Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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deren spektakuläre Bilder es regelmäßig in die Abendnachrichten schafften. Neben den vorwiegend wissenschaftlichen Aufgaben arbeitete das Jet Propulsion Laboratory als Teil des California Institute of Technology auch an streng geheimen Projekten für das Pentagon und andere staatliche Einrichtungen der Vereinigten Staaten. In der für diese Zwecke abgeschirmten militärischen Abteilung im fünften Stock des zentralen Verwaltungsgebäudes stand General Lionel F. Hamilton am Fenster seines Büros. Der vier-Sterne General war für die Koordination von Sonder­missionen von Air Force und NASA verant­wortlich und hatte als einer von wenigen Militärangehörigen ein eigenes Büro in Pasadena. In seinen Verantwortungsbereich fielen die mit strengster Geheimhaltungs­stufe versehenen Aufgaben einer zehnköpfigen Gruppe von Spezialisten, deren Expertise – so hofften die wenigen überhaupt nur in die Existenz dieser Abteilung Eingeweihten – niemals zum Einsatz kommen musste. Die Aufgabe der Ingenieure, Physiker, Raketen- und Waffenexperten bestand in der Abwehr von extraterrestrischen Bedrohungen sowie der geheimen Koordination der zu ihrer Umsetzung erforderlichen Maßnahmen.

      Lionel Hamilton schaute bewegungslos und mit flachen Atemzügen auf das Sternenbanner, das auf dem Dach des Hauptgebäudes gegenüber wehte. Vor seinem inneren Auge liefen noch einmal die Ereignisse der vergangenen Monate ab. Zusammen mit seinen Leuten – es waren die Besten, mit denen er in seiner langen Laufbahn bei der Air Force zusammengearbeitet hatte – hatte er in wenigen Wochen das Konzept der komplexen Mission erarbeitet. Die Tage hatten mehr als sechzehn Stunden gehabt, Wochenenden gab es keine. Wochenlang hatten sie das Gelände in La Canada Flintridge nicht verlassen. Wieder und wieder hatten sie die unterschiedlichsten Szenarien durchgespielt und den Großrechner mit den Daten zur Simulation der Missionen gefüttert. Schließlich waren sie an einem Punkt angelangt, an dem die Umsetzung beginnen musste und sie sich für eine Strategie zu entscheiden hatten. Damals, Ende Mai, hatten sie sich in einem Besprechungsraum einge­schlossen und in quälend langen zweieinhalb Tagen das zu realisierende Missionskonzept verabschiedet. Zu viele Optionen waren zum damaligen Zeitpunkt noch nicht bewertet und zu viele Unwägbarkeiten noch nicht analysiert und abschließend beurteilt. Doch die Zeit lief davon. Nach fast 48 Stunden, in denen sie ununter­brochen an einer Lösung gearbeitet hatten, hatte sich Lionel Hamilton schließlich gegen alle Bedenken seiner Leute durchgesetzt. Er hatte eine Ent­scheidung getroffen. Die meisten seiner Leute waren erleichtert, sich nach dem zermürbenden Abwägen von Chancen und Risiken der unterschiedlichen Optionen endlich auf einen konkreten Plan zu konzentrieren. Nach seinem Besuch im Weißen Haus Anfang April hätte er es niemals für möglich gehalten, nach so kurzer Zeit zu einem Ergebnis zu kommen. Doch der Direktor der NASA hatte nicht zu viel versprochen, als er ihm sofort nach seiner Rückkehr aus Washington, seine besten Männer und Frauen für dieses Projekt zugesagt hatte. Für sie tat es Lionel Hamilton am meisten leid.

      Nach den Momenten des Nachdenkens drehte er sich um und ging zu seinem Schreibtisch an der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Er setzte sich auf den lederbespannten Schreibtischsessel. Dann öffnete er seinen Füllfederhalter und setzte seine Unterschrift mit wenigen, über Jahre eingeschliffenen Schwüngen unter das Minuten zuvor hand­schriftlich verfasste Dokument. Er faltete den Bogen fein säuberlich zusammen und steckte ihn in ein zuvor bereitgelegtes Kuvert, das er anschließend mit der angebrachten Gummierung sorgsam verschloss.

      General Hamilton atmete noch einmal tief durch und öffnete dann die unterste Schublade seines Schreibtisches. Dort deponierte er den Briefumschlag.

      Unter einem Stapel Papier im hinteren Teil der Schublade zog er eine Beretta M9 mit Schalldämpfer hervor. Er überprüfte die Munition im Magazin und entsicherte die Waffe. Zuletzt richtete er seinen Bürosessel exakt im rechten Winkel zur Tischplatte aus und legte den nach schräg oben weisenden Lauf der Waffe in seinen Mund. Noch einmal zog er die Luft tief in seine Lungen und schloss die Augen. Auf dem Gang vor seiner Bürotür hörte er Schritte schnell näherkommen. Wenige Augen­blicke später öffnete sich die Bürotür.

