Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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er sich vergewissern, dass alle ihn verstanden hatten.

      „Sir, ich befürchte, Sie verkennen die Situation“, mischte sich jetzt Jack Weaver, der Leiter des Space & Missile Defense Command, ein. Der Tonfall des stämmigen drei-Sterne Generals war energisch aber zugleich freundlich. Sein Umgang mit der politischen Führung hatte sich in unzähligen Sitzungen eingeschliffen. „Wir alle können froh sein, wenn wir nach diesem Ding noch in der Steinzeit landen. Ein Brocken von dieser Größe hat das Potenzial, die gesamte menschliche Zivilisation auszulöschen. Und zwar nachhaltig – Für immer!“ Weaver machte eine Pause, doch der Präsident wartete weiter ab.

      „Mister President. Seien Sie aber versichert, dass wir alles in unserer Macht stehende tun, um diese Katastrophe abzuwenden.“

      „Gut. Weaver. Gut.“ Der Präsident wirkte plötzlich abgelenkt und wandte seinen Blick vorbei an der Kamera in den hinteren Teil des Raumes. Wenige Augenblicke später fuhr er fort. „Ich erwarte von Ihnen nicht weniger als die Rettung der Vereinigten Staaten, des Planeten und der gesamten menschlichen Zivilisation.“ Er machte eine bedeutungs­volle Pause, in der niemand auch nur einen Atemzug wagte. „Außerdem erwarte ich von Ihnen die allerstrengste Geheimhaltung. Wir können uns keine öffentliche Panik leisten. Aber das sollte Ihnen klar sein.“

      Dann wurde die abhörsichere Satellitenleitung zwischen Washington und Huntsville unterbrochen und das Bild des Präsidenten auf der Videolein­wand wurde abgelöst von einem schwarzweißen Flimmern.

      13.Valle del Elqui (Chile) – 15. September, 14:32 Uhr Ortszeit

      Das Valle del Elqui zieht sich dank ausgeklügelter Bewässerungskanäle als grüne Zunge von La Serena an der Pazifikküste tief in die karge Berglandschaft der chilenischen Anden. Das Städtchen Vicuna liegt friedlich in diesem weitläufigen von Weinbergen und Papaya-Plantagen umsäumten Tal. Wenige Minuten hinter Vicuna führt ein Abzweig der Landstraße hinauf zu einem kleinen Restaurant, das die reichlich im Valle del Elqui vorhandene Sonne als einzige Energiequelle zum Kochen nutzt. Ein Dutzend Parabolspiegel standen vor dem Haus. Ihr Fokus ist auf eine Art Glaskasten ausgerichtet; darin werden lokale Speisen wie die Bohnensuppe Porotos Granados gekocht. An einem langen Tisch saß eine kleine Gruppe von sieben Männern in der Sonne. Sechs von ihnen waren mit Overalls bekleidet. Sie hatten gerade ihr Mittagessen beendet und zahlten die Rechnung. Einer der Männer, ein kleingewachsener, schmaler Mann mit vernarbtem Gesicht und zerfetztem Ohr, verab­schiedete sich. Er war wortkarg und hatte sich während des Essens nicht mehr als zwei Sätze mit seinem Begleiter, einen stämmig gewachsenen Hünen, unterhalten. Stattdessen hatte er seinen Platz mehrmals verlassen, um unter einem Vorwand zu einem dunklen Mietwagen auf dem Parkplatz zu gehen. Lindsay Greene hatte beobachtet, wie er auf dem Rückweg einen Gegenstand ins Gebüsch warf, der in der Sonne wie ein Glasbehältnis aufblitzte. Jetzt eilte er mit nachgezogenem Bein zum Parkplatz. Dort stieg er in einen alten Pick-up und fuhr los. Lindsay Greene drängte ebenfalls zum Aufbruch und verließ das Restaurant in Richtung Parkplatz. Auf der breiten Natursteintreppe blieb er stehen und griff nach seinem Mobiltelefon in der Brusttasche. Ein eingehender Anruf, der nur durch das Vibrieren des Telefons signalisiert wurde.

      „Wir müssen miteinander sprechen“, meldete sich der Anrufer.

      „Nicht jetzt Ray“, antwortete Greene. „Gönn‘ mir wenigstens diese kleine Auszeit.“

      „Du weißt, dass wir jetzt in eine kritische Phase eintreten“, erklärte der Mann am anderen Ende der Leitung mit eindringlicher Stimme.

      „Ja Ray. Das haben wir doch schon hundertmal durchgespielt“, entgegnete Greene genervt. „Ich melde mich heute Abend bei Dir.“ Dann legte er auf, ohne die Antwort seines Gesprächspartners abzuwarten und nahm die letzten Stufen der breiten Natursteintreppe hinunter zum Parkplatz. Dort bestieg er einen ausgemusterten Militärlastwagen, auf dessen Ladefläche er seine Ausrüstung inspizierte und mit dem Rücken an die Bordwand gelehnt Platz nahm. Die anderen Männer folgten wenig später. Sie diskutierten, dass der Nutzen der Sonne beim Weinanbau deutlich größer sei, als bei dem lächerlichen Verfahren zur Zubereitung des Essens. Lindsay Greene beobachtete geduldig, wie sie nacheinander mit der Ausrüstung auf der Ladefläche ihre Plätze einnahmen.

