Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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war direkt nach oben gerichtet und ragte mit seiner gesamten Höhe bis unter die Decke der breiten Kuppel. Richard blieb stehen und musterte die mächtige Anlage. In einer blauen, im Boden verankerten Trägerkonstruktion lagerte die fünfzehn Meter hohe Struktur. Sie vereinte den 8,2 Meter durchmessenden und über 20 Tonnen schweren Primärspiegel mit den Sekundär- und Tertiärspiegeln zur Lichtbündelung. Ein Torus von zehn Metern Durchmesser, der den Sekundärspiegel trug, ruhte auf starken Trägerrohren, die jeweils zu A-förmigen Stützen auf allen vier Seiten nach unten liefen. Der Haupt­spiegel mit seiner adaptiven Optik lag hinter einem Netzwerk kleinerer Stahlstreben und war von unten nicht zu erkennen. Die mehr als 400 Tonnen schwere Konstruktion ließ sich durch eine hochpräzise Hydrau­lik bewegen und binnen weniger Minuten auf jede beliebige Himmels­position ausrichten, um dieser im Verlauf der Nacht zu folgen.

      Beim Blick auf das riesige Instrument sinnierte Richard über das Potenzial seiner Arbeit für die Exoplaneten-Forschung. Planeten, auf denen die Existenz von Leben wahrscheinlich ist, sind selten. Denn nur ein sehr schmaler Parameterbereich für Masse und Leuchtkraft eines Sterns und die Position und Größe seines planetaren Begleiters erfüllt die wichtigen Grundvoraussetzungen. Die genaue Kenntnis des Aufbaus von Sternensystemen und ihrer Entstehung kann die ungerichtete Suche auf eine überschaubarere Zahl von Kandidaten einschränken und so die Erfolgswahrscheinlichkeit der zeitaufwendigen Analysen erhöhen. Nichts Geringeres war das Ziel von Richards Dissertation. Sollte es ihm gelingen, seinen Ansatz zu einer Methode zu entwickeln, könnte das SETI-Programm, das seit Jahren unter schwindender Finanzierung litt, die Suche nach Nachrichten einer außerirdischen Intelligenz damit auf Sternensysteme mit der hoher Wahrscheinlichkeit konzentrieren.

      Nach einigen Minuten begann Richard zu frösteln und bemerkte, dass Paul verschwunden war. Hektisch suchte er den mächtigen Kuppelbau ab.

      „Hier oben.“ Rodriguez winkte von der obersten Teleskopkonstruktion.

      Richard stieg die Stufen zur Instrumentenplattform hinauf. Der Widerhall seiner Schritte erfüllte die weite Kuppel. Auf der Plattform standen Spektrographen und zwei isolierte Behälter für flüssigen Stickstoff. Richard schob sich zwischen den Instrumenten an das Geländer. Von dort eröffnete sich der Blick an den Trägern der Hauptstruktur entlang auf den Hauptspiegel.

      „Die Teleskope zeigen uns die lichtschwächsten Objekte im Universum“, erklärte er breitbeinig auf der obersten Plattform der Teleskop­konstruktion. „Und wir sind in der Lage, das Licht dieser Objekte zu zerlegen und mit den modernsten und genauesten Spektroskopie­verfahren zu untersuchen. Wir sehen Objekte, die außer uns nur noch die beiden Keck-Teleskope auf dem Mauna Kea erfassen können. Vielleicht noch die beiden Gemini-Instrumente.“

      „Du meinst die Exoplaneten“, folgerte Richard.

      „Wir haben schon an die fünfzig Sterne mit Planetensystemen entdeckt.“

      „Glaubst Du eines davon ist ein Kandidat?“

      „Du lässt aber nicht locker, Richard“, lachte Paul Rodriguez.

      „Ich bin eher Realist als Träumer. Deshalb würde ich sagen nein. Du weißt ja, wie viele Bedingungen für die Entstehung von Leben erfüllt sein müssen. Auch nach allen Erkenntnissen, die uns die Wissenschaft bisher eröffnet hat. Für mich grenzt das Leben hier auf der Erde noch immer an ein Wunder.“

      „Aber was treibt Dich dann an, Paul?“

      „Ich sage ja nicht, dass ich es ausschließe, dass wir dort draußen irgend­wann einmal Leben finden. In der unvorstellbaren Anzahl von Sternen in der Milchstraße und den Myriaden von Galaxien im Uni­versum ist die Erde auch wiederum nichts Besonderes. Aber ich glaube nicht, dass wir beide es noch erleben werden.“ Richard schluckte. „Wann wurde die Radio­astronomie erfunden, Richard?“, fragte Paul mit ruhiger Stimme.

      „1932, in den Bell Laboratorien.“

      „Also vor nicht einmal 80 Jahren“, rechnete Paul vor.