      11.Yepun (VLT), Cerro Paranal (Chile) – 14. September, 16:25 Uhr Ortszeit

      Die trockene Luft der klimatisierten Teleskopkuppel brachte Richard erneut zum Frösteln. Mit seinem kahlgeschorenen Kopf in die Hände gestützt saß er auf der Treppe zur Instrumentenplattform. Paul Rodriguez war schon fast eine Stunde fort. Immer noch grübelte er über dessen Andeutungen nach. Die Besiedlung fremder Welten war Science Fiction. Für eine derart vage Idee gab es mit Sicherheit keine Forschungsmittel. Bevor solche Ideen auch nur die Nähe einer realen Umsetzung erreichten, müssten noch Jahrzehnte intensiver Forschung investiert werden. Das hatte schon das Projekt Biosphäre 2 gezeigt, bei dem Anfang der Neunziger Jahre in einem von der Außenwelt abge­schotteten Gebäudekomplex in Arizona ein sich selbst erhaltendes Ökosystem geschaffen werden sollte. Eine Hand voll Menschen sollte sich darin für mehrere Jahre von der Außenwelt abgeschlossen versorgen. Das Experiment musste jedoch vorzeitig abgebrochen werden, da der Sauerstoff von den Baumaterialien absorbiert wurde und die meisten Nutztierarten ausgestorben waren, parasitäre Mikroben und Kakerlaken sich dagegen prächtig vermehrten. Das Projekt hatte mit erschreckender Deutlichkeit die Grenzen der menschlichen Fähigkeit aufgezeigt, komplexe und vernetzte Zusammenhänge der Natur zu überblicken. Trotz aller wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften mussten die Wissenschaftler eingestehen, dass sie noch lange nicht in der Lage waren, die Vielzahl der für das menschliche Überleben notwen­digen Umweltparameter zu begreifen oder zu kontrollieren. Schon allein aus diesem Grunde würde die Menschheit noch viele Generationen auf die Erde angewiesen sein.

      Auf der anderen Seite war das Leben auf der Erde seit Anbeginn Bedrohungen aus dem Sonnensystem ausgesetzt. Durch die geringe Wahrscheinlichkeit derartiger Ereignisse würde die Mensch­heit wohl noch ausreichend Zeit haben, sich auf eine solche Bedrohung vorzu­bereiten. Wieder durchfuhr ein Frösteln Richards gesamten Körper und er beschloss, im Kontrollzentrum zu warten. Mit von Kälte klammen Fingern öffnete er die schwere Stahltüre von der klimatisierten Kuppelhalle zur Luftschleuse. Am Ende der kurzen Treppe griff Richard nach der Außentür und erwartete die wärmenden Sonnenstrahlen. Noch bevor er die Außentür erreicht hatte schlug die Stahltür hinter ihm metallisch-dumpf ins Schloss. Die Außentür war verschlossen. Sie ließ sich nur mit einer Magnetkarte öffnen. „So ein Mist“, rief er wütend und ging mit lauten Schritten zurück in die mächtige Kuppelhalle.

      „Wo bist Du gewesen?“ Richard zuckte zusammen als er die Stimme hörte.

      Paul Rodriguez stand unter der Teleskopstruktur und lehnte am Treppengeländer. „Du musst entschuldigen Richard, es kommt immer was dazwischen.“

      „Wo bist Du denn so plötzlich her gekommen, Paul?“

      „Ich kenne hier oben jeden Kabelkanal“, lachte Rodriguez und Richard konnte sich ein Kopfschütteln nicht verkneifen.

      „Sag’ mal Paul. Du hast vorhin so geheimnisvoll getan. Die Besiedlung fremder Planeten und so. Wie kommst Du darauf?“

      Wieder lachte Rodriguez. „Ich habe mir schon gedacht, dass Dich das beunruhigen wird.“

      „Gibt es denn einen konkreten Anlass?“

      „Du kennst doch die Beobachtungsprogramme für interplanetarische Objekte?“

      „Klar. Ich habe früher selbst einmal nach Kometen und Asteroiden gesucht.“

      „Na, dann muss ich Dir ja nichts über die latente Bedrohung erzählen, die unseren Planeten begleitet.“

      „Die meisten von uns machen sich diese Gefahr ihr ganzes Leben lang nicht einmal bewusst.“

      Paul nickte stumm.

      „Da bin ich aber erleichtert.“ Richard atmete durch. „Ich dachte schon, Ihr hättet einen Brocken entdeckt, der die Erde auslöschen wird.“

      „Ganz so dramatisch ist es nicht“, entgegnete Rodriguez. „Wir haben aber eine sehr interessante Entdeckung gemacht.“

      „Was denn. Los sag’ schon“, drängte Richard ungeduldig.

      „Du hast doch sicherlich von der Beobachtung von Halley weit draußen bei den äußeren Planeten gelesen.“

      „Ja,