entspannter sein.“

      „Wie meinst du das?“

      „Das kann ich nicht wirklich erklären, momentan… Samira? Ja, Samira, mein Engel, sie macht sich sehr gut. Ich habe viele Gründe, ein stolzer Vater zu sein. Sie ist jetzt schon zwei Jahre mit Marc zusammen und das Studium bereitet ihr anscheinend Freude.“

      „Und, wie macht sie sich in deiner Praxis?“

      „Hervorragend, als hätte sie es schon immer getan. Wie läuft’s bei dir mit Ulrike?“

      „Was soll ich sagen, es läuft. Wir verstehen uns gut, wir harmonieren miteinander, und sie will natürlich mehr.“

      „Und du willst natürlich nicht mehr?“

      „Hahaha, doch eigentlich schon. Ich hab’s einfach nicht eilig.“

      „Sie ist eine sehr attraktive Frau und intelligent obendrein.“

      „Ja, und?“, lächelte Tomas.

      „So eine Kombination findet man nicht an jeder Ecke“, grinste Borchardt.

      „Ich wusste ganz genau, dass der jetzt kommt.“

      „Ich