      „Im Vergleich zum Lebensalter des Planeten ist das weniger als ein Wimpernschlag.“

      „Stimmt.“

      „Die Existenz des Menschen auf dem Planeten, also ich meine die Zivili­sation, die über die technologischen Fähigkeiten verfügt, Informationen über die Grenzen des eigenen Planeten hinaus mittels elektromagne­tischer Wellen auszutauschen, ist auf der Zeitskala des Universums praktisch nicht existent.“

      „Ich verstehe“, antwortete Richard mit unterlegter Stimme. „Aber auf anderen Planeten könnte die Entwicklung doch schon sehr viel weiter sein als hier bei uns auf der Erde.“

      „Das ist natürlich möglich“, erklärte Paul Rodriguez. „Und es wäre für unsere Zivilisation ein unglaublicher Erkenntnisgewinn, zu verstehen, wie es eine intelligente Spezies geschafft hat, trotz der zwangsläufigen Begrenzung ihrer Ressourcen über Jahrtausende hinweg eine nachhaltige Entwicklung zu nehmen. Ohne dabei ihren eigenen Untergang durch Ressourcenkonflikte oder Ausbeutung der eigenen Lebensgrundlagen herbeizuführen. In einem typischen Sonnensystem kommt der Großteil der Energie vom Zentralgestirn und die muss eine Zivilisation in ihrer Entwicklungsgeschichte intelligent nutzen, um langfristig auf ein und demselben Planeten überleben zu können.“ Rodriguez spielte mit den Münzen in seiner Hostentasche.

      „Nein Richard, ich halte unsere Suche aus einem ganz anderen Grund für existenziell. Die Entdeckung von bewohnbaren Planeten außerhalb des Sonnensystems könnte für die Menschheit in Zukunft noch sehr viel größere Bedeutung erlangen, als nur die Einsicht, dass wir nicht die einzige intelligente Lebensform im Universum sind. Der heutige Lebens­raum auf unserem Heimatplaneten könnte in einer nahen Zukunft viel tiefgreifender bedroht werden, als wir uns das vorstellen mögen. Einer unwiederbringlichen Auslöschung der menschlichen Existenz und Intelligenz mit allen ihren Errungenschaften in Wissenschaft, Technik und Kultur könnte sich die Menschheit dann möglicherweise nur noch durch die Besiedlung eines erdähnlichen Planeten in einem fernen Sternensystem entziehen. Praktisch als letzte Chance auf den Fortbestand der menschlichen Rasse.“

      Richard blickte Paul Rodriguez schweigend an.

      „Sag jetzt nichts, Richard. Ich weiß genau, was Du denkst. Natürlich sind das alles ferne Zukunftsphantasien. Im Moment ist das nicht mehr als Spinnerei. Und wir sind noch viele Generationen davon entfernt, solche Reisen anzutreten. Die Menschheit wird solche Optionen eines Tages benötigen – vielleicht sogar schneller als uns lieb ist.“

      „Paul, Du beginnst mir Angst zu machen.“ Richard bekam eine trockene Kehle.

      „Aber, Du kennst doch die Bedrohungen unseres Planeten im Sonnensystem…“, setzte Paul Rodriguez an, doch er wurde durch einen schrillen Pfeifton aus seinem Walkie-Talkie unterbrochen. Hektisch nahm er das Funkgerät aus der Halterung am Gürtel und eine Frauen­stimme mit spanischem Akzent krächzte aus dem kleinen Lautsprecher: „Paul. Du sollst sofort zu Guido kommen. Brighton will abreisen und er möchte noch was Wichtiges mit Dir besprechen.“

      10.Jet Propulsion Laboratory – JPL (Pasadena, Kalifornien, USA) – 14. September, 12:05 Uhr Ortszeit

      Die US-Flagge auf dem Hauptgebäude wehte unruhig im Wind. Stärker als für diese Jahreszeit üblich stieg der Westwind vom Pazifik hinauf zu den San Gabriel Bergen im Norden des Geländes und verstärkte sich zu einer frischen Brise. Auf dem Campus des Forschungsinstituts bewegten sich zu dieser Tageszeit nur wenige Menschen. Die Wenigen eilten hektisch zwischen den Gebäuden hin und her. In den Laboren nahmen der Forschungsbetrieb und die Entwicklungsarbeiten ihren gewohnten Lauf. Seit Jahrzehnten generierte das Jet Propulsion Laboratory neues Wissen über den Weltraum, das Sonnensystem und die Erde selbst. Und es entwickelte Instrumente, um Planeten, Monden, Asteroiden und Kometen möglichst nahe Besuche – meist Vorbeiflüge, im Idealfall sogar Landungen – abzustatten. In den 1930er Jahren war das Jet Propulsion Laboratory als Erprobungsinstitut für Raketenantriebe gegründet worden und hatte sich zu einer der angesehensten Raumfahrteinrichtungen der Welt entwickelt. Auf dem 72 Hektar großen Gelände westlich des Mount Wilson wurden Raumsonden und Satelliten entwickelt und gebaut, darunter sämtliche NASA-Missionen.