Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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Hast Du die schon gesehen?“

      „Ist ja kaum zu übersehen“, antwortete Richard. „Aber sag‘ mal, Ihr braucht doch sicher riesige Batterien?“

      Carlotta nickte „Wir können fast zwei Drittel unseres Stromverbrauchs decken.“

      „Das rechnet sich aber nicht wirklich“, grinste Richard provozierend.

      „Natürlich nicht. Es wäre selbst hier oben viel ökonomischer, einen Generator zu betreiben oder den Strom aus dem Netz zu beziehen.“ Carlotta deutete auf die Gasturbine hinter einer der Hallen. „Weil wir den Großteil nachts benötigen. Aber es war Brightons Idee, diese Anlage zu installieren. Man braucht schon eine gehörige Portion Idealismus dafür. Aber ich finde es wichtig, dass es Menschen gibt, die nicht alles dem Profit unterordnen.“

      Richard nickte stumm und sah sich noch einmal zum Helikopter um.

      „Ich glaube, fast jeder hier oben profitiert in irgendeiner Weise von Brighton“, fuhr Carlotta nach einer Weile fort.

      „Er ist sehr fokussiert. Und verliert keine Zeit“, stellte Richard fest. „Und dabei ist er ganz natürlich. Solche Leute habe ich mir immer ganz anders vorgestellt.“

      „Da hast Du recht“, stimmte Carlotta zu. „Sein Äußeres passt zu einem Industriellen, aber er ist eigentlich ein ganz einfacher und natürlicher Mann. Der wirtschaftliche Erfolg ist ihm nicht zu Kopf gestiegen. Vielleicht treffen wir ihn später noch beim Essen. Dann wirst Du ihn sicher noch näher kennenlernen.“

      „Carlotta, Du hast gesagt, er hatte eine Menge Firmen“, erkundigte sich Richard. „Hat er sie aufgegeben?“

      „Das ist eine traurige Geschichte.“ Carlotta zögerte. „Er hat vor Jahren seine Familie verloren.“ Ihr Blick senkte sich. „Eine schreckliche Katas­trophe. Er war gerade zum Unternehmer des Jahres gewählt worden. Wahrscheinlich der Höhepunkt seines unternehmerischen Erfolges. Und dann dieser Schicksalsschlag.“

      „Was war das für eine Katastrophe?“, ermunterte Richard sie, weiterzu­sprechen. Sie waren mittlerweile die Einzigen in der Nähe des Helikopters. Der Pilot im Cockpit ging eine Checkliste durch und bemerkte sie nicht.

      „Du hast doch sicher von diesem schrecklichen Erdrutsch in Kalifornien gehört. In der Nähe von Santa Barbara. Fast 200 Menschen sind dabei ums Leben gekommen.“ Carlottas Stimme wurde heiser. „Auch seine Frau und seine drei Kinder.“

      Richard schluckte. Lange starrte er wortlos auf den Piloten im Helikopter. „Danach änderte Brighton sein Leben radikal. Er verkaufte alle seine Firmen und lebte schließlich ganz zurückgezogen. Die Geschichte war damals in allen Magazinen zu lesen. Erinnerst Du Dich nicht?“

      „Nein, so was habe ich nicht verfolgt.“

      „Mit seinem Vermögen hat er eine Stiftung gegründet, die wissenschaft­liche Einrichtungen und Projekte fördert.“ Carlotta trocknete ihre Augen und sprach mit belegter Stimme weiter.

      „Wir hatten das große Glück, dass er sich sehr für Astronomie und die Fragen des Lebens interessiert. Paul hat mir einmal erzählt, wie er Brighton kennengelernt hat. Er war fasziniert davon, wie weit wir mit den Instrumenten in die Tiefen des Weltraumes blicken können. Und unglaubliche Dinge entdecken. Und manchmal auch beunruhigen­de.“

      8.Merritt Island (Florida, USA) – 14. September, 10:11 Uhr Ortszeit

      Eine leichte Brise blies die salzige Luft vom Atlantik landeinwärts. Die Sonne stand hoch am Himmel. Nur wenige Wolken durchquerten das perfekte Blau. Ein idealer Tag. Seltene Wasservögel und Amphibien tummelten sich in den Sümpfen des Merritt Island National Wildlife Refuge, einer Insel zwischen Indian und Banana River an der Ostküste Floridas. Der Jetty Park an der Nordost-Spitze einer langgezogenen Insel im Südosten von Merrit Island bildete die perfekte Location für diesen sonnigen Spätsommermorgen. Im Park hatten sich bereits einige hundert Menschen versammelt. Es waren aber deutlich weniger als üblicherweise bei einem Start. Die Besucher hatten sich auf Campingstühlen oder anderen Sitzgelegenheiten niedergelassen. Einige Familien saßen auf wasserabweisenden Decken und machten sich über ein mitgebrachtes Picknick her. Am Zugang zum Strand hatten professionelle Beobachter ihre Fernrohre auf Stative positioniert. Alle warteten auf den Start der Rakete. Die Startrampe des Kennedy Space Center auf Cape Canaveral war in mehreren Kilometer Entfernung nur zu erahnen. Der nördliche Teil der vorgelagerten Inseln an der Ostküste Floridas umfasste ein gewaltiges Areal, das sich durch seine Nähe zum Äquator besonders für Raketenstarts eignete.

