Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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das Treibhausgas in Verbindung mit Wasser­molekülen in fester Form als Methanhydrat gespeichert.“ Doch wovon Tupaliak nicht sprach, war die Gefahr, die von dem Methan ausging, das allein in den Permafrostböden Sibiriens gespeichert war. Würden sie in Folge weltweit steigender Temperaturen freigesetzt, so hätte das aufgrund der zwanzigfach stärkeren Klimawirkung als Kohlendioxid unabsehbare Folgen für die Erderwärmung – ebenso wie Methan­ausbrüche, die vor 251 Millionen Jahren die mittlere Temperatur auf der Erde um mehr als 10° Celsius erhöhten und 95% aller Arten auslöschten. Danach stabilisierte sich das Erdklima erst nach mehreren hundert­tausend Jahren und das Leben auf dem Planeten erreichte erst 100 Millionen Jahre später die Diversität vor dem Ausbruch. Die mindestens 500 Milliarden Tonnen Methan, die in den Permafrostböden Sibiriens von den Wissenschaftlern, mit denen Tupaliak zusammenarbeitete, vermutet wurden, besitzen damit die vielhundertfache Wirkung der jährlichen globalen Treibhausgasemissionen. Und ihre Freisetzung war in dem weiten, unerschlossenen Land kaum gezielt zu beobachten, geschweige denn zu kontrollieren.

      Die meisten anderen von Olayuk Ashevaks Freunden wussten nichts von diesen Erkenntnissen. Sie verdienten mit harten und teilweise lebens­gefährlichen Jobs ihr Geld in den Minen des Landes, wo die reichen Vorkommen an Gold, Silber, Wolfram und anderen Edelmetallen ausgebeutet wurden. Die begehrten Stellen bei den Öl- und Gasgesell­schaften waren schließlich meist den russischstämmigen Bevölkerungs­teilen vorbehalten. Deshalb nahm Olayuk Ashevak auch die täglich über zweistündige Anfahrt aus seinem kleinen Dorf in der arktischen Tundra in Kauf, um an dem Wohlstand zu partizipieren, den die Ausbeute der reichlich vorkommenden Bodenschätze bot. Seit Mitte der neunziger Jahre hatte die industrielle Erschließung der Öl- und Gasvorkommen in Tschukotka mit umfangreichen Explorationsaktivitäten der russischen Ölgesellschaften und milliardenschweren Investitionen in die Infra­struktur in diesem Jahrzehnt eine neue Dimension erreicht – obgleich er natürlich wusste oder zumindest ahnte, dass ein Großteil des Wohlstands in den Taschen einiger Weniger landete. Der Anstieg der Preise für fossile Energieträger im neuen Jahrtausend hatte die Ausbeutung der vielversprechenden Öl- und Gasfelder zu einer strategischen Aufgabe der Verwaltungsregion gemacht. Immer deutlicher werdende Möglichkeiten auf schnelle Renditen zogen zunehmend ausländische Investitionen in das ansonsten nur mit Sondergenehmigung der örtlichen Verwaltung zu betretende Gebiet. Der Großteil der für diese Explorationsaktivitäten notwendigen Anlagen und Güter erreichte die Provinz Tschukotka auf dem gleichen Weg wie das vor Olayuk Ashevak liegende Frachtschiff.

      Olayuk stellte die Thermoskanne zur Seite und griff nach dem Steuer­knüppel mit dem er den zentnerschweren Kranhaken in den Laderaum des Frachters absenkte. Dabei spürte er einen zunehmenden Druck in seinem Schädel und aufsteigendes Unwohlsein.

      15.Kontrollraum Cerro Paranal (Chile) – 21. September, 4:32 Uhr Ortszeit

      John Lee warf einen prüfenden Blick auf die Kontrollmonitore, die neben Spektralanalysen auch die verrauschte Aufnahme des untersuchten Exoplaneten-Systems zeigten. Dann rutschte er zufrieden in seinem Stuhl zurück und knackte mit den überstreckten Fingergelenken. „Sieht so aus, als hättest Du Deine erste Beobachtungseinheit erfolgreich beendet Richard. Glückwunsch!“

      „Vielen Dank für Deine Hilfe, John. Ohne Dich hätte ich das bestimmt nicht hinbekommen.“ Auch Richard ließ sich tiefer in den Stuhl sinken und die Spannung der letzten Nächte fiel von ihm ab. Er hatte die ganze Nacht am Kontrollpult von Yepun verbracht. Es war die letzte von fünf Beobachtungsnächten, die in der ersten Messphase gebucht waren. John Lee unterstützte ihn als Astronom bei der Europäischen Südsternwarte bei den Messungen. Er stammte aus Kalifornien und war von schmäch-tiger Gestalt, sein Gesicht war schmal und übernächtigt. Das Fachwissen über optische Interferometrie hatte er sich durch seine Doktorarbeit am Jet Propulsion Laboratory und eine frühere Stelle am Keck-Inter­ferometer auf dem Mauna Kea erworben.

