Mira Bergen

Verflixt und ausgesperrt!


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Der große Elvis stellte die Ohren auf.

      »Meinst du wirklich, schon heute Nacht?«

      »Natürlich! Wie lange willst du denn noch warten?« fragte Gutlieb aufgebracht. Fröhlichkeit stand heute nicht auf dem Programm, wie es schien.

      Elvis knurrte leise. Hatte er es doch gewusst. Niemand konnte anhaltend so fröhlich sein, solange er über einen halbwegs intakten Verstand verfügte.

      Der Anwalt schaltete sich ein. »Ich bin dafür, dass wir noch ein paar Tage warten. Bis sie mehr Vertrauen gefasst haben. Und bis der Weihnachtsmann im Urlaub angekommen ist und nicht mehr zurückkommen kann.«

      Die anderen Heinzelmännchen nickten. Gutlieb musste einsehen, dass er überstimmt war. »Nun gut. Aber spätestens Ende der Woche geht’s los.«

      »Und was machen wir bis dahin?« fragte Hummelfleiß.

      »Na was wohl. Kochen, putzen, waschen. Wie immer.«

      »Aber ich dachte …«

      »Du sollst nicht denken, sondern machen, was ich sage. Wir werden weiter die freundlichen, fleißigen Heinzelmännchen sein, klar? Kriegt ihr das hin?«

      Elvis wagte einen kurzen Blick um die Ecke und sah skeptisch nickende Gesichter.

      Im nächsten Moment quiekte der Hamster erneut leise und Hund Elvis zog sich vorsichtig zurück.

      Offensichtlich würde er jetzt und hier nicht mehr erfahren. Aber er sollte die kleinen Wichte im Auge behalten.

      ***

      Emily kletterte an der Dachrinne nach unten. Sie war aufgeregt. Nicht deshalb, weil sie ausriss, während die Wunderlichs glaubten, sie läge in ihrem Bett und schlief.

      Nein. Aber sie war in Begriff, den Weihnachtsmann zu treffen und einen Zwerg abzuholen. Einen Zwerg, von dem die Wunderlichs nichts wissen durften. Und der Weihnachtsmann selbst auch nicht.

      Angestrengt überlegte sie, wie sie Constantin ihr Auftauchen nach dessen geheimer Ankunft erklären und wie sie dann auch noch einen heimlich mitgereisten Zwerg wegschmuggeln sollte.

      Später musste sie auch noch das Problem lösen, wie man einen Tätowierer dazu überredete, einen Zwerg zu tätowieren. Ken hatte in seinem Brief gewisse Andeutungen gemacht, dass er wisse, an wen sie sich wenden mussten. Aber Emily war skeptisch, was das betraf.

      Sollte sie ihre Pflegemutter einweihen? Schließlich hatte diese selbst ein Tattoo. Und sie hatte die Zwerge gesehen. Doch Emily war sich nicht sicher, wie Frau Wunderlich reagierte, wenn sie einen Zwerg drei Wochen lang bei sich wohnen lassen sollte.

      Nein. Vorerst wollte sie versuchen, damit allein klarzukommen. Wenn das nicht funktionierte, konnte sie immer noch darauf zurückkommen.

      ***

      Frodewin überprüfte nervös, ob Kens Haus richtig abgeschlossen war. Dann verstaute er den Schlüssel sorgsam in seiner Tasche.

      Er hatte fürchterliche Angst, dass Ken auffliegen würde und herauskam, dass er ihm geholfen hatte. Wer weiß, was dann passierte.

      Dummerweise waren die Wunderlichs in letzter Zeit das begehrteste Observationsziel gewesen. Vielleicht sollte er lieber auf Nummer sicher gehen und dafür sorgen, dass das Fernrohr nicht mehr funktionierte. Allerdings fürchtete er, dem Gerät dabei einen irreparablen Schaden zuzufügen, da er sich mit diesem technischen Kram so ungeschickt anstellte. Und man würde von ihm erwarten, dass er die Gerätschaften in seiner Werkstatt auch selbst wieder instand setzen konnte.

      Vielleicht genügte es schon, eine kleine Schraube zu lockern. Doch wie er sich kannte, würde danach das Fernrohr zusammenbrechen und sich dabei selbst zerstören.

      Nein. Vermutlich reichte es, interessierten Zwergen vorzulügen, das Gerät sei kaputt. Nicht umsonst war er der Chef des Fernrohrs und damit des Wachdienstes. In den letzten zwei Tagen war sowieso kaum noch jemand freiwillig zu ihm gekommen, um Wachdienst zu schieben.

