Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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kommenden Monaten mehr als genug mit dem Abschluss seiner Doktorarbeit zu tun haben. Richard setze sich auf, schloss Karen noch fester in die Arme und atmete die kühle Abendluft durch Karens weiches Haar.

      „Richard, hast Du die Sternschnuppe gerade eben gesehen?“ Karen riss ihn aus den Gedanken. „Ich habe mir etwas gewünscht.“

      „Meinst Du, ich kann mir denken, was es ist?“

      „Ja, ich glaube schon.“ Karen lachte und rutschte noch einmal näher an Richard heran. Dabei streichelte sie sanft über seinen Kopf.

      Ihr größter Traum war es, dass sie sich häufiger sehen würden und ein gemeinsames Leben mit einem kleinen Haus und, irgendwann später einmal, mit mehreren Kindern. Die Verfolgung ihrer beruflichen Ziele hatte sie bislang eine Wochenendbeziehung führen lassen. Doch Karen lebte im Hier und Jetzt und wollte nichts aufschieben. Jetzt ist unsere schönste Zeit und die will ich so oft es geht mit Dir verbringen, hatte sie immer wieder gesagt. Ihr schulterlanges braunes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und ihr Körper war durch konsequentes Training in guter Form. Karen war eine attraktive junge Frau und viele von Richards Freunden beneideten ihn um sie. Er liebte vor allem ihre lebensfrohe Art. Er konnte sich nicht erinnern, wann er sie einmal betrübt oder verzweifelt gesehen hatte. Sie konnte jeder Situation noch etwas Positives abgewinnen und damit meist auch Richard mitreißen.

      Doch Richard hatte noch eine andere Geliebte, die er nicht loslassen konnte. Die Astronomie. Schon seit Kindertagen faszinierten ihn die Sterne. Beim Blick in die Unendlichkeit des Universums fühlte er sich dem Ursprung der Welt und dem Sinn der menschlichen Existenz unend­lich nahe. Er war hin- und hergerissen, aber im tiefsten Inneren spürte er, dass er nur mit beiden gemeinsam glücklich sein konnte.

      Noch lag das ganze Leben vor ihnen. Später konnten sie noch so viel Zeit miteinander verbringen. Doch in Augenblicken des voll­kommenen Glücks mit Karen, beschlich ihn eine Angst. Angst, dass ein unab­änderliches Schicksal alles ganz plötzlich in Frage stellen könnte. Bei seinem Bruder hatte er es hautnah erlebt. Seitdem lebte er im Bewusst­sein der Zerbrechlichkeit seiner Existenz. Sein kahlgeschorener Schädel, den er sich anfangs aus Solidarität hatte scheren lassen, erinnerte ihn jeden Tag daran. Doch warum musste er jetzt an den Kometen denken, von dem Paul Rodriguez berichtet hatte? Karens Sternschnuppe war doch eigentlich ein Glücksbringer. Mit dem Frösteln kam die Erinnerung an die Besichtigung der Teleskope am ersten Nachmittag auf dem Paranal zurück. Paul hatte merkwürdige Andeutungen gemacht. Der Komet könne für einiges Aufsehen sorgen. Und am Abend zuvor hatte er noch etwas anderes gesagt. Die Entdeckung könne den Lauf der Welt verändern. Was hatte er bloß damit gemeint, schossen ihm die Gedanken durch den Kopf. Es wird doch hoffentlich nicht zu einem Impact kommen. Paul war bei der Unter­haltung über den Kometen überhaupt nicht entspannt gewesen.

      Richard erinnerte sich an sein erstes Seminar zur Astronomie des Sonnensystems. „Kometen sind Botschafter aus der frühesten Jugend des Sonnensystems“, hatte der Professor erklärt. „Sie entstanden durch die Kondensation von Eis an kleineren Staubpartikeln, die sich zu größeren Gebilden zusammenballten. Heute befinden sich diese Reste in der Oort’schen Wolke an den äußersten Grenzen unseres Sonnensystems. In Intervallen von mehreren Millionen Jahren werden einzelne Kerne daraus durch vorbeizeihende Sterne als langperiodische Kometen in Richtung des inneren Sonnensystems geschleudert und beginnen bei Annäherung an die Sonne zu verdampfen, um so den charakteristischen Schweif auszubilden.“

      „Und die Dinosaurier sind ausgestorben, weil sie kein Weltraum-Programm hatten?“, hatte die einzige Studentin in den kleinen Seminar­raum gerufen.

      „Nicht so schnell meine Liebe. Dazu kommen wir gleich.“ Der Professor durchbohrte sie mit seinem Blick und unter den übrigen Studenten war lautes Gelächter ausgebrochen.

