Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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Hose und eine weiße Bluse, die ihren Oberkörper vorteilhaft betonte. Ohne ihren Blick von Paul Rodriguez abzuwenden, kam sie direkt auf ihn zu und hob die Hand zur Begrüßung. „Hallo Paul, weißt Du eigentlich wie spät es ist?“ Ein Glänzen in ihren braunen Augen offenbarte, was ihre knappen Worte und ihre kontrollierte Körperhaltung zu verbergen suchten.

      Fasziniert musterte Richard die junge Frau. Er erkannte die zarten, fast blassen Gesichtszüge und ihr glänzendes schwarzes Haar sofort wieder. Eine attraktive Person. Unerwartet attraktiv für diesen Ort.

      Paul Rodriguez sprang auf und umarmte die junge Frau. Carlotta erwiderte die Geste mit zufriedenem Gesichtsaus­druck. „Carlotta, ich muss Dir unbedingt Richard vorstellen.“

      „Schön, Dich kennenzulernen“, erwiderte Carlotta Cassini freundlich und reichte Richard ihre feingliedrige Hand. Für einen kurzen Augenblick huschte ein vielsagendes Lächeln über ihr Gesicht. „Wir können uns später sicher noch ausführlicher unterhalten.“ Die temperamentvolle Italienerin stammte aus der Nähe von Turin. Sie war, was für diese Profession eigentlich ungewöhnlich war, durch einen Zufall zur Astronomie gekommen. Ihr Diplom und ihren Doktorgrad hatte sie mit Auszeichnung bestanden und arbeitete seit mehreren Jahren auf dem Paranal.

      „Wir müssen jetzt los, Paul“, erklärte sie mit einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ.

      Rodriguez schielte auf seine Uhr. Viertel nach acht. „Du hast recht.“ Dann knetete er für einen Augenblick nachdenklich sein Kinn. „Richard, wir haben noch einige wichtige Messungen vorzu­bereiten. Morgen musst Du uns unbedingt bei den Teleskopen besuchen. Ich zeige Dir dann alles und wir sprechen weiter über Deine Arbeit.“ Rodriguez unterdrückte ein Gähnen. „Und ich zeige Dir noch eine interessante Entdeckung. Die wird den Lauf der Welt verändern.“

      6.Cambridge (Massachusetts, USA) – 13. September, 23:45 Uhr Ortszeit

      Der dunkle Wagen bog mit hohem Tempo auf die schmale Seitenstraße. Robert Feldheimer spürte kaum noch die Taubheit seiner Hände. Die Kabelbinder schnitten tief in seine Handgelenke. So sehr er sich auch bemühte, durch das dunkle Tuch, mit dem seine Augen verbunden waren, konnte er nichts erkennen. Die Fahrgeräusche des Straßenbelags und die kurz aufeinander folgenden Richtungswechsel hatten ihm aber verraten, dass sie sich nun endlich dem kleinen Platz in der Concord Avenue näherten. Der Fahrer verlangsamte das Tempo und Feldheimer zog durch das muffige Tuch vor seinem Gesicht nach Luft. Zwei Monate hatte er in völliger Isolation in einem Gefängniskomplex in Pennsylvania verbracht. Sie hatten ihn gut behandelt und er hatte keinen Mangel gelitten. Doch in der fensterlosen Zelle des Hochsicherheitstraktes hatte er keinen Kontakt zur Außenwelt. An Flucht war überhaupt nicht zu denken gewesen. Das hatten ihm die Männer unmissverständlich zu verstehen gegeben. Er war einfach nur dankbar, dass er noch einige Monate in Freiheit verbringen konnte. Daher kooperierte er und ging auf die Forderungen seiner Entführer ein.

      Allmählich bremste der Wagen ab und hielt dann lautlos vor dem zweistöckigen Gebäude aus rotem Backstein. Eine abgedunkelte Scheibe trennte Feldheimer von den beiden Männern, die ihn in Pennsylvania abgeholt hatten. Langsam öffneten sie die Wagentüren und stiegen aus. Noch einmal zog Feldheimer die Luft tief in seine Lunge. Er drückte den Rücken durch, was er häufig tat, um die Verspannungen seiner Musku­latur zu lösen. Seine zusammengebundenen Arme schmerzten schreck­lich. Aber in diesem Moment konzentrierte er sich nur noch darauf, seine Freiheit wieder zu erlangen. Einen hohen Preis hatte er dafür gezahlt. Wahrheit und Gerechtigkeit hatte er dafür mit Füßen getreten. Er hasste sich dafür. Aber was waren schon ein paar hehre Grundsätze gegen die Chance, die letzten Monate in Freiheit zu verbringen.

