Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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Du eine Ahnung, an was für Geschäften er genau dran ist?“

      „Keine Ahnung. Er ist in dieser Beziehung in letzter Zeit sehr ver­schlossen und geheimnisvoll“, erklärte Jessica, die sich inzwischen aufgesetzt hatte und ihren Oberkörper in das seidene Bettlaken einge­wickelt hatte. „Der große Konferenzraum – dort arbeitet er. Er ist immer verschlossen. Ich komme alleine gar nicht hinein. Nur, wenn er im Büro ist…“

      Edward Lawrie war auf einmal hellwach: „Das klingt aber nach vielversprechenden Geschäften.“ Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. „Kannst Du mir nicht mal einen Tipp geben, Jess. Ich könnte ein paar lukrative Investitionsideen gerade gut gebrauchen.“ Lawrie sah seine Geliebte erwartungsvoll an. Jessica Brown fühlte einen kalten Schauer. „Ich kann Dir nichts versprechen, Eddi“, erklärte sie kühl und küsste ihn. Dann griff sie nach dem Champagner auf dem Nachttisch und leerte das Glas in einem Zug.

      21.Cerro Paranal (Chile) – 11. Oktober, 15:08 Uhr Ortszeit

      Richard reichte Karen die Wasserflasche. „Hier oben musst Du viel trinken.“

      „Ja, ich weiß“, entgegnete sie mit ihrem typischen Lachen, das Richard besonders an ihr liebte.

      Der Himmel war so wie immer auf dem Paranal. Stahlblau. Keine Wolke war zu sehen. Die Sonne tauchte die 2.600 Meter hoch gelegene Plattform und die Teleskope in ein unbeschreibliches Licht.

      „Richard, Du hast mir wirklich nicht zu viel versprochen. Ich verstehe zwar nicht viel von Astronomie und den Instrumenten hier oben, aber das da ist wirklich beeindruckend.“ Karen deutete auf die vier großen Teleskope. „Und Paul. Also der scheint wirklich einiges zu bewegen. Ich hatte ihn mir ganz anders vorgestellt.“ Dann nahm sie einen Schluck aus der Wasserflasche.

      „Also hat es sich gelohnt, noch mit hier rauf zu kommen?“ Richard suchte nach Bestätigung in Karens Blick.

      „Auf jeden Fall. Schau Dir doch auch mal diese Aussicht an.“

      Karen stellte die Flasche beiseite und umarmte Richard. „Gehen wir zu Fuß runter und genießen noch ein wenig den Ausblick?“

      „Ja gerne“, willigte Richard ein. „Wir müssen nur Paul Bescheid geben, der wundert sich sonst, wo wir geblieben sind.“

      Richard wollte gerade aufspringen, um ins Kontrollzentrum zu gehen, als Paul Rodriguez winkend neben dem Gebäude auftauchte. „Karen, Richard“, rief er. „Ich hab‘ noch kurz was im Tunnel zu erledigen, danach kann ich Euch mit nach unten nehmen.“

      „Paul, vielen Dank! Aber wir wollen gerne zu Fuß gehen.“ Richard deutete auf die wenige Meter entfernten Treppenstufen.

      „Alles klar Ihr Turteltäubchen. Dann sehen wir uns später beim Abend­essen“, rief Paul Rodriguez mit einem Lachen über die Plattform. „Pass aber gut auf Karen auf!“

      „Vielen Dank für die Führung Paul! Bis später im Kasino“, rief Karen ihm hinterher. „Ich freue mich schon auf weitere Geschichten von den Exoplaneten.“

      Dann verschwand Paul Rodriguez, ohne sich noch einmal umzusehen, im Interferometrielabor.

