Marc F. Bloom

Sustainable Impact


Скачать книгу

Das war doch so nicht besprochen.“

      Der Monitor zeigte die Radarvermessung eines etwa 500 Meter langen und 300 Meter breiten Eisbergs, irgendwo fünfzig Seemeilen vor der Küste des arktischen Schelfeises zwischen 170 und 180 Grad östlicher Länge. In der Mitte der langen Seite war ein wie mit dem Lineal gezogener schmaler Spalt zu erkennen.

      „Keine Panik, Mike. Ich habe mal eine kleine Variante probiert.“ Lighter setzte ein breites Grinsen auf. „Und es hat ganz offensichtlich funktio­niert.“

      „Du hast gut lachen. Ich hoffe nur, wir kriegen keinen Ärger deswegen. Du weißt, die Russen haben ihre Augen überall. Ich will nicht, dass sie drauf kommen, was wir hier machen!“

      „Aber Mike, so ein Eisberg ist eine absolut natürliche Sache“, erklärte Marc Lighter mit beschwichtigendem Ton. „Reines Wasser. Diese Dinger zerbrechen halt manchmal. Gerade heutzutage. Da wird niemand drauf kommen, dass wir etwas damit zu tun haben.“

      „Und wenn er wie mit einem Tranchiermesser durchtrennt wird?“, regte sich Tucker auf.

      „Ach komm schon, Mike. Lass’ gut sein“, fiel ihm Roger Beechey ins Wort.

      Tucker ließ sich in den Stuhl zurückfallen. „Er macht ja doch was er will“, brummte er und wechselte die Anzeige seines Monitors. Ein Netzlinienbild zeigte die dreidimensionale Gesamtperspektive des Eisbergs. Die Bilder stammten aus der Ostsibirischen See. Sie wurden von einem hochmodernen Erkundungs- und Spionagesatelliten im globalen Satellitennetzwerk der US-Armee geliefert. Mike Tucker war bei den Weltraumtruppen der US Air Force als Systemoffizier für die Bedienung der Spionagesatelliten verantwortlich. Der Dienstsitz seiner Einheit lag in Kalifornien. Wenige Tage zuvor war er für diesen Geheim­auftrag an den nördlichsten Posten, den die Air Force zu bieten hatte, beordert worden. Draußen trieben nach einem kurzen feuchten Sommer die ersten Schneestürme von der Arktischen See aus über das Land. Die Temperaturen erreichten gerade einmal minus zwei Grad. Tuckers Planung hatte für diese Tage einen Urlaub mit seiner Freundin am Strand von Malibu vorgesehen. Entsprechend unterkühlt war seine Stimmung.

      „Reicht es Dir jetzt endlich, Marc?“ Tuckers Blick war auf Zustimmung aus.

      „Ich möchte gerne noch einige andere Parameterkonstellationen testen“, antwortete Marc Lighter ohne Eile und wandte seinen Blick nicht von der Parameteranzeige des Hochleistungsmikrowellensystems ab. „Beim nächsten Transit. O.K.?“

      „Das ist dann schon der zehnte Transit, Marc. Wir hatten für die Tests eigentlich nur acht vereinbart“, wandte Beechey ein, der als System­offizier für die Steuerung und Kontrolle des MITADE-Satelliten zustän­dig war. Das Microwave Tactical Defense System war ein Projekt, das es offiziell gar nicht geben durfte. Nach dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte der US-Kongress die Finanzierung für die strategische Verteidigungsinitiative, die US-Präsident Ronald Reagan zum Schutz vor Angriffen mit Interkontinental­raketen ins Leben gerufen hatte, massiv zusammengestrichen. Die Ent­wicklungsprojekte, die bis dahin schon ein Vielfaches der geplanten Mittel verschlungen hatten, aber noch weit von den versprochenen Ergebnissen entfernt waren, wurden über Nacht gestoppt und sämtliche Forschungsarbeiten wurden auf Eis gelegt. Einzig ein Projekt, das den Einsatz von gebündelten Energiepulsen in Form von Mikrowellen­strahlen zur Störung und Beeinflussung feindlicher Gefechtsfeld­elektronik einschließlich der Steuerungssysteme strategischer und tak­tischer Atomwaffen zum Ziel hatte, hatte überlebt. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion waren die Labors und Anlagen von ihrem ursprüng­lichen Standort in Kalifornien zu einer abgeschiedenen Militärbasis in Arizona gebracht worden und wurden von diesem Zeitpunkt an unter strengster Geheimhaltung und mit Finanzmitteln, die zur Verschleierung über mehrfache Umwege aus dem Budget der Air Force abgezweigt wurden, unter dem Codenamen MITADE weiter vorangetrieben.