      Dann öffnete einer der beiden Männer die Wagentür. „Wir sind da, Doktor Feldheimer. Sie können die Augenbinde jetzt abnehmen. Kommen Sie, ich helfe Ihnen.“

      „Nein, danke. Ich komme schon allein zurecht.“ Feldheimer drückte den Hinterkopf an die Kopfstütze und schob die Augenbinde nach oben. Durch die halb geöffnete Tür erkannte er das Institutsgebäude. Genau zwei Monate war es her, dass er von denselben beiden Männern hier abgeholt worden war. Der Fahrer, ein breitschultriger Hüne, kaute mit seinen kräftigen Unterkiefern laut schmatzend auf einem Kaugummi und streckte Feldheimer noch immer die Hand entgegen. Im Halbdunkel erkannte Feldheimer die Statur des Mannes sofort wieder – und war einmal mehr davon überzeugt, dass das Kaugummi ihm dabei half, die Energie seines durchtrainierten Körpers zwischen den täglichen Workouts zu kanalisieren.

      Angestrengt drehte Feldheimer die Füße aus dem Fußraum heraus und stützte sich mit der rechten Schulter am Türrahmen ab. Mit Mühe, aber ohne fremde Hilfe verließ er den Wagen. Der zweite Mann, ein schmaler Drahtiger, kam mit schlürfenden Schritten näher und beobachtete die Umgebung. Er versucht nicht, sein Äußeres zu verbergen. Mit den breiten Verbrennungsnarben auf der rechten Gesichtshälfte und dem stark lädierten rechten Ohr wäre es ein Leichtes, ihn zu identifizieren. Diese Tatsache hatte Feldheimer schon während seiner Zeit in der Zelle verunsichert. Er hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Aber offen­sichtlich brauchten sie ihn noch.

      Als sich der Vernarbte davon überzeigt hatte, dass niemand sonst auf dem Gelände war, kam er, sein rechtes Bein nachziehend, einige Schritte auf Feldheimer zu. In der Hand hielt er eine Zange. Mit einem kurzen Nicken gab er dem Hünen ein Zeichen. Dieser legte seine Hände, die das Gewicht mehrerer Zementsäcke zu haben schienen, wortlos auf Feldheimers Schultern. Dann knipste der Vernarbte die Kabelbinder durch, die sich während der Fahrt tief in Feldheimers Handgelenke eingeschnitten hatten. „Doktor Feldheimer, halten Sie sich genau an unsere Abmachungen. Sie wissen, was sonst passiert…“

      „Lass gut sein“, unterbrach ihn der Hüne Kaugummi schmatzend. „Ich denke, er versteht die Konsequenzen.“ Mit einem Mal fielen die Zementsäcke von Feldheimers Schultern. Der Drahtige eilte mit schlürfenden Schritten zum Wagen zurück. Wenige Augenblicke später rauschte der Wagen mit quietschenden Reifen davon. Robert Feldheimer blickte auf die Fassade des altehrwürdigen Smithsonian Instituts und versuchte, seinen verspannten Rücken zu lockern. Wenige Minuten später saß er in seinem Büro im ersten Stock vor einem Terminal und löschte mehrere Einträge aus den Datenbanken des MPC.

      7.Cerro Paranal (Chile) – 14. September, 4:32 Uhr Ortszeit

      Richard lag seit einer Stunde wach. Nicht nur der Jet Lag und die Strapazen der langen Reise raubten ihm den Schlaf. In der Dunkelheit tastete er sich zum Fenster des Containers. Mit weit aufgerissenen Augen versuchte er, die Dunkelheit zu durchdringen. Die Sterne waren in einer ungewohnten Klarheit zu erkennen. Die Milchstraße zog sich als helles Band aneinandergereihter Lichtpunkte über den Himmel nach Norden.

      Da draußen gab es eine unendliche Zahl von Galaxien, jede mit mehreren Milliarden Sternen. Wird jemals Leben auf einer dieser fernen Welten nachgewiesen werden? Und seine Arbeit sollte tatsächlich einen Beitrag dazu leisten?

      Nach einer viertel Stunde, allein mit den unbekannten Sternbildern des südlichen Nachthimmels, zeigte sich am Horizont ein orange-roter Schimmer. Die aufgehende Sonne. Richard spürte zum ersten Mal die kontinentale Entfernung, die ihn von Karen trennte. Noch nie waren sie so weit voneinander entfernt gewesen – jedenfalls nicht für eine so lange Zeit. Eine Wochenendbeziehung war nicht schön, aber wochenlang mehr als einen Ozean getrennt, schien ihm in diesem Moment unerträglich. Weder E-Mails noch Internetvideo würden dieses Gefühl lindern.

      Mit jedem Augenblick durchdrang der orange Schimmer intensiver das Schwarz des Himmels. Auf der Zufahrtstraße durchschnitt der Lichtkegel eines Wagens die Nacht. Die ersten Wissenschaftler verließen die Teles­kope. Die Beobachtungen waren jetzt endgültig beendet. Viele der Instrumente konnten nur bis kurz vor Sonnenaufgang betrieben werden. Danach erlaubten die empfindlichen Systeme keine Messungen mehr. Sie waren dazu ausgelegt, das Licht von Milliarden Lichtjahren entfernten Objekten zu verstärken. Zu viel Licht aber konnte sie zerstören.

      Gegen den sich langsam aufhellenden Morgenhimmel wuchsen die Kuppeln der vier identischen Teleskope immer deutlicher aus dem Gipfel. Zusammengeschaltet bildeten sie das Very Large Telescope (VLT) mit einem virtuellen Spiegeldurchmesser von