Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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zu treffen... Die Meldungen überschlugen sich seit den frühen Morgenstunden. Weltweit gab es nur noch das eine Thema. Was für ein Einschnitt. Welche Entwicklung brachten die nächsten Tage und Wochen. Richard steckte das Smartphone zurück und blinzelte in die Nachmittagssonne. Er genoss die ungewöhnliche Ruhe. Kein Verkehr, kein Hupen. Nur das Zwitschern der Vögel erfüllte die Luft. Die Zoo-Besucher hatten den Platz inzwischen verlassen. Richard beobachtete einen älteren Mann in zerrissenen Sachen, der ein Fahrrad mit Plastiktaschen am Lenker durch den Park schob, als die unwirtliche Ruhe durch das sanfte Surren eines Zwölf-Zylinders durchbrochen wurde.

      Unten auf der Straße rollte eine schwere schwarze Limousine langsam zum Parkeingang. Durch die dichten Baumreihen drang kurz darauf das dumpfe Brummen mehrerer großer Fahrzeuge. Richard beobachtete durch die rotbraun-verfärbten Blätter, wie fünf schwarze Wagen mit abgedunkelten Scheiben die haltende Limousine von vorne und hinten blockierten. Noch bevor die Geländewagen zum Stehen gekommen waren, öffneten sich die Türen und acht Männer umringten die gepanzerte Limousine. Zwei der Männer in dunklen Anzügen zogen eine Waffe und zerrten an der Hintertür. Für einige Augen­blicke herrschte Verwirrung unter den Männern. Ein Mann fasste sich an den Hörer in seinem Ohr. Dann öffnete sich langsam die Hintertür der Limousine.

      Richard hielt den Atem an. Instinktiv hatte er sich in das Buschwerk hinter einer weißgetünchten Parkbank geworfen und beobachtete die Szene durch einen schmalen Spalt in der Rückenlehne. Dann stieg ein Mann aus der Limousine und Richard blieb das Herz stehen. Hatten sie ihn doch bekommen. Keine zehn Stunden waren vergangen. Die beiden bewaffneten Männer hielten ihre Pistolen im Anschlag. Zwei andere Männer führten den Mitte Fünfzigjährigen Mann zu einem der Geländewagen und drückten ihn auf den Rücksitz. Dann stiegen sie ein. Wenige Augenblicke später rauschten die fünf Geländewagen mit aufheulenden Motoren davon. Der Spuk war so schnell vorbei wie er begonnen hatte.

      Richard kauerte bewegungslos auf dem Boden. Er wagte kaum zu atmen. Was war geschehen. Alles war so schnell gegangen. Wie sollte der große Plan jetzt weitergehen. Was würde jetzt aus ihm, was aus Karen. Nach einer viertel Stunde kletterte er aus seinem feuchten Versteck und streifte Blätter und Erde von seinen Hosenbeinen. Er musste weg von hier. Noch kannte er nicht den gesamten Plan, aber er erinnerte sich an die Erlebnisse, von denen Robert Feldheimer berichtet hatte. Ohne den Gedanken zu vollenden, begannen seine Beine zu laufen. Einfach weg. Und zwar so schnell wie möglich. Instinktiv rannte er der Sonne entgegen. Die schwachen Strahlen verschwanden langsam hinter den Bäumen. Er lief immer tiefer in den Park hinein in Richtung Westen, dem wärmenden Licht entgegen. Bald begannen seine Oberschenkel zu brennen und jeder Atemzug stach in der Flanke. Nach einigen Hundert Metern gelangte er durch eine kurze runde Unterführung an einen See. Die Blätter der Bäume leuchteten in der Abendsonne in allen Gelb-, Braun- und Rottönen über den glatten Spiegel des Sees. Richard zog keuchend nach Luft. Dann plötzlich klingelte sein Telefon. Mit einem Klingelton, den er nicht erwartet hatte. Schnaufend schwang er sich über einen kniehohen Zaun und suchte Deckung hinter dem Stamm einer mächtigen Eiche.

      „Ja bitte?“, krächzte Richard mit trockener Kehle in das Mobilteil.

      „Hallo Richard, ich hoffe, Du bist nicht allzu erschrocken“, meldete sich eine bekannte Stimme am anderen Ende in die Leitung.

      „Bill? Gerade eben sind Sie doch… Ich meine die Männer haben Sie doch“, stammelte Richard zwischen den schweren Atemzügen.

      „Das war wirklich realistisch, nicht wahr“, lachte ihm die Stimme entgegen.

      Richard nahm den Hörer vom Ohr und überprüfte die eingeblendete Nummer. „Das kann aber doch nicht wahr sein.“

      „Keine Sorge Richard. Mir geht es gut. Das eben war nur ein kleines Ablenkungsmanöver. Ich hoffe, es hält sie mir ein paar Tage vom Leib.“

      „Dann waren Sie das eben gar nicht?“

      „Aber nein. Mir war klar, dass sie mich nach meinem Auftritt gestern zu sich einladen würden“, lachte der Mann in die Leitung. „Jetzt aber schnell, Richard. Geh runter zu den Sportplätzen im Süden. Dort wird Dich mein Helikopter am Park abholen. Ich erwarte Dich in einer Stunde. Und bring auch Karen mit.“ Dann wurde das Gespräch beendet.