      Auf die frühen Tage dieser Geheimabteilung der Air Force ging auch die Verbindung zwischen Roger Beechey und Marc Lighter zurück. Lighter war damals nicht bereit gewesen, der plötzlichen Verlagerung seiner Abteilung in die Wüste Arizonas zu folgen. Er hatte es vorgezogen, sich mit seinem Wissen und seiner Erfahrung im Bereich von Hochleistungs­mikrowellensystemen zusammen mit seinem Freund Samuel Wallace in der Nähe von Stanford selbständig zu machen. Gemeinsam gründeten sie die Advanced Microwave Technologies Inc. und arbeiteten aufgrund ihrer einzigartigen Expertise auf dem Gebiet hocheffizienter Mikro­wellenquellen neben der Entwicklung industrieller Anwendungen auch eng mit der MITADE-Geheimabteilung der Air Force zusammen. Der Höhepunkt des Erfolges von Advanced Microwave Technologies war die Auswahl eines von Marc Lighter entwickelten Hochleistungsmikro­wellensystems für den ersten Prototypen eines weltraumgestützten Abwehrsatelliten, den die Geheimabteilung der Air Force als Spionage­satellit getarnt, in eine niedrige Umlaufbahn bringen konnte. Da Marc Lighter als Hauptanteilseigner von Advanced Microwave Technologies kein Interesse an der Veräußerung seiner durch unzählige Patente geschützten Technologie hatte, wurde er von der MITADE-Abteilung seit ihrem Untertauchen immer wieder für Weiterentwicklungen und Tests seines Mikrowellensystems in dem einzigen bisher aktiven Satelliten herangezogen. Durch seine intimen Kenntnisse und Einblicke in die Geheimabteilung, die er dabei zwangsläufig erlangte, verfügte er damit zugleich auch über eine Währung, die seiner Firma eine Verhand­lungsposition ermöglichte, von der jeder seiner Wettbewerber nur träumen konnte.

      „Wenn es Euch zu langweilig wird, dann macht Euch von mir aus ab durch die Büsche“, erklärte Marc Lighter den beiden Systemoffizieren beiläufig. „Ich werde Euch jedenfalls nicht verpfeifen! Hab’ Wichtigeres zu tun. Die Jungs von der NASA werden mich grillen, wenn ich das hier versaue“, murmelte er, ohne dabei von seinem Bildschirm hoch zu sehen.

      Tucker und Beechey tauschten für einen kurzen Moment fragende Blicke aus. Sie verloren jedoch kein Wort und starrten dann weiter auf ihre Monitore. Nach einigen Minuten blickte Beechey von seinem Bildschirm hoch. „Wenn Du uns wirklich nicht verpfeifst, kannst Du von mir aus noch die nächsten vierundzwanzig Stunden weiter testen, Marc.“

      Marc Lighter starrte, ohne ein Wort zu sagen, weiter auf seinen eigenen Bildschirm und tippte einige Tastenkombinationen.

      „Du kennst Dich ja mit dem Satelliten aus, Marc“, fügte Beechey hinzu.

      „Klar, mindestens hundert Mal gesehen, wie Ihr Jungs das macht.“ Lighter nippte desinteressiert an seiner Cola.

      Beechey kramte in seiner Tasche. Nach einem Moment zog er einen Memory-Stick hervor. „Das sind die Zugriffscodes. Pass gut drauf auf.“ Dann zögerte er, als Marc Lighter keine Reaktion zeigte, sondern weiter unbeirrt mit seinem Programm beschäftigt war.

      „Leg’ sie dort hin. Wird sie schon keiner wegnehmen. Hier kommt ja freiwillig eh niemand her.“

      Beechey gab seinem Kollegen einen Stoß in die Seite und sein Gesicht zeigte zum ersten Mal seit Stunden wieder eine Regung. „Also los. Danke Marc, dass Du uns eine Pause gönnst. Du weißt ja, wo Du uns erreichst, wenn Du Hilfe brauchst.“

      „Kein Problem Leute. Macht Euch los. Ich komme schon klar.“ Dann schoben die beiden Systemoffiziere ihre Unterlagen zusammen und verließen den Kommandocontainer durch die mit einem Codeschloss gesicherte Zugangstür. Als die schwere Stahltür wieder ins Schloss gefallen war, blickte Marc Lighter zum ersten Mal von seinem Bild­schirm auf. Einen Moment saß er regungslos auf seinem Stuhl und versuchte, die Stimmen der beiden draußen zu verfolgen. Die Lüfter und Festplatten der unzähligen Rechner und die Klimaanlage überlagerten mit ihrem monotonen Hintergrundgeräusch jeden Laut. Langsam löste sich die Anspannung der letzten Stunden. Marc Lighter streckte sich und atmete die stickige Luft des Containers tief ein. Dann ging er zur Steuerungseinheit des MITADE-Satelliten. Schnell steckte er den Memory-Stick in den dafür vorgesehenen Anschluss des Kontroll­rechners und zwang sich zur Konzentration. Dann hackte er einige Befehle in die Tastatur. Immer wieder schweifte sein Blick zur Tür und er versuchte, trotz der Hintergrundgeräusche eine mögliche Rückkehr der beiden Systemoffiziere zu hören. Nach einigen Momenten, in denen alles ruhig blieb, holte er einen kleinen Zettel aus seiner Hosentasche und faltete das Papier auseinander. 69 Grad 40 Minuten 43,53 Sekunden Nord – 170 Grad 11 Minuten 53,38 Sekunden Ost. Seine Finger huschten über die Tastatur und er übertrug die Koordinaten in das Programm zur Satellitensteuerung. Nachdem er