Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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sie haben ihn doch mehrere Jahre vor dem Perihel entdeckt“, antwortete Boening. „Das ist sehr ungewöhnlich. Eigentlich eine Sensation.“

      „Ich weiß. Und nichts weiter?“

      Gerhard Boening sah Richard fragend an. Nach einer Weile schüttelte er den Kopf. „Nichts weiter!“

      „Aber sie haben die Entdeckung nicht veröffentlicht. Ist doch merkwürdig!“

      „Stimmt! Aber ich hab‘ das nicht näher verfolgt“, erklärte Boening und zog die Kabel aus dem Oszilloskop. „Paul sagte uns, wir sollten das nicht an die große Glocke hängen. Er hat mich gebeten, die Parametrisierung aller Datenerfassungsprogramme zu überprüfen. Vielleicht hat er seinen eigenen Messungen nicht getraut.“

      12.Space & Missile Defense Technical Center – SMDTC, Huntsville (Alabama, USA) – 15. September, 9:15 Uhr Ortszeit

      Der große Konferenzsaal war voll besetzt, als Alan Forster mit einem Stapel Unterlagen unter dem Arm den Raum betrat. Er war seit über 24 Stunden auf den Beinen. Seine Augen waren rot und schmerzten. Im Vorbeigehen griff er ein Sandwich vom Tablett auf dem Sideboard und eilte zu seinem Sitzplatz an der gegenüberliegenden Seite des breiten Konferenztisches.

      „Hey Alan, was sagst Du zu Hamilton?“, hielt ihn Jack Weaver an. „Hat sich einfach aus dem Staub gemacht!“

      „Wo ist er hin?“, entgegnete Alan Forster gehetzt.

      „Hat sich das Hirn mit seiner Beretta aus dem Schädel geblasen, diese Schweinebacke“, antwortete Jack Weaver so, dass es die anderen Offiziere am Konferenztisch hören mussten. „Ich wollte gerade zu ihm rein, da hat er abgedrückt.“

      „Oh mein Gott, was für eine Schande.“ Alan Forster schoss augen­blicklich das Blut in den Kopf und er stockte für einen Moment.

      Die große Videoleinwand am Ende des Konferenzraumes blendete nach einem glockenhellen Signalton das runde Emblem des Weißen Hauses ein. Die abhörsichere Verbindung kam über einen geostationären Satelliten des MilStar-Kommunikationssystems zustande, das die welt­weite Kommunikation des US-Militärs in Kriegs- und Krisenzeiten sicherstellte. Noch bevor der Major seinen Platz erreicht hatte, knackten die Lautsprecher und der Präsident ergriff das Wort.

       „Meine Herren. Ich sehe, Sie sind vollzählig versammelt. Sie alle kennen den Grund meiner Besorgnis. Ich spare mir also einleitende Worte. Nach dem Scheitern der NASA-Mission liegt die Verantwortung für die Zukunft unserer Nation jetzt allein in Ihren Händen.“ Der Präsident hielt einen Augenblick inne und schickte einen durchdringenden Blick in die Kamera – er schien aus der Videoleinwand heraus jeden Einzelnen zu fixieren. Major Alan Forster, der mit seinem Team die letzte Nacht mit der Simulation und Bewertung der zu diesem Zeitpunkt noch möglichen Abwehrstrategien verbracht hatte, fühlte mit den Worten von Präsident Goldman, wie der letzte Bissen seines Sandwichs quer die Speiseröhre hinunter rutschte.

       „Wir können uns keine weiteren Fehlschläge leisten. Wir sind die führende Technologie-Nation. Wir haben vor mehr als vier Jahrzehnten Menschen auf den Mond und sicher wieder zur Erde gebracht. Wir haben das Internet erfunden und wir sind die größte verbliebene Nuklearmacht. Wir lassen uns nicht von einem Eisbrocken in die Knie zwingen. Unser Geheimdienst hat die Verbreitung der Information bislang verhindern können. Nach weiteren Informationen unserer Dienste sind wir dank unseres frühzeitigen und beherzten Eingreifens die einzige Nation, die über Kenntnis von dieser existenziellen Bedrohung verfügt. Jetzt müssen wir handeln. Wir müssen der Welt eine Lösung präsentieren!“

      „Aber Mister President. Mit Verlaub, so einfach geht das nicht. Wir müssen uns den Fakten stellen.“ Alan Forster hielt es nicht mehr auf seinem Platz. „Unsere Analysen zeigen, dass es nach dem Scheitern der gestrigen Mission keine weitere Möglichkeit für eine zu einhundert Prozent sichere Ablenkung des Kometen mehr gibt. In der uns verblei­benden Zeit und unter Einsatz aller uns zur Verfügung stehenden Mittel und Maßnahmen – also im Idealfall – können wir nur noch die Verringerung der Impact-Wahrscheinlichkeit erreichen.“

      Stille erfüllte den fensterlosen Raum im zweiten Untergeschoss der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der US-Armee für alle welt­raumbasierten Verteidigungssysteme und Technologien. Die fünfzehn anwesenden Offiziere bildeten die Führungsebene des SMDTC und vereinigten mehrere hundert Jahre Erfahrung in Raketen-, Weltraum- und Nukleartechnologie sowie ihrer Einsatzmöglichkeiten. Aber auch ihrer Grenzen.

