Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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Ghawar über die nächsten 15 Jahre stabilisieren, wenn sich jetzt schon die jährliche Abnahme der Förderung kaum noch aufhalten lässt?“, wollte Brighton von dem korpulenten Chefingenieur von OilTech, dem weltweit größten Unternehmen für technische und operative Dienstleistungen für die Erdölindustrie, wissen. Der laute und grobschlächtige Parker Stapleton war für die Technik aller Ölfeld­dienstleistungen im gesamten Mittleren Osten einschließlich dem Irak und den Kaukasusrepubliken der russischen Föderation zuständig. Seine Texanische Herkunft verriet er durch einen grässlichen Südstaatenakzent. Sein saloppes, zum Teil schlampiges Auftreten irritierte seine Gegenüber im ersten Augenblick. Doch er hatte verantwortlich gezeichnet für Planung und Bau hunderter Ölbohr- und Fördereinrichtungen weltweit. Und dabei hatte er alle seine Zusagen, insbesondere von Terminen, gegenüber den sehr anspruchsvollen Kunden aus dem arabischen Raum eingehalten. Damit war es nicht zuletzt sein Verdienst, dass das Ölförder-Geschäft von OilTech seit Mitte der Achtziger Jahre im Mittleren Osten sehr viel schneller als der übrige Markt gewachsen war und die Gesellschaft innerhalb weniger Jahre Marktführer geworden war. Stapleton besaß dadurch alle Freiräume für neue Projekte und die Weiterentwicklung von Fördertechniken. Mit den Jahren hatte sich das Vertrauen zwischen den beiden ungleichen Männern verfestigt. Das hatte Brighton schließlich dazu veranlasst, Stapleton die Verantwortung für das gesamte Geschäft im Mittleren Osten anzubieten, das neben dem Explorations- und Förderbereich auch den Bau und Service von Raffinerien umfasste und alle fünf großen Raffinerien von Saudi Aramco zu seinen Kunden zählte. Doch Stapleton hatte dankend abgelehnt. Er wollte die Dynamik neuer Bohrungen und Fördersysteme nicht gegen lähmende Meetings und Schreibtischarbeit tauschen.

      „George, die Frage ist doch nicht, ob ich denen glaube was sie da schreiben.“ Stapleton wischte sich wieder mit dem Handrücken den Schweiß von der Oberlippe und benutzte wie immer, wenn er nicht einer Meinung mit Brighton war, dessen Vornamen. „Sie müssen es einfach hinkriegen.“ Er machte einen vielsagenden Gesichtsausdruck. „Wenn Ghawar peakt, dann peakt ganz Saudi Arabien und damit die ganze verdammte Ölindustrie.“

      „Schon gut Parker. Ich weiß es ja. Du brauchst mir keine Nachhilfe in Sachen Peak Oil zu geben.“

      „Die sind wild entschlossen, das ganze verdammte Feld mit Kohlen­dioxid vollzupumpen. Seit drei Jahren gibt es kein Meeting bei dem wir nicht darüber sprechen. Das Ganze ist echt nicht ohne. Du wirst es morgen selber sehen.“ Stapleton keuchte. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie alle Bohr- und Förderstellen noch einmal überholen und absichern müssen, bevor sie beginnen. Aber Abdul hat mich nur ausgelacht.“ Er schnaubte. „Wir hätten nur unser Geschäft im Sinn. Ich wolle ihm nur unsere verdammte Technologie verkaufen, hat er mir vorgeworfen. Du kennst ihn ja.“

      „Er ist ein unverbesserlicher Verdränger von Problemen.“ Brighton lachte. „Aber sag‘ mal Parker, wie weit sind sie denn eigentlich mit dem Technologie-Upgrade bei der Steuerungselektronik? Die Schwach­stellenanalyse geht nur am Rande auf die Probleme in der Steuerung der Produktionslogistik ein.“

      „Die haben jetzt das Operations Coordination Center in Betrieb, von wo aus sie alle Rigs online kontrollieren können“, erklärte Stapleton.

      „Ja, das weiß ich doch. Ich lese auch die Zeitung. Ich meine, wie funktioniert es? Haben sie beispielsweise immer noch diese häufigen technischen Ausfälle der Raffinerien?“

      „Nein, das haben sie in den Griff bekommen.“ Stapleton kniff die Augen zusammen. „Ich habe jedenfalls in der letzten Zeit nichts mehr davon gehört.“ Wieder blickte er auf seine Uhr. „Verdammt spät schon, Bill.“ Dann lehnte er sich zurück und schloss für einen Moment die Augen. Der Wagen näherte sich inzwischen ihrem Ziel.

      „Zu schade, dass Peter Atkins und Christian O’Sullivan uns verlassen haben“, durchbrach Stapleton nach einer Weile das monotone Geräusch des Zwölfzylinders. „Sie wussten über die Anlagen am besten Bescheid. Sie könnten Dir sofort sagen, wo im Moment die größten Schwachstellen liegen.“ Stapleton seufzte. „Weißt Du eigentlich, wo sie hingegangen sind?“

      „Ich habe davon gehört, Parker“, antwortete Brighton. „Gute Männer, diese beiden.“

      „Verdammt gute. Ich würde sagen, die besten, die OilTech je hatte.“ Stapleton nickte nachdenklich. „Sie kennen jede verdammte Ölförderung von hier bis hoch an den Kaukasus. Ihr Weggang wird eine ziemliche Lücke hinterlassen. Ich wüsste nur gerne, wo sie hingegangen sind. Hast Du wirklich nichts gehört, Bill?“

      Brighton reagierte nicht, sondern schwieg und lenkte seine Aufmerk­samkeit wieder auf die Unterlagen.