      Es erschien Frodewin wie eine glückliche Fügung, als er von Manfred erfuhr, dass Frau Wunderlich die Beobachtung ihrer Familie ausdrücklich verboten hatte. Und zwar schriftlich. Frodewin durchwühlte das Archiv, bis er das wertvolle Stück Papier in Händen hielt. Daraufhin hatte er den Brief nur noch Humbert zeigen müssen, der erwartungsgemäß die weitere Überwachung der Wunderlichs verbot.

      Anfangs kamen noch Zwerge, die glaubten, ihn mit Schokolade zu einer Ausnahme überreden zu können. Doch Frodewin gab vor, zu große Angst vor der Entdeckung zu haben, was ihm auf beinahe beleidigende Weise sofort geglaubt wurde. Mitunter war es durchaus von Vorteil, für einen Hasenfuß gehalten zu werden.

      Frodewin atmete tief durch. Vielleicht ging ja doch alles gut.

      ***

      Hastig schnappte sich Erwin den Wecker und versuchte zu erkennen, wie viel Zeit ihm noch blieb.

      Phoebe hatte sowohl schreiend als auch weinend ihren Unmut darüber bekundet, dass Erwin mit Constantin eine Reise unternahm. Heute war der kritische Tag, an dem Constantin eintraf, und Erwin musste bald losfahren, um ihn am Waldrand abzuholen.

      Um das Gezeter zu unterbinden, war ihm nur eine einzige Möglichkeit eingefallen. Eine, die sich ihm erst kürzlich erschlossen hatte und die ihm Spaß machte. Allerdings war die Dauer dieser Ablenkung unberechenbar, da er dabei jedes Zeitgefühl verlor.

      Phoebe lag keuchend neben ihm im Bett und sah ihn an.

      »Und du willst wirklich mit einem anderen Urlaub machen? Zwei Wochen ohne mich?«

      »Na ja«, erwiderte Erwin hilflos. »Er ist mein Freund und hat sonst niemanden, mit dem er fahren kann.«

      »Du weißt schon, dass du die Verlustängste einer depressiven Frau ausnutzt?«

      »Ehrlich. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich komme ja bald wieder zurück. Zu dir. Du bist doch meine Frau, und …«

      »Wie bitte?«

      »Ich sagte: Du brauchst wirklich … «

      »N-nein! Das andere!«

      »Äh, was denn?«

      »Du sagtest, ich sei deine Frau?«

      »J-ja. Äh …« Erwin fragte sich, was nun daran schon wieder falsch gewesen sein soll.

      »Du meine Güte. Ich… ja! JA! Das ist so lieb von dir!«

      »W-wieso denn?«, erkundigte sich Erwin alarmiert.

      »Na, dass du mir ausgerechnet jetzt, wo ich so traurig bin, einen Heiratsantrag machst!« Phoebe warf ihm einen misstrauischen Seitenblick zu. »Das war doch ein Heiratsantrag, oder? Du hast gesagt meine Frau!«

      »Äh, ja… natürlich!« Oh Gott. Was hatte er getan! Wäre er doch bloß Priester geblieben!

      Der Wecker piepte und gab damit das Signal zum Aufbruch. Oder zur Flucht.

      Jetzt konnte ihn nur noch der Weihnachtsmann retten.

      ***

      Emily stand am Waldrand und gruselte sich.

      Sie mochte den Wald, tagsüber. Man konnte da wunderbar herumtoben, auf Bäume klettern, Verstecken spielen und Stöcke sammeln.

      Jetzt hätte sie auch gern einen Stock, und zwar zur Verteidigung. Gegen was auch immer.

      Als Ken ihr Ankunftszeit und -ort mitgeteilt hatte, war ihr nicht klar gewesen, dass Waldränder nachts gefährlich sein könnten. Und furchtbar dunkel.

      Sie traute sich einfach nicht, den dunklen Wald zu betreten und einen Stock zu suchen. Vermutlich würde, bevor sie einen solchen fand, etwas anderes sie finden. Da half auch die Taschenlampe nichts. Außerdem schwächelten die Batterien und sie musste sich Licht für den Heimweg aufsparen.

      Das Schlimmste waren die Geräusche, die aus dem Wald drangen. Bisher war ihr der Wald immer als ein Ort der Stille vorgekommen.