      Auch Edward Russel war an diesem Tag mit seiner Frau und den beiden Kindern gekommen, um den Start der Delta IV Rakete vom Jetty Park aus zu verfolgen. Um sechs Uhr morgens waren sie in Tampa aufge­brochen und hatten die zweieinhalbstündige Fahrt ohne die erwarteten Staus hinter sich gebracht. Von diesem Raketenstart hatte er erst vor wenigen Tagen von einem ehemaligen Arbeits­kollegen erfahren, der seit kurzem bei der NASA arbeitete.

      Der Start der Rakete war für 10:23 Uhr angekündigt. Das war zumindest die Information, die sich unter den Wartenden herumgesprochen hatte. Im Internet und der Lokalpresse war nichts zu lesen gewesen. Normaler­weise berichtete die Presse immer über derartige Ereignisse, die sich dann regelmäßig zu einem Besuchermagnet entwickelten. Umso mehr freute er sich über den Geheimtipp. Wahr­scheinlich ein geheimer Militär- oder Spionage-Satellit. Der kostet uns Steuerzahler wieder eine knappe Milliarde Dollar. Und die Zeitungen werden in einem Zweizeiler vom erfolgreichen Start eines Nachrichten­satelliten berichten. Das ist vermutlich der Preis unserer Freiheit.

      Mit Näherrücken der angekündigten Startzeit drängten die Besucher im Park dichter an die Küstenlinie heran. Wenige hundert Meter nördlich lag die Cape Canaveral Airforce Station mit den Startrampen, die sich entlang der Küste nach Norden erstreckten. Edward Russel verweilte mit seiner Familie im Park und sie verzehrten Bagels und heißen Kaffee aus der Thermoskanne. Die Kinder stellten bohrende Fragen über Raumfahrt, den Weltraum und die Sterne. Als der Zeiger an Russels Armbanduhr auf 23 Minuten nach zehn sprang kündigte eine leuchtende Wolke von Gas und Wasser, das zur Dämpfung der zerstörerischen Schallwellen beim Start auf die Unterseite der Rakete gesprüht wurde, das Zünden der Triebwerke an. Die mehr als 1.000 Tonnen schwere Delta IV Heavy Rakete mit sieben gebündelten Zusatztriebwerken erhob sich wie in Zeitlupe von ihrer Startrampe. Als eine der stärksten derzeit verfügbaren Raketen war sie in der Lage, eine Nutzlast von mehr als vier Tonnen in einen geostationären Orbit zu bringen. Wenige Sekunden nach dem Zünden der Triebwerke hatte sich die Delta IV bereits über den Turm der Startrampe mit der Bezeichnung 37B, von der aus auch der erste Start eines unbemannten Apollo-Mondlandemoduls erfolgt war, erhoben.

      Was für ein Start. Die Kinder jubelten und sprangen in die Luft. Der ohrenbetäubende Lärm der Triebwerke drang als dumpfes Grollen zu dem gut acht Kilometer entfernten Jetty Park und schwoll immer weiter an, als die Rakete höher in den Himmel stieg. Der Feuerschweif, den die Booster-Triebwerke durch die Wasserstoffverbrennung erzeugten, über­strahlte das Licht der Sonne. Der Weg der Rakete durch die Atmosphäre wurde von einer hellweißen Wolke aus dem Kondensat der Triebwerke nachgezeichnet.

      Nach einigen Minuten – von der Rakete war nur noch das Triebwerk als Feuerpunkt an der Spitze des Kondenskegels zu erkennen – geriet das Feuer der Triebwerke ins Stocken. Die Zündung der nächsten Stufe, dachte Russel. Doch in den folgenden Augenblicken tat sich nichts weiter. Sekundenbruchteile später war ein kleiner Feuerball zu erkennen. Oh mein Gott, schoss es Russel durch den Kopf. Seine Befürchtungen bestätigten sich nur einen Wimpernschlag später. Der Feuerball war angeschwollen und hatte einen Großteil der Rakete erfasst. Im nächsten Moment wurde die gesamte Erststufe der Delta IV durch eine heftige Explosion zerrissen. Eine riesige Wolke aus kondensiertem Wasser als Abfallprodukt der Wasserstoffexplosion bildete sich am Himmel. Trümmer barsten auseinander wie bei einem riesigen Feuerwerkskörper. Teile der Rakete rasten aus der Wolke heraus. Die großen Bruchstücke zogen auf ihrem Weg durch die Atmosphäre eigene Kondensstreifen hinter sich her, bis sie schließlich von der Schwerkraft gezogen zurück auf die Erde rasten und auf einer Fläche von mehreren hundert Quadrat­kilometern im Atlantik