      Wenige Minuten später dröhnte der Diesel des alten Transporters durch das Valle del Elqui ins Landesinnere. Nach einigen Kilometern bog der Fahrer ab und steuerte den Wagen die Steigung der D 475 auf den Gipfel des Höhenzuges zwischen La Campana und Monte Grande hinauf. Lindsay Greene blinzelte in die Nachmittagssonne als er noch einmal die Gurte seines Schirms überprüft hatte. Die fünf anderen Männer auf der Ladefläche schwiegen. Sie waren mit ihrer Ausrüstung beschäftigt und warteten auf die Ankunft am Startplatz auf 2.200 Höhenmetern. Lindsay Greene beobachtete seinen Gegenüber. Ein stämmiger Mann. Mit ver­steinertem Blick und auf einem Kaugummi kauend bearbeitete er mit seinen kräftigen Pranken die Tastatur seines Mobiltelefons. Immer wieder vertippte er sich bei der Eingabe der Nachricht. Bis auf ihn waren alle anderen Mitglieder im Paragliding-Club von La Serena. Obwohl er nur unregelmäßig Zeit für sein Hobby fand, hatte Greene mit den meisten der mehr als fünfzig Clubmitglieder schon einmal einen gemeinsamen Flugtag verbracht. Doch diesen Bullen von einem Mann, der ihm heute gegenüber saß, hatte er noch niemals bei einem Club-Event gesehen.

      Endlich erreichte der Transporter die Abflugstelle. Langsam ließ der Fahrer den Wagen ausrollen und stoppte den Motor. Lindsay Greene griff seinen Rucksack und den Helm und sprang als erster von der Ladefläche. Die Nachmittagssonne konnte sich nicht gegen den kühlen Westwind durchsetzen, der von der Küste ins Landesinnere blies.

      „Hey Lindsay“, rief ihm einer der Männer von der Ladefläche nach. „Warte auf uns, wir wollen unserem neuen Freund hier mal zeigen wie wir in Formation fliegen.“

      „Nein Danke, Jungs“, antwortete Greene. „Ich bin heut‘ nicht dazu aufgelegt. Ein anderes Mal, Ok?“

      Lindsay Greene zog den Reißverschluss seines Overalls höher und lief dann den Hang weiter nach oben zu einer flachen Felsformation. Hier setzte er den Rucksack mit seiner Ausrüstung ab und ließ den Blick über die umliegenden Höhenzüge hinunter zum Rio Elqui schweifen, der sich als hellblaues Band durch die sattgrünen Plantagen und Weinberge zog.

      Die anderen Männer folgten in einiger Entfernung. Kurz bevor sie Lindsay Greene erreicht hatten, blickte er auf seine Uhr – schon nach Drei. Es wurde Zeit, wenn er noch rechtzeitig zur Vorbereitung der Nachtmessungen zurück am Observatorium sein wollte. Ohne auf die Ankunft der anderen zu warten, stieg er weiter nach oben zur Absprung­stelle und stellte den Rucksack mit dem Schirm ab. Mit beiden Händen öffnete er den Verschluss. Dabei schlug ihm für einen kurzen Moment ein modrig muffiger, leicht ins Süßliche gehender Geruch entgegen. Wie lange ist es eigentlich her, dass ich zuletzt geflogen bin, dachte er und schüttelte sich.

      Dann breitete er den Schirm auf dem flachen Felsplateau aus. Sorgfältig legte er dabei die Verbindungsseile und Zugbänder über die Nylon-Tragfläche und verfolgte ihren Lauf bis zu den Tragegurten. Dann zog er das Gurtgeschirr über und verzurrte die Gurte sorgfältig. Zum Schluss setzte er seinen Helm auf. Durch einen prüfenden Blick schätzte er die Windrichtung ein und griff dann die Enden der Tragegurte, an denen die Führungs- und Verbindungsleinen zusammenliefen. Schwungvoll zog er den Schirm gegen den Westwind nach oben. Sofort öffnete sich die elliptische Tragfläche. Mit einigen schnellen Schritten gegen den Wind hob der Schirm ab und Lindsay Greene glitt über die Köpfe der anderen Männer hinweg in Richtung Tal. Durch die Thermik an den Berghängen und den Küstenwind waren theoretisch Flüge von mehreren Stunden möglich. Doch heute würde er nur einige Runden um den Gipfel drehen, um dann bald ins Tal nach Vicuna zu seinem Wagen zu fliegen. Mit einer langgezogenen Kehre glitt Greene um den Gipfel herum und steuerte von hinten auf die Absprungstelle zu, an der die anderen Männer gerade mit dem Ausbreiten ihrer Schirme beschäftigt waren. Lindsay Greene war inzwischen etwa 80 Meter über den Ausgangspunkt gestiegen, als er im Flugwind ein lautes Flattern hörte. Schnell richtete er seinen Blick nach oben auf seinen Schirm. Er erschrak. Die Gleitschirmkappe hatte sich zusammengeklappt. Das Blut schoss ihm bis unter die Schädeldecke. Schweiß trat aus allen Poren. Mit einigen geübten Zügen an den Steuerleinen stabilisierte er die Nylon-Tragfläche.