      „Meine Herren“, versuchte er sich nach Minuten, die er vor der Tafel auf und ab gegangen war, Gehör zu verschaffen. „Ihre Kommilitonin hat gar nicht so unrecht. Wir verfügen heute über Instrumente, eine solche Bedrohung aus dem Weltraum frühzeitig zu erkennen. Und in absehbarer Zeit stehen uns auch Mittel und Wege zur Verfügung, diese Bedrohung unter bestimmten Bedingungen von der Erde abzuwenden.“

      „Indem wir ihn in die Luft sprengen“, prustete ein Zuhörer laut lachend in den Raum.

      Noch lange ging der Professor durch die Sitzreihen und referierte dabei über die Energie beim Einschlag, die Auswirkungen auf das globale Klima und mögliche Abwehrmechanismen. „Doch, meine Damen und Herren, ich kann Sie beruhigen. Zu einem solchen Impact kommt es nur alle 30-50 Millionen Jahre.“

      Richards Blick zu den Sternen wurde von einer weiteren Sternschnuppe abgelenkt. Das schließt aber natürlich nicht aus, dass schon morgen wieder ein solches Objekt entdeckt wird.

      „Richard, worüber grübelst Du schon wieder nach?“ Karen hatte bemerkt, dass Richard schon eine ganze Weile in den grandios schimmernden Sternenhimmel starrte und dabei ziemlich abwesend war.

      „Ach, ich habe nur über uns beide nachgedacht.“ Er wollte den Moment nicht durch seine Grübeleien zerstören. Sie würden sich sicherlich schon bald als völlig unbegründet herausstellen. „Ich wünsche mir auch so sehr, dass wir für immer zusammenbleiben. Bis ans Ende unserer Tage. Und was immer danach kommt. Meine Seele möchte mit Deiner auf immer verbunden sein. Bis der letzte Stern im Universum erloschen ist, die Atome bereits zerfallen sind und das gesamte Weltall nur noch von Leere erfüllt sein wird.“

      „Richard, Du bist ein Spinner“, fauchte Karen und küsste ihn. „Aber ich liebe Dich! Ich habe jedenfalls keinen anderen. Ich weiß ja, dass ich Dich mit denen da oben teilen muss.“ Sie deutete auf das Quadrat im Sternbild des Pegasus am Himmel mitten über dem See.

      20.Central Park West (New York, USA) – 9. Oktober, 01:18 Uhr Ortszeit

      Jessica Brown blickte erschöpft aber glücklich durch die große Fensterfront auf die vielen tausend Lichter der Hochhäuser südlich des Central Park. Schweißperlen glitten ihr langsam über den Rücken und erfüllten ihren mit allen Vorzügen einer achtundzwanzigjährigen New Yorkerin ausgestatteten Körper mit einem wohligen Schauer. Ihr Kopf folgte sanft dem Rhythmus des gleichmäßigen Auf und Ab seines Brustkorbs. Seine Brusthaare kitzelten ihr an der Nase. Sie hätte noch stundenlang so da liegen können. In der verlässlichen Gleichmäßigkeit seines Herzschlags und den ruhigen Atemzügen gefangen. Ihren Körper erfüllte eine angenehme Mattigkeit und Befriedigung. Doch zum Ein­schlafen war sie, wie jedes Mal nachdem sie mit ihm geschlafen hatte, zu aufgewühlt. Immer wieder stellte sie sich vor, wie ihr Leben an der Seite von Edward Lawrie aussehen würde. Nicht nur, dass er Geld hatte und sie sich alles leisten konnten, was die Metropole zwischen Hudson und East River zu bieten hatte. Sie liebte Eddie, wie sie ihn liebevoll nannte, auch bedingungslos und wäre zu fast allem bereit gewesen, wenn sie ihn nur für immer an sich binden konnte. Doch manchmal, wenn er wieder einmal keine Zeit für sie hatte oder nur von seinen Geschäften sprach, fürchtete sie, dass er der Firma und seinem Erfolg alles unterordnen würde – auch seine Beziehung zu ihr. So lag sie lange wach und grübelte.

      In der Ferne erleuchteten einzelne Gewitterblitze den verhangenen Nacht­himmel über den Türmen der Wolkenkratzer. Ein dumpfes Grollen drang immer stärker aus der Ferne herüber und Edward Lawrie begann langsam, wieder wach zu werden. „Jess, was liegst Du denn schon wieder wach“, murmelte er im Halbschlaf.

      „Ich habe über uns nachgedacht, Eddi!“, erklärte sie hellwach und sah ihn dabei vielsagend an.

      „Ach Jess. Das wird sich schon alles finden. Schlaf’ jetzt! Du hast doch morgen auch wieder einen langen Tag.“

      „Nicht morgen“, antwortete Jessica provozierend. „Mein Chef ist doch auf Dienstreise!“

      „Ach ja, wo ist er noch gleich hin?“, fragte er schläfrig und blinzelte sie dabei aus einem Auge an.

      „Er ist nach Moskau und anschließend nach Saudi Arabien.“

      „Ach, das ist ja interessant.“ Lawrie stemmte seinen Oberkörper hoch und blickte Jessica tief in