      22.Cerro Paranal, Kontrollzentrum (Chile) – 11. Oktober, 15:26 Uhr Ortszeit

      Vor dem Kontrollzentrum wartete der ESO-Bus mit laufendem Motor. Der chilenische Fahrer ging mit einem halbaufgerauchten Zigarillo vor seinem Fahrzeug auf und ab und blickte immer wieder auf die Uhr. Im Inneren des kleinen Busses hatten dreizehn Mitglieder der Besucher­gruppe bereits ihre Plätze für die Fahrt zurück ins Basiscamp einge­nommen. Aus dem Fenster schoss ein Mann Fotos von den Gebäuden. Ein anderer beobachtete mit seinem Fernglas die entfernten Gipfel der Fünf- und Sechstausender. Ein Junge kniete auf seinem Sitz und verfolgte die ungeduldigen Schritte des rauchenden Fahrers. Der Chilene sah sich immer wieder auf dem gesamten Parkplatz um. Dann auf einmal warf er nach einem letzten tiefen Zug seinen Zigarillostummel in hohem Bogen auf den Asphalt. „Mensch, wo bleiben Sie denn?“, rief er zwei Männern entgegen, die auf den Bus zusteuerten. Unbeeindruckt von der Tatsache, dass die Besuchergruppe inzwischen über eine viertel Stunde auf sie gewartet hatte und der Zeitplan des anschließenden Programm­punktes im Besucherzentrum bereits überschritten war, kamen die beiden Männer über den Parkplatz geschlürft. Als erster erreichte ein kräftig gebauter, muskulöser Mann mit schwarzer Windjacke und Sonnenbrille den Bus. Er stieg mit einem breiten Lächeln ein und ging schweigend an den wartenden Fahrgästen vorbei zu seinem Sitz. Dabei kaute er laut schmatzend auf einem Kaugummi. Sein Begleiter, ein schmaler, kleinge­wachsener Mann mit vernarbtem Gesicht, humpelte, ohne die Miene zu verziehen und ohne seine Sonnenbrille vom Gesicht zu nehmen, auf den letzten noch freien Platz neben seinem Begleiter. Dann stieg auch der chilenische Fahrer mit einer unmissverständlichen Geste und einigen heruntergeschluckten spanischen Kraftausdrücken auf seinen Sitz. Nachdem er den Gang mit einem lauten Krächzen des Getriebes eingelegt hatte, steuerte er den Bus zügig auf die Straße hinunter zum Basiscamp.

      23.Zufahrtstraße zum Cerro Paranal (Chile) – 11. Oktober, 15:43 Uhr Ortszeit

      Die Aussicht zu den Bergketten im Südosten und dem unter einem Wolkenvorhang verdeckten Meer im Westen war grandios. Richard wünschte sich, die Zeit mit Karen würde niemals zu Ende gehen. Auf dem Weg hatten sie immer wieder angehalten und nach mehreren Pausen und etwa 300 Stufen wieder die Straße erreicht. Mit zwölf Metern Breite war sie so an den Berg gebaut, dass auf ihr die großen Teleskopspiegel mit Tiefladern zwischen der Plattform und der Beschichtungsanlage im Basiscamp transportiert werden konnten. Folglich war die Steigung moderat und zwischen den wenigen weit ausholenden Kehren gab es lange gerade Teilstücke.

      Richard und Karen hatten gerade zwei Drittel der ersten langgestreckten Gerade zurückgelegt, als weiter oben ein roter Toyota Pick-up um die erste Kehre bog. Richard erkannte den Wagen sofort.

      „Hey Karen, willst Du immer noch bis ganz nach unten laufen? Wir können Paul anhalten.“

      „Nein, nicht wegen mir. Ich finde es prima so. Im Auto ist die tolle Aussicht viel zu schnell vorbei. Außerdem möchte ich Dich noch eine Weile für mich alleine haben.“ Sie ließ ihren Blick von Richard zu den langgezogenen Bergketten am Horizont schweifen.

      Wenige Augenblicke später hatte der Pick-up etwa ein Viertel der Geraden hinter sich gelassen und zog Karens Aufmerksamkeit auf sich. „Paul fährt aber ganz schön schnell hier runter.“

      „Das wundert mich auch“, stellte auch Richard fest. „Sonst hält er sich immer strikt an die Geschwindigkeit.“

      Als der Wagen etwa die Hälfte der Gefällstrecke mit weiter zunehmender Geschwindigkeit zurückgelegt hatte, betätigte Paul Rodriguez mehrfach Hupe und Lichthupe zugleich.

      „Richard“, rief Karen besorgt aus, „ich glaube da stimmt etwas nicht.“

      „Ja. Du hast recht!“ Richard stockte der Atem. „Warum bremst er nicht?“

      Die Geschwindigkeit des roten Pick-up nahm weiter zu. Er hatte sich der nachfolgenden Kehre bis auf 100 Meter genähert. Längst hätte er abbremsen müssen. Im Näherkommen erkannten sie durch die Front­scheibe, wie Paul Rodriguez heftig gestikulierte und sie anwies zur Seite zu gehen. Panik machte sich breit.

      „Richard, tu doch was“, schrie Karen entsetzt und blieb erstarrt auf der Straße stehen.

      „Nein, er rast auf die Leitplanke zu“, rief Richard und rannte auf den Wagen zu. Dieser hatte inzwischen über neunzig Stundenkilometer erreicht. Bis Richard verstand, was Paul ihnen durch seine Zeichen mitteilen wollte, verging jetzt nur noch ein Wimpernschlag. „Karen – weg von der Straße“, schrie er zu ihr herüber. „WEG VON DER STRASSE!“ Richard wandte sich instinktiv um und rannte zurück zu Karen, die noch immer wie gelähmt auf der Straße stand.

      24.Kontrollraum Paranal Observatorium