      „Major Forster“, durchbrach die Stimme des Präsidenten das kurze Schweigen. „Wenn Sie einen Einschlag nicht mehr verhindern können, wie können Sie den Ort des Einschlags beeinflussen?“

      „Ich glaube, ich verstehe Sie nicht recht.“ Alan Forster versuchte Zeit zu gewinnen.

      „Ich glaube, Sie verstehen mich sehr gut, Forster“, raunte der Präsident in die Kamera.

      „Nun Mister President. Hierzu kann man zum jetzigen Zeitpunkt keine abschließende Aussage treffen. Es gibt noch zu viele Unbekannte in der gesamten Gleichung. Beispielsweise ist noch nicht eindeutig geklärt, welche Zusammensetzung der Komet hat. Diese aber hat entscheidenden Einfluss auf die Wirkung unserer Nuklearsprengköpfe und die mögliche Wirkung von Mikrowellensystemen. Etwa, ob der Komet lediglich von seiner Bahn abgelenkt wird oder ob er in mehrere Einzelteile auseinander springt. Wenn er das tut, dann haben wir auf jeden Fall verloren. Die Einzelteile kriegen wir nicht mehr unter Kontrolle. Vor allem nicht, wenn sie durch eine Explosion unterschiedliche Impulskomponenten bekommen haben. Sicher ist bislang lediglich, dass er größer als Manhattan ist und die Wahrscheinlichkeit für einen Impact weit über fünfzig Prozent liegt.“

      „An welchem Ort erwarten Sie den Einschlag?“

      „Mister President, ich sage Ihnen doch, das ist Spekulation.“ Alan Forster spürte den Ellenbogen seines Vorgesetzten in den Rippen. „Der Komet wird von Süden kommen. Das heißt, er trifft höchstwahrschein­lich auf der Südhalbkugel auf. Südpazifik. Vielleicht.“

      „Das bedeutet. Ein Tsunami, der die Westküste verwüstet. Los Angeles. Kalifornien.“ Der Präsident blickte auf den Bildschirm neben sich. „Oder ein Einschlag irgendwo in Südamerika. Dann überrollt uns ein Schutt- und Ascheregen.“

      „Beides liegt im Rahmen unserer Vorhersagemodelle.“ Forster antwortete schnell und wandte seinen Blick von der auf ihn gerichteten Kamera der Videokonferenz ab.

      „Noch einmal zurück zu meiner Frage. Welche Möglichkeiten bestehen, den Einschlagpunkt zu beeinflussen? Auf jeden Fall weg von Amerika. Sagen wir in Richtung Asien“, wollte der Präsident wissen.

      „Wenn Sie mich so direkt fragen: Keine“, antwortete Forster sichtlich genervt.

      „So einfach lasse ich Sie da aber nicht raus, Forster!“

      „Mister President. Wir stoßen hier an die Grenzen unserer Kenntnisse und des derzeit Machbaren. Es gibt keine in der Realität überprüften Modelle für die Wirkung einer nuklearen Explosion an der Oberfläche eines Kometen, der mit mehr als hunderttausend Stundenkilometern durchs Sonnensystem rast. Wenn unser Wissen schon an dieser Stelle Lücken hat, wie sollen wir dann die Folgewirkung auf eine mehrere Millionen Kilometer lange Trajektorie bestimmen oder sie gar in einer bestimmten vorher geplanten Weise beeinflussen?“

      „Schon gut, Forster. Ich habe verstanden. Verschonen Sie mich bloß mit dem ganzen wissenschaftlichen Kauderwelsch. Damit haben mich Ihre Kollegen von der NASA auch schon eingenebelt.“

      Präsident Goldman setzte sich an seinem Schreibtisch in Position und rückte noch näher an die Kamera heran. „Ihnen ist hoffentlich eines klar“, brüllte er durch die Übertragung. „Wir brauchen eine Lösung. Und zwar schnell. Oder glauben Sie, ich werde der Welt erklären, dass wir diesen Kometen entdeckt und seine Bahn auf das Genaueste berechnet haben, aber aufgrund eines technischen Versagens nicht in der Lage sind, etwas dagegen zu unternehmen. Wir werden nicht einfach abwarten, bis uns der Brocken in die Steinzeit zurückbombt.“ Der Tonfall des Präsidenten wurde