      „Richard, die Reduktion Deiner heutigen Messungen wird sicher noch eine Stunde dauern. Ich werde inzwischen die nächste Remote-Service-Sequenz für eine Beobachtungsanforderung aus Paris konfigurieren. Wenn Du willst, kann ich Dir im Anschluss noch bei der Auswertung helfen.“ Nachdem er eine kleine Web-Kamera auf einem der Computer­monitore ausgerichtet und die Videokonferenz-Software gestartet hatte, lachte er unsicher und wandte sich wieder an Richard. „Außerdem interessiere ich mich für Dein Simulationsmodell. Ich wünschte, ich könnte auch so programmieren.“

      Richard schmunzelte zufrieden und arbeitete weiter an seinem Programm zur Auswertung der Messdaten. Er hatte das Modell der Bildung eines Planetensystems aus den Überresten eines Gas- und Staubnebels, der zu einem jungen Stern kollabiert war, selbst entwickelt und programmiert. Auch nach mehr als einer Stunde war er noch immer in sein Programm vertieft, so dass er Paul Rodriguez, der im Kontrollraum aufgetaucht war, nicht bemerkte.

      „Guten Morgen Richard. Ich habe schon gehört, dass wir auf Deine Auswertung gespannt sein dürfen.“

      Richard zuckte zusammen. „Paul, Du musst Dich leider noch etwas gedulden. Ich berechne erst mal nur eine Näherungslösung. Die eigent­liche Auswertung kann ich erst am Großrechner machen.“

      „Warum das, die Daten sind doch fertig. Kommt Dein kleiner Taschen­rechner damit etwa nicht klar?“, lachte er und blickte auf Richards Notebook.

      „Paul, mein Modell berechnet mehrere Milliarden Perioden über eine Population von einigen hundert Anfangsbedingungen.“

      „Ist ja gut. Ich wollte Dein Modell nicht anzweifeln. Außerdem musst Du ja zu Hause auch noch was zu tun haben.“ Rodriguez grinste.

      „Vielleicht hast Du recht. Ich könnte versuchen, das Modell mit einer kleineren Population und weniger Perioden zu rechnen. Dann kann ich möglicherweise noch ein paar Anhaltspunkte für meine nächste Beobachtungssequenz sammeln.“

      „Warum benutzt Du nicht meinen Account auf dem Pleiades Cluster. Zurzeit der schnellste Rechner auf dem Planeten.“ Paul Rodriguez zog einen zusammengefalteten Post-It aus der Brusttasche seines Hemdes.

      „Du kannst Dich auf meinem Account einloggen und bekommst dann den Cluster automatisch gemappt. Mein Username ist PaulR.“ Dann klappte er den gelben Zettel so auf, dass nur Richard ihn lesen konnte.

      Yepun_0223.

      Interessantes Passwort!

      16.Point Barrow (Nord-Alaska, USA) – 21. September, 00:18 Uhr Ortszeit

      Marc Lighter blickte konzentriert auf die Bildschirmanzeige seines Laptops. Während er die Leistungsparameter des Mikrowellensystems kontrollierte, nippte er an einer Dose Cola. Aus den Augenwinkeln verfolgte er die Monitore der beiden anderen Männer, die mit ihm in dem kleinen Container saßen. Der Container war auf der gesamten Längsseite mit Rechnersystemen und geheimer Steuerungs- und Kommunikations­elektronik ausgestattet. Lighter verfolgte ruhig die Daten seines Systems auf dem Bildschirm. Die beiden Air Force Offiziere, mit denen er seit über zwölf Stunden den engen Arbeitsplatz in dem Kommandocontainer teilte, wurden zunehmend unruhig und drängten auf das Ende der Testreihe. Doch auf dem abgelegenen Air Force Stützpunkt kurz unterhalb einer schmalen, langgezogenen Halbinsel, dem sogenannten Point Barrow, gab es außer einer Salzlagune, einem Süßwassersee, Lang­strecken-Radarsystemen und den Überresten einiger Startrampen wenig zu erkunden. Daher konzentrierte sich Marc Lighter weiter auf die unter­schiedlichen Leistungsparameter an seiner Systemsteuerung. Die POW Main Air Force Base bei Point Barrow lag nur wenige Meter vom Arktischen Ozean entfernt. In den sechziger und siebziger Jahren waren von dem nördlichsten Punkt der Vereinigten Staaten nahezu hundert Höhenforschungsraketen zur Untersuchung der Erdatmosphäre gestartet worden. Seit dem Kalten Krieg stand hier nur noch eine Radarstation der US Air Force. Außerdem wurde auf Point Barrow neben mehreren Wetterstationen auch das Arktische Forschungslaboratorium der Universität von Alaska betrieben, das bei der Untersuchung der Folgen des Klimawandels auf Wetteraufzeichnungen seit dem Ende des neun­zehnten Jahrhunderts zurückgreifen konnte.

      „Wir haben jetzt schon einen Massenverlust von elf Prozent“, erklärte Mike Tucker und blickte starr auf die Anzeige des Satellitenradars. „Warte, Marc.“ Tucker