      2.Vier Jahre zuvor – Long Island (New York, USA) – 26. Oktober

      Der 26. Oktober brachte wieder schwere Unwetter über die Ostküste. Mit klammen Fingern fuhr der Einundfünfzigjährige immer wieder über die in den regennassen Marmor eingravierten Namen. Tief hängende Wolken entleerten sich seit den frühen Morgenstunden. Der Wind trieb Blätter über die Rasenfläche des Parks am Rande der Gardiners Bay. Die Heftigkeit des Herbststurms übertraf ein weiteres Mal die Vorjahre. Die in der Atmosphäre gespeicherte Energie hatte ein Ventil gefunden. Ein heftiger Sturm trieb vom Atlantik her starke Regenfälle auf die Küste. Seit Tagen hatte es wie aus Eimern geregnet. Die meisten Einwohner der Hamptons zogen es daher vor, diese Jahreszeit in der Stadt zu verbringen. In der Mitte des Parks, auf einer Wiese zwischen zwei hoch gewachsenen Kastanienbäumen, kniete ein ergrauter Mann im Regen und starrte auf die vier Namen in der weißen Marmorplatte am Boden. Er spürte, wie seine Knie tiefer in den aufgeweichten Boden versanken. Der Wind peitschte dicke Tropfen gegen sein Gesicht und spülte die Tränen aus seinen Augen. Blitze erhellten das weitläufige Anwesen. Der bis auf die Haut durchnässte Mann verharrte regungslos und in sich gesunken. Das Frösteln nahm er nicht mehr wahr. Innerlich fühlte er sich leer. Ein dumpfer Schmerz legte sich um seinen Brustkorb. Ein krachender Donner ließ ihn aufschrecken. Genau ein Jahr war seit jener grausamen Katastrophe, die alles verändert hatte, vergangen. Hier im Park war seine Frau glücklich gewesen. Zusammen mit den Kindern hatte sie hier regelmäßig den Sommer verbracht. Unbeschwerte Tage am Strand. In der Sonne. Partys mit Freunden. Meist hatte er davon nur am Telefon auf einer seiner vielen Geschäftsreisen gehört. Die Erinnerungen an seine Frau und die Kinder fühlten sich an wie eingefroren. Der Schmerz ließ sich durch nichts lindern. Er hatte alles verloren. Plötzlich, unerwartet und ohne Abschied.

      Durch den tiefen Verlust blickte er jetzt auf sein Leben in einer nie da gewesenen Klarheit. Es erschreckte ihn. Alle Prioritäten waren in einem einzigen Moment um 180 Grad verschoben. Im Geschäft hatte er die Kontrolle niemals aus der Hand gegeben. Der schreckliche Verlust aber hatte sein Weltverständnis erschüttert. Zweifel und Selbstvorwürfe fraßen sich seitdem in jeden seiner Gedanken. Nach quälenden Wochen, gelähmt von Trauer und am Rande des Wahnsinns, hatte er einen Entschluss gefasst: Der Erkenntnis mussten nun endlich Taten folgen.

      Einsam starrte er auf die Marmorplatte. Wasserpfützen sammelten sich immer wieder über den Namen seiner Frau und seiner drei Kinder. Dann schreckte er elektrisiert zusammen. Ein gleißend heller Blitz erhellte den Park für Sekundenbruchteile. Die ohrenbetäubende Entladung der atmosphärischen Energie ließ die Luft von Elektrizität knistern. Augenblicklich war ihm klar, wie er seiner Familie für immer ein Zeichen setzen würde. Entschlossen erhob er sich von der kalten Marmorplatte und fühlte sich bereit. Er musste alles aufs Spiel setzen. Selbst seine größten Transaktionen würden dagegen wie Fingerübungen erscheinen. Möglicher­weise würde er diesen Plan auch nicht selbst vollenden können, aber auch dafür würde er Vorkehrungen treffen.

      3.Gegenwart – Atacama Wüste (Chile) – 13. September, 16:33 Uhr Ortszeit

      Richard Hirlinger blickte durch die staubige Frontscheibe des zehnsitzigen Busses, der langsam die Steigung hinauf dröhnte. Die vier silbernen Kuppeln strahlten im Sonnenlicht. Er war seit dreißig Stunden unterwegs. Die letzten Kilometer hatte ihn die Panamericana als staubige Schotterpiste durch die Atacama-Wüste geführt. Er kämpfte gegen die Müdigkeit an und seine Wirbelsäule schmerzte. Doch hier oben sollte sich sein großer Traum erfüllen. In den kommenden Wochen konnte er am modernsten und leistungsfähigsten optischen Observatorium der Erde arbeiten. Wenn alles glatt lief, konnte er seine Doktorarbeit in der Rekordzeit von drei Jahren abschließen.

      Der Gipfel des 2.635 Meter hohen Cerro Paranal kam immer näher und das Observatorium rückte hinter den braunen Felsen ins Blickfeld. Eine der aufwendigsten und komplexesten Anlagen, die die Wissenschaft