      26.Cerro Paranal, Plattform des VLT (Chile) – 11. Oktober, 15:58 Uhr Ortszeit

      Der rote Pick-up raste mit zunehmender Geschwindigkeit die breite Straße hinunter. Paul Rodriguez hatte nur wenige Handlungsoptionen. Er konnte versuchen, den Wagen vor dem Durchbrechen der Leitplanke und dem Sturz in den dahinterliegenden Abgrund durch einen Sprung zu verlassen. Bei fast einhundert Stundenkilometern schien diese Option aber wenig erfolgversprechend. Es gab keine Böschung oder sonstige Vegetation am Straßenrand, die einen Sturz auch nur annähernd dämpfen würde. Rodriguez war in den wenigen Sekunden, seit er keinen Wider­stand mehr beim Treten des Bremspedals gespürt hatte, schweißgebadet. Sein Gehirn arbeitete verzweifelt die verbleibenden Alternativen in Sekundenbruchteilen ab. Nach der Bewertung aller Möglichkeiten entschied er sich für ein hochriskantes Abbremsmanöver an der Fels­wand. Er griff das Lenkrad fester und steuerte behutsam nach rechts. Der Wagen folgte der Anweisung und das rechte Vorderrad spürte den Rand der steinigen Bankette. Es rüttelte heftig. Der Schotter trommelte gegen den Radkasten. Der Tacho zeigte 105 km/h. Rodriguez zog das Lenkrad weiter nach rechts. Der vordere Kotflügel berührte als erstes den felsigen Hang. Gestein und Lavasand spritzten nach oben. Die Lenkung gab die Schläge weiter an seine Hände, die das Lenkrad noch fester umklammer­ten. Er hielt dagegen. Die Geschwindigkeit war auf 98 km/h gesunken. Es scheint zu funktionieren, dachte er und blickte gebannt auf das zu allen Seiten spritzende Geröll.

      Die Kehre war auf etwa 60 Meter näher gekommen. Verdammt, es wird eng. Für einen Alternativplan war es zu spät. Es blieb nur diese eine Möglichkeit. Rodriguez zog das Steuer weiter nach rechts und beobachtete den Tacho. 95 km/h … 90 km/h … 85 km/h. Der Erfolg machte ihm Mut. Er atmete hektisch.

      Plötzlich kam ein heftiger Schlag an seinen Unterarmen an. Er musste irgendetwas überfahren haben. Das Blut schoss ihm bis in die Haarspitzen. Es rüttelte heftig am Lenkrad. Dann hielt er den Atem an und sah hoch. Der rechte Vorderreifen hatte an einem spitzen Felsvor­sprung versagt. Der Wagen war nicht mehr in seiner Gewalt und die Kehre war bis auf 30 Meter näher gekommen.

      Rodriguez wurde von Verzweiflung gelähmt. Die Gedanken schweiften ab zu seiner jungen Geliebten. So darf es nicht zu Ende gehen. Sein Gehirn begann erneut, nach einem Ausweg zu suchen. Die Kehre hat einen großen Radius, damit die mit den Spiegeln beladenen Tieflader sie passieren können. Auf der nächsten Gerade lenken und dann am Felsen auf der anderen Straßenseite abbremsen. Die Tachonadel zeigte 75 km/h. Noch einmal holte er tief Luft. Die Leitplanken vor dem Abgrund waren bis auf zehn Meter herangerückt. Er riss das Lenkrad nach links gegen den Widerstand der Randbankette. Der Wagen entfernte sich von der Felswand. Der zerfetzte Reifen hämmerte von Innen gegen den Rad­kasten. Fünf Meter bis zur Leitplanke. Rodriguez stemmte sich noch stärker gegen die Lenkung. Der Wagen hatte fast die Mittellinie erreicht, als sich die letzten Überreste des linken Vorderreifens von der Felge lösten. Sein Blick erfasste für einen Wimpernschlag die Leitplanke und den Abgrund dahinter. Dann spürte er schmerzende Stöße und Schläge in seinen Seiten und an seinem Kopf. Das Bild seiner jungen Geliebten drängte sich als Letztes in sein Bewusstsein. Wenige Augenblicke später wurden seine Gedanken in ein schwarzes Nichts gezogen.

      Nachdem der Wagen an ihnen vorbeigerast war, rannten Karen und Richard hinter dem trudelnden Pick-up her. Richards Verstand sagte ihm, dass er nichts mehr unternehmen konnte, aber sein Unterbewusstsein befahl ihm, zu rennen. Der Wagen rutschte von der Mitte der breiten Straße unaufhaltsam auf die Leitplanke zu. Zuerst berührte der vordere Kotflügel die Leitplanke. Die Wucht des Aufpralls wurde